Ende von Demokratie

Der US-Autor Francis Fukuyama verkündete nach dem Zerfall der Sowjetunion 1992 das »Ende der Geschichte«. Bis dahin galt dieses »Posthistoire« als ideologischer Ladenhüter des feudalen Konservatismus nach 1789. Als »Untergang des Abendlandes« wurde es nach dem Ersten Weltkrieg populär und eine Komponente beim Aufstieg des deutschen Faschismus. Fukuyama missverstand seine Version als fortschrittlich. Für ihn war »Ende der Geschichte« Resultat der Entwicklung politischer Systeme hin zur »liberalen Demokratie«. Sie sei nach dem Sieg über den Faschismus 1945 und der Überwindung des Kommunismus am 9. November 1989, dem Tag der DDR-Grenzöffnung, als einzige noch attraktiv.

Der Mann hat sich nicht geirrt, allerdings in einem anderen Sinn, als er dachte. Nicht nur ist jeder US-Präsidentschaftswahlkampf eine Gefahr für den Weltfrieden, wie eine Formel von Diplomaten sozialistischer Staaten im Kalten Krieg lautete, es sind die Eigentums- und Machtverhältnisse der USA selbst, ihr militärischer und ihr elektronischer Zugriff auf die Weltbevölkerung, die Frieden und Existenz der Menschheit bedrohen. Das Personal ist entsprechend: Will irgend jemand einen US-Politiker in der Nähe des Atomknopfs haben, von Hillary Clinton und Donald Trump zu schweigen? »Liberale Demokratie«, in den USA eine Oligarchie, das ist seit dem 9. November 1989 globaler Staatsterrorismus mit der Tendenz zum Weltkrieg.

Barack Obama wurde 2008 von einer Massenbewegung ins Weiße Haus gewählt. Eine Ausnahme. Wer damals allerdings z. B. in dieser Zeitung darauf hinwies, dass das weder in Innen- noch Außenpolitik der USA zu grundlegenden Änderungen führen werde, wurde des öfteren mit bösen Sätzen bedacht. Der Friedensnobelpreisträger von 2009 verabschiedet sich nun als US-Präsident mit den Kriegen, die er von seinem Vorgänger übernahm, also allen, und denen, die er hinzufügte. Er tritt ab mit verstärkter Einkreisung Russlands und Chinas, mit der »Modernisierung« genannten Schaffung neuartiger Atomwaffen und mit einer NATO-Doktrin, für die Moskau wieder Erstschlagziel ist. Er wiederholte kürzlich, die USA blieben die »unerlässliche« Nation der Welt. Das ist die Formel für Faust- statt Völkerrecht, für Erpressung statt UN-Charta, für Kriegshetze statt Realismus. Er hat das Pulverfass bis zum Rand gefüllt.

Wer ihm nachfolgt, wird alles daran setzen, in diesem Sinn »America great« bleiben zu lassen. Die Behauptung, es müsse das »wieder«, »again«, werden, entspricht dem Nonsens von »Volksauflösung« und »Islamisierung« hierzulande. Das »Posthistoire« wird nun als »Postfaktisches« angeboten, einem Synonym fürs Ende von Demokratie. An deren Stelle tritt wechselseitige Täuschung beachtlicher Teile der Bevölkerung unter Aufsicht kalifornischer Internetkonzerne. Geblieben sind allerdings Geschichte und Tatsachen. Nur sie, insbesondere solche Fakten, wie sie Russland z. B. in Syrien geschaffen hat, nimmt der militärisch-industrielle Komplex der USA zur Kenntnis.

Quelle: http://www.jungewelt.de/2016/11-09/037.php

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