Erste Betrachtungen zur Situation in Libyen

Quelle: http://gis.blogsport.de/2011/03/07/erste-betrachtungen-zu-situation-in-libyen/

Es ist noch zu früh um eine endgültige Bewertung der Ereignisse in Libyen vorzunehmen, da die Situation sehr unübersichtlich ist und wir uns über nichts sicher sein können. Die Tage des Obersten scheinen gezählt, dennoch setzt er seinen erbitterten Widerstand fort, obwohl die internationale kapitalistische Gemeinschaft alle politischen (Internationaler Strafgerichtshof) und ökonomischen Waffen (Embargo, Wirtschaftssanktion, Einfrieren von Auslandsvermögen) ins Spiel bringt.

Vor diesem Hintergrund können wir gegenwärtig nur einige Betrachtungen anstellen.
Die Revolte in Benghazi und anderen Städten in Cyrenica als auch in kleineren Städten südlich von Tripolis haben das angespannte Verhältnis zwischen Gaddafi und seinem Stamm und anderen libyschen Stämmen, die sich über 40 Jahre der Diktatur des Obersten unterordnen mussten, zerbrochen. Davon zeugt auch die Forderung nach Unabhängigkeit die von der Stammesbourgeoisie von Cyrenica und Fezzan erhoben wurde, die niemals wirklich befriedet werden konnte.

Sie sind versessen darauf die Öl-Einnahmen eigenständig zu kontrollieren, was bis vor wenigen Wochen das Vorrecht des „grünen” Diktators war. Es ist kein Zufall, dass die Revolte im Osten des Landes ausgebrochen ist, wo sich schon eine provisorische Regierung bildete, die die Aufgabe hat, die Kontrolle der Ölfelder und ihre Nutzung und Ausbeutung durch internationale Firmen zu sichern. Die vorherige Stabilität basierte vorrangig auf Gewalt. Gaddafi und seine Söhne hatten die uneingeschränkte Kontrolle über die Armee, die Polizei und die Luftwaffe. Sie kontrollierten aber auch die Ölquellen und das Management der nationalen Öl- und Gasunternehmen. Aus diesen Öleinnahmen gaben sie Gelder an verbündete und untergebene Stammesführer ab, je nachdem ob diese politisch nützlich oder aber zu einer potentiellen Gefahr für die Herrschaft der „Rais” werden konnten. Diese Arrangements sind nun aufgehoben.
Die größeren Stämme wie die Warfalla, die das Gebiet südlich von Tripolis kontrollieren, haben sich bereits früher aufgelehnt. 1993 inmitten des internationalen Embargos nach der Lockerbie-Affäre unternahmen sie den Versuch eines Staatsstreichs. Dieser wurde von Gaddafi brutal niedergeschlagen. Dutzende wurden öffentlich von Erschießungskommandos exekutiert und über 200 ins Gefängnis geworfen. Die Zuwayya die im Gebiet zwischen Tripolis und Begnhazi leben, die Misurata und die Abu Llail, die das Gebiet der Ölpipelines im Osten von Cyrenica kontrollieren, ergriffen die Initiative um an der Spitze der öffentlichen Proteste dem über 40 Jahre währenden Spiel ein Ende zu setzen. Alle größeren Stämme verfügen nun über Milizen und kleinere Vorräte an leichten Waffen aus Kasernen und Armeedepots, die sie zu Beginn der Revolte angegriffen hatten. Gegenwärtig scheint die libysche Krise das Ausmaß eines Bürgerkrieges zwischen Stämmen oder vielmehr bürgerlichen Fraktionen anzunehmen, die um die ökonomische und politische Kontrolle eines Landes kämpfen, welches nach Nigeria der zweite Erdölexporteur Afrikas ist, und diesbezüglich weltweit an zwölfter Stelle steht.

Die zweite Betrachtung betrifft die Möglichkeit eines Bruchs des gegenwärtigen Kräfteverhältnisses im energiereichen Mittleren Osten und den daraus folgenden Konsequenzen. Es kommt nicht von ungefähr dass drei Flugzeugträger der USA auf dem Weg zum Golf von Sirte sind, und der britische Premier Cameron ebenso die Verlegung von Schiffen angeordnet hat. Der britische und amerikanische Imperialismus macht sich nicht nur über die Zukunft der libyschen Öl- und Gasvorkommen Sorgen. Diese sind wichtig, aber in der internationalen Energieverteilung nicht entscheidend. Was ihnen wirklich ernsthaft Sorge bereitet ist eine Ausdehnung der Krise auf die ganze arabische Halbinsel.

Der Wind der Revolte durchbläst Jemen, Oman und Bahrain in gefährlicher Nähe zu Saudi-Arabien, dem größten Öllieferanten der USA. Wenn Riad vom Sturm ergriffen würde, könnte dies zu einer Situation führen, der nicht mehr einfach nur durch militärische Manöver, psychologische Abschreckung und politischen Druck beizukommen wäre. Wenn es um die Öllieferungen des Nahen Ostens geht hört jeder Spaß auf. Der US-Imperialismus hat bereits zwei noch längst nicht beendete Kriege angezettelt und führt einen energischen Kampf um den Handel und Transport des schwarzen Goldes von Zentralasien zu den Küsten des Mittelmeers zu sichern. In Anbetracht einer kritischen Situation in den Häfen Arabiens wird er nicht zögern seine militärische Macht weiter ausspielen. Vorläufig haben sich die USA darauf verlegt abzuwarten. Aber auch China, das gegenwärtig in Niger, Nigeria, im Sudan und im Tschad sehr präsent ist, wird nicht einfach nur zusehen. Gleichzeitig sind Hunderttausende Opfer der Machtkämpfe der rivalisierenden Fraktionen der Herrschenden und des internationalen Spiels der Imperialisten auf der Flucht.

Für die libysche ArbeiterInnenklasse gibt es keine Möglichkeit zur Befreiung, wenn sie sich weiterhin vom Tribalismus absorbieren lässt und den opportunistischen Losungen der bürgerlichen Opposition nach „Freiheit” und „Demokratie” auf den Leim geht. Diese „Freiheit” und „Demokratie” wird nur eine neuere, effektivere politische und ideologische Basis für die fortgesetzte Ausbeutung und Unterdrückung sein. Sowohl die Stammesfehden und bürgerlichen Machtkämpfe als auch die destruktive Dynamik eines immer gierigeren Imperialismus haben eine tiefere Wurzel. Der wirkliche Grund der Krise liegt im ökonomischen System, welches weiterhin unter dem Namen Kapitalismus sein Unwesen treibt.

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Menschenunwürdige Nothilfe in der Schweiz

Die Bundesverfassung garantiert allen Menschen in unserem Land, die in Schwierigkeiten geraten, Hilfe in der Not. Mit dieser minimalen Hilfe soll die Würde des Menschen geschützt werden. Doch ausgerechnet mit der Nothilfe wird die Würde des Menschen nun systematisch verletzt. Seit einigen Jahren dient ein minimales Nothilfe-Regime dazu, abgewiesene Asylsuchende möglichst rasch aus der Schweiz zu vertreiben. Mit abgelegenen und zum Teil tagsüber geschlossenen Unterkünften, einem minimalen Betrag von 4.30 bis 12 Franken fürs tägliche Überleben und bürokratischen Schikanen werden diese Menschen sozial isoliert.

Die Hoffnungslosigkeit ist gewollt und das Elend künstlich geschaffen. Rund 5800 Personen leben teilweise während Monaten und Jahren unter diesen prekären Bedingungen. Die einen, weil ihnen die Papiere für eine Rückkehr ins Heimatland fehlen, andere aus Angst vor dem, was sie zu Hause erwarten würde.

Das Nothilferegime ist eine Sackgasse für alle: Für die Betroffenen, weil sie kaum mehr Chancen haben, aus diesem menschenunwürdigen System herauszukommen und für die Behörden, weil das Ziel verfehlt wird, die abgewiesenen Asylsuchenden zur Ausreise aus der Schweiz zu bewegen und die Schweiz unattraktiv zu machen. Stattdessen werden auf Kosten der Menschenrechte massive Verwaltungskosten verursacht.

Trotzdem empfiehlt das Bundesamt für Migration den Kantonen in seinem Bericht zur Nothilfe, die Repression weiter zu verstärken. Und dies, obschon der Bericht auch klar aufzeigt, dass mit dem Nothilferegime die Ziele nicht erreicht werden und es letztlich eine Sackgasse für alle ist.

Kinder, unbegleitete Minderjährige, traumatisierte Personen, Frauen, Alte und Kranke leiden am stärksten unter dieser menschenunwürdigen Behandlung. Es ist höchste Zeit, das ganze Nothilfe-Regime grundsätzlich zu überdenken und einen Weg aus der Sackgasse zu finden. Helfen Sie mit! Unterschreiben Sie unsere Forderungen an Bundesrätin Simonetta Sommaruga und an die kantonalen PolizeidirektorInnen.

Petition online unterschreiben:

http://www.nothilfe-kampagne.ch/de/index.cfm/treeID/7

Weitere Infos:
Medienmitteilung vom 3. Februar 2011
Bericht: Nothilfe für ausreisepflichtige Asylsuchende (pdf)
Galerie: Leben in Baracken
www.nothilfe-kampagne.ch
Schweizerische Beobachtungsstelle für Asyl- und Ausländerrecht
Amnesty International Schweiz

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Bündnis der EU mit Libyen bei der Flüchtlingsbekämpfung

Von Martin Kreickenbaum
Quelle: World Socialist Web Site

Die westlichen Großmächte bereiten derzeit ein militärisches Eingreifen gegen Libyen vor und führen dazu „humanitäre“ Vorwände ins Feld. Der deutsche Außenminister Guido Westerwelle hat erklärt, man könne „nicht zusehen, wie Menschen ermordet werden“. Doch genau das hat die Europäische Union über die letzten Jahre getan, als sie mit den Diktaturen in Libyen und Tunesien bei der Flüchtlingsabwehr eng zusammenarbeitete.

Seit 2003 ist in Nordafrika mit Hilfe der EU ein System von Flüchtlingslagern entstanden. Die Regime von Ben Ali und Gaddafi erledigten die Drecksarbeit für die EU und hinderten afrikanische Flüchtlinge auf brutale Weise daran, nach Europa zu gelangen. Die europäischen Regierungen unterstützten das und förderten es mit Millionen Euro.

Der britische Premierminister Tony Blair hatte 2003 angesichts steigender Asylbewerberzahlen im Vereinigten Königreich eine „neue Vision für Flüchtlinge“ vorgestellt, die aus zwei Kernpunkten bestand: Der Errichtung von Aufnahmelagern für Flüchtlinge außerhalb des Territoriums der EU und der militärischen Intervention in Krisengebieten, um Fluchtbewegungen in Richtung Europa schon im Keim zu ersticken.

Die EU-Innenminister und das Europaparlament lehnten solche Pläne zwar offiziell ab, doch auf dem EU-Gipfel der europäischen Staats- und Regierungschefs im Juni 2003 in Griechenland wurde unter der Hand grünes Licht für Blairs Lagerpläne gegeben. Innerhalb von zwölf Monaten sollten erste Pilotprojekte gestartet und bewertet werden.

Ein Jahr später preschte der damalige deutsche Innenminister Otto Schily (SPD) im Zusammenhang mit der Rettung von 37 afrikanischen Flüchtlingen im Mittelmeer durch das Schiff „Cap Anamur“ mit einer ähnlichen Idee zur Auslagerung der Flüchtlingsabwehr vor, über die er sich mit seinem damaligen italienischen Amtskollegen Giuseppe Pisanu abgesprochen hatte.

Auf dem Treffen der EU-Innenminister im Oktober 2004 erntete Schily viel Zustimmung für seine Pläne. Die Innenminister beschlossen die Errichtung von fünf Aufnahmelagern in Nordafrika, die allerdings nicht unter Leitung der EU stehen sollten. Den Mitgliedsstaaten wurde damit faktisch ein Freibrief ausgestellt, mit den Staaten Nordafrikas auf bilateraler Ebene Abkommen zur Flüchtlingsabwehr zu schließen. Dass mit diesen Plänen eine massive Verletzung von Grundrechten und der Genfer Flüchtlingskonvention verbunden war, ignorierten die Innenminister.

Insbesondere die italienische Regierung schuf dann schnell Fakten. In Tunesien finanzierte Italien insgesamt 13 Abschiebegefängnisse, in denen Flüchtlinge gefoltert und misshandelt wurden.

Bereits im Jahr 2003 schloss die Regierung Berlusconi auch mit Libyen ein Geheimabkommen zur Rücknahme illegaler Einwanderer. Italien renovierte ein Flüchtlingslager im Norden des Landes und errichtete zwei neue im Süden mitten in der Wüste. Italien lieferte darüber hinaus 100 Schlauchboote, 3 Reisebusse, 6 Geländewagen, Nachtsichtgeräte, Unterwasserkameras, 12.000 Wolldecken und 6.000 Matratzen. Dass die libyschen Behörden nicht gerade zimperlich mit Flüchtlingen umgehen, war der italienischen Regierung voll bewusst, denn die Lieferung umfasste auch 1.000 Leichensäcke.

Die enge Zusammenarbeit mit Libyen war nicht nur bemerkenswert, weil das Regime von Gaddafi seit 1992 international geächtet war und erst durch die Anstrengungen der italienischen Regierung und später der gesamten EU wieder international hoffähig gemacht wurde. Libyen hatte auch, was den Flüchtlingsschutz angeht, einen äußerst schlechten Ruf.

In dem Land leben rund zwei Millionen Flüchtlinge und Wanderarbeiter aus ganz Afrika, aber die Regierung hat die Genfer Flüchtlingskonvention nie unterzeichnet und weigerte sich daher auch, mit dem Flüchtlingskommissariat der Vereinten Nationen (UNHCR) zusammenzuarbeiten. Flüchtlinge und Arbeitsmigranten sind in Libyen grausamen Verfolgungen ausgesetzt und gegenüber den Sicherheitsbehörden völlig recht- und schutzlos.

Bereits im Jahr 2000 wurden bei rassistischen Pogromen rund 150 Schwarzafrikaner erschlagen. In den insgesamt 15 Flüchtlingslagern des Landes, in denen bis zu 60.000 Flüchtlinge zusammengepfercht sind, herrschen entsetzliche Zustände. Es gibt weder ausreichend Betten, noch Nahrung für die Insassen. Die Migranten sind Folter und Misshandlungen ausgesetzt, Abschiebungen werden ohne Ansehen der rechtlichen Situation der Betroffenen durchgeführt.

Die Lebensumstände in den Lagern waren so katastrophal, dass Insassen zum Teil ihr letztes Hab und Gut an ihre Wächter bezahlten, um den Lagern entfliehen zu können. Für viele endete die Reise durch die Wüste nach Niger jedoch tödlich. Menschenrechtsorganisationen sprechen von mehr als 1.600 Toten in der Sahara.

Trotzdem flog Italien seit 2003 regelmäßig Flüchtlinge, die auf der Mittelmeerinsel Lampedusa gestrandet waren, direkt wieder nach Libyen zurück. Es finanzierte den libyschen Behörden zwischen 2003 und 2005 außerdem 60 Abschiebeflüge, mit denen Flüchtlinge von Libyen weiter deportiert wurden. Wegen der guten Zusammenarbeit auf wirtschaftlicher Ebene und bei der Flüchtlingsbekämpfung pries Ministerpräsident Silvio Berlusconi Gaddafi im Oktober 2004 anlässlich der Einweihung einer Gaspipeline von Libyen nach Italien als „einen guten Freund und freiheitsliebenden Regierungschef“.

Doch nicht nur die italienische Regierung, auch die maltesische und die deutsche begannen nun Gaddafi in der Hoffnung zu hofieren, lukrative Verträge für die heimische Wirtschaft abzuschließen und die Zusammenarbeit bei der Flüchtlingsabwehr zu intensivieren. Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) stattete Libyen 2004 zu diesem Zweck ein Besuch ab.

Die Europäische Union hob im Oktober 2004 das Waffenembargo gegen Libyen auf und betonte am selben Tag, sie wolle im Bereich der Migrationsregulierung enger mit Libyen zusammenarbeiten. Im selben Jahr machte sich eine „technische Mission“ der EU-Kommission auf den Weg nach Libyen und inspizierte die Grenzkontrollen und Flüchtlingslager. Sie kritisierte zwar die dort herrschenden Haftbedingungen, schlug aber eine Intensivierung der Zusammenarbeit vor, die sich zunächst in Schulungen für libysche Grenzpolizisten und Materiallieferungen niederschlug.

Im Jahr 2007 reiste eine Delegation der europäischen Grenzschutzagentur Frontex nach Libyen. In ihrem Bericht dokumentierte sie erneut massive Menschenrechtsverletzungen. Trotzdem empfahl Frontex die Lieferung von Kommandoständen, Überwachungsradars, Patrouillenbooten und anderen Ausrüstungsgegenständen nach Libyen.

Im selben Jahr unterzeichnete die EU eine Absichtserklärung mit Libyen, die von der damalige EU-Kommissarin für Außenbeziehungen Benito Ferrero-Waldner euphorisch gepriesen wurde: „Unsere Vereinbarung wird nicht nur die Beziehungen zwischen der EU und Libyen stärken, sondern auch wesentlich zu der aktuellen Politik Libyens beitragen, seine Position in der internationalen Gemeinschaft zu festigen.“

Das in der Absichtserklärung geplante Rahmenabkommen ist allerdings bis heute nicht zustande gekommen. Bisher führte nur die italienische Küstenwache auf bilateraler Ebene gemeinsame Patrouillenfahrten vor der Küste Libyens durch. Dabei wurden wiederholt Flüchtlingsboote abgedrängt und beschossen.

Trotzdem hat die EU in den letzten Jahren rund 60 Millionen Euro in Libyen investiert, um die Flüchtlingsabwehr in Nordafrika zu perfektionieren. Geplant sind aber noch weitergehende Maßnahmen. So soll an den Südgrenzen Libyens zum Tschad und zum Niger ein Radar- und Satellitengestütztes Grenzkontrollsystem errichtet werden. Die Kosten von rund 300 Millionen Euro sollen zwischen Italien und der EU aufgeteilt werden. Die Durchführung soll die italienische Finmeccanica-Gruppe übernehmen, der größte italienische Rüstungskonzern.

Die Flüchtlingsabwehr der EU in Zusammenarbeit mit dem libyschen Regime haben Tausende Flüchtlinge mit dem Tod auf dem Mittelmeer und in den Wüsten Libyens bezahlt. Die Verantwortung dafür tragen in erster Linie die europäischen Regierungen. Sie haben nicht nur zugeschaut, wie das Regime Gaddafis Migranten und Flüchtlinge drangsaliert, foltert und in den sicheren Tod schickt, sondern die Regierung in Tripolis dabei auch nach Kräften logistisch und finanziell unterstützt.

Nun befürchten die europäischen Regierungen, dass der Aufstand gegen das Gaddafi-Regime eine neue Flüchtlingswelle über das Mittelmeer auslöst. Die EU hat darauf mit der Entsendung von Hubschraubern, Schnellbooten und Kriegsschiffen reagiert und eine schnelle Eingreiftruppe der Grenzschutzagentur Frontex an die libysche und tunesische Küste verlegt, um die Flucht auf das europäische Festland um jeden Preis zu verhindern.

Der Umgang mit den Flüchtlingen offenbart darüber hinaus die tiefe Zerstrittenheit innerhalb der Europäischen Union. Schon als vor zwei Wochen 6.000 Flüchtlinge aus Tunesien die kleine italienische Insel Lampedusa erreichten, entbrannte ein heftiger Streit über ihre Verteilung. Die Mittelmeeranrainerstaaten Italien, Malta, Spanien, Griechenland und Frankreich verlangten eine Aufteilung der auf der Insel Gestrandeten auf alle Staaten der EU mittels eines Quotenverfahrens, was von den nördlichen EU-Mitgliedsstaaten wie Großbritannien, Schweden, Österreich und vor allem Deutschland strikt abgelehnt wurde.

Der Umgang mit den Flüchtlingen war dabei bizarr. Der italienische Innenminister Roberto Maroni verhängte den Notstand über die Insel Lampedusa, sprach von einer „humanitären Katastrophe“ und malte das Schreckgespenst eines „Exodus von biblischem Ausmaß“ an die Wand, weigerte sich aber gleichzeitig, das leer stehende Aufnahmelager für Flüchtlinge auf Lampedusa zu öffnen. Die Flüchtlinge mussten zunächst im Freien campieren und waren auf die Hilfsbereitschaft der Bevölkerung angewiesen, die die Gestrandeten mit Lebensmitteln und Unterkünften versorgte.

Die „Das Boot ist voll“-Strategie der EU-Innenminister führte dazu, dass sie sich nur auf einen Einsatz der Grenzschutzagentur Frontex einigen konnten. Hier beteiligt sich auch Deutschland mit der Entsendung von Hubschraubern zur Seeaufklärung.

Die Differenzen innerhalb der EU über die Aufnahme von Flüchtlingen blieben auch angesichts der dramatischen Ereignisse in Libyen bestehen. Während über 100.000 Arbeiter und Familien vor dem dort stattfindenden Gemetzel nach Ägypten und Tunesien fliehen, weigert sich die EU strikt, die Grenzen für diese Menschen zu öffnen. Flüchtlingsboote werden durch Frontex auf See abgedrängt und zur Umkehr gezwungen.

Die Forderung an das Regime in Libyen, die Menschenrechte zu achten und den Freiheitsdrang der Bevölkerung zu respektieren, wird völlig dadurch konterkariert, dass die EU das Recht auf Asyl und Sicherheit an Leib und Leben mit Füßen tritt.

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Solidarität mit den ArbeiterInnen in Wisconsin!

Quelle: www.trueten.de

Seit Wochen kämpfen die Beschäftigten des öffentlichen Dienstes im U.S. Bundesstaat Wisconsin gegen die Verabschiedung des Gesetzes AB11. Mit dem Gesetz sollen den im ca. 300.000 im öffentlichen Dienst Beschäftigten das Recht auf kollektive Tarifverhandlungen und damit Tarifverträge, sowie Renten und Krankenversicherung verwehrt werden.

Die Beschäftigten sollen künftig zwischen 17% bis 18% aus ihren Gehaltsscheck zur Krankenversicherung und Renten beitragen, was offener Lohnraub ist. Doch nicht genug: Die Löhne sollen für die nächsten drei Jahre eingefroren werden.

Wenn sich dieses Union-Busting Manöver durchsetzt, sind weitreichende Verschlechterungen für die Bevölkerung zu erwarten. Ein ähnliches Gesetz soll in Ohio, Indiana, Tennessee und Florida eingeführt werden. Auch in den USA reagiert der Staat auf die Krise mit Kürzungen bei sozialen Diensten, Studiengebühren für die öffentlichen Hochschulen. Auf der anderen Seite werden auch dort die Reichen immer reicher und zahlen immer weniger Steuern: Der Anteil der Unternehmenssteuern an den Steuereinnahmen beträgt weniger als 7%. Während dessen wird der arbeitenden Bevölkerung vorgeworfen, sie wären gierig und würden in den zu viel in diesen wirtschaftlich schwierigen Zeiten fordern.

Perfektes Timing also, um ArbeiterInnenrechte anzugreifen und zu zerschlagen, was von der Arbeiterbewegung in der Vergangenheit erkämpft wurde? Die Spitze der Angriffe sind die auf die Gewerkschaften, deren Arbeit als “unamerikanisch” verunglimpft wird. Damit ist gleichzeitig der opportunistische Kurs einiger Gewerkschaften gescheitert, die bereits mit der Bush Regierung einen Deal ausmachten, der 100 Millionen US Dollar in den Staatshaushalt durch eine Lohnkürzung von 3% im öffentlichen Dienst spülte. Im Jahr 1971 hatten die Gewerkschaften des öffentlichen Dienstes sich auf ein gesetzlich verankertes Stillhalteabkommen eingelassen, das in den letzten 40 Jahren für relative Ruhe in diesem Sektor sorgte. Viele der tariflich gesicherten Arbeitsplätze im öffentlichen Dienst wurden in den letzten Jahren privatisiert und in befristete Arbeitsverhältnisse umgewandelt. Die Fluktuation wurde genutzt, um die Neubesetzung mit LeiharbeiterInnen sowie mit MigrantInnen durchzuführen, die unter weit schlechteren rechtlichen Bedingungen und zum Teil illegal beschäftigt wurden. Seit einem in den 1990er Jahren verhängten Einstellungsstopp wurden weitere Errungenschaften zerschlagen, so wurden die Beschäftigten gezwungen, einen dreiwöchigen unbezahlten Urlaub hinzunehmen.

Wisconsin ist für die dort regierenden Republikaner ein Prüfstein zur Durchsetzung ihrer reaktionären Politik. Dem Haushalt fehlen 3,6 Milliarden U.S. Dollar. Um diese Lücke trotz aller Proteste zu füllen, ist offenbar jedes Mittel Recht: Für Aufsehen sorgte Scott Walker, der republikanische Gouverneur von Wisconsin, der in einem Telefongespräch mit Ian Murphy in Erwägung gezogen hat, Provokateure zu Demonstrationen zu schicken, um diese zu diskreditieren: Im Verlauf der 20minütigen Unterhaltung entlockte Murphy dem republikanischen Gouverneur eine Reihe provokativer Bemerkungen. Walker schlug vor, die 14 Senatoren der Demokratischen Partei wegen schwerer Straftaten anzuklagen, da diese, um die Abstimmung im Parlament zu verhindern, in das benachbarte Illinois “geflüchtet” waren. Zum Beschluss wären 20 Stimmen nötig gewesen, diese konnten die 19 republikanischen Abgeordneten so nicht aufbringen. Abgesehen von dieser Kuriosität gehen immer weniger Menschen in Wisconsin davon aus, dass AB11 im Parlament verhindert wird und gehen mit immer neuen Protestaktionen auf die Straße. Am vergangenen Samstag kam es in Madison mit 100.000 TeilnehmerInnen zu einer der größten Protestdemonstrationen der dortigen Geschichte. In weiteren ca. 50 Städten kam es zu Solidaritätsaktionen mit teilweise mehreren tausend Menschen. Ein interessanter Aspekt bei den Aktionen ist der Vergleich, den viele der Protestierenden mit den Aufständen in Ägypten, Libyen und Tunesien ziehen. Zwar ist der soziale und poltische Protest weit entfernt von einem Aufstand, dennoch richtet er sich im Grunde gegen dieselben Ursachen: Ein kapitalistisches System, das nicht in der Lage ist, die Bedürfnisse der Menschen zu befriedigen.

Zunehmend ins Visier gerät die Obama Administration, die Billionen Dollar in die Bankenrettung und die Bonuszahlungen für die Vorstände der Wall Street gesteckt hat, sich jedoch weigert, bankrotten Staaten und Stadtverwaltungen zu helfen. Er will einen Lohnstopp der Bundesbediensteten und arbeitet an einem Haushalt, der Hunderte von Milliarden U.S. Dollar an Kürzungen in den sozialen Bereichen vorsieht und damit vor allen die Bevölkerung trifft. Damit steigen die Aussichten, dass sich die Sozialproteste in weitere US-Bundesstaaten ausweiten.

Siehe auch den LabourNet Schwerpunkt: Massenproteste gegen Sparpläne im Öffentlichen Dienst.

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Freiheit für Mumia Abu-Jamal: Rundbrief März 2011

Am 28. Januar 2011 beauftragte Mumia Abu-Jamal den NAACP Legal Defense and Educational Fund, Inc. (LDF), um ihn in seinem Verfahren zu unterstützen. LDF wird das Verteidigerteam um Judy Ritter, die Mumia Abu-Jamal seit 2003 vertritt, verstärken.

Noch gibt es keine Entscheidung von dem 3. Bundesberufungsgericht. Am 9. November vergangenen Jahres hatte es dort eine Anhörung gegeben, in der die Staatsanwaltschaft erneut verlangte, eine Hinrichtung von Mumia zu ermöglichen. Mumias Verteidigerin Judith Ritter hatte die fehlende gesetzliche Grundlage dieser Forderung deutlich herausgestellt. Doch nach allen Erfahrungen mit der Justiz in diesem inzwischen Jahrzehnte währenden Rechtsbruch ist es sehr zweifelhaft,dass Gerichte positive Entscheidungen für Mumia fällen. Nach Einschätzung von BeobachterInnen vor Ort ist die öffentliche Meinung in Philadelphia jedoch äußerst kritisch, was das derzeitige Anliegen der Staatsanwaltschaft angeht.

Hier bedarf es weitergehender Unterstützung, um den Behörden deutlich zumachen, dass das Interesse an Freiheit und Gerechtigkeit für Mumia Abu-Jamal ungebrochen ist. In diesem Zusammenhang können wir nur immer wieder auf die Schreibkampagne für Mumia hinweisen: Briefe oder Karten an Mumia zeigen ihm, aber auch den Postzensierenden Behörden, wie weit der Fall weltweit beobachtet wird.

Mumias Adresse:

Mumia Abu-Jamal
AM8335
SCI Greene Prison
175Progress Drive
Waynesburg,PA 15370
USA

Am 18. März ist der Tag der politischen Gefangenen. In diesem Zusammenhang finden bundesweit etliche Informationsveranstaltungen über Mumia Abu-Jamal und weitere politische Gefangene aus den USA statt. (siehe Termine). In der Februar Ausgabe dieses Rundbriefes wurde die Rote Hilfe Beilage erst zum Tag der politischen Gefangenen in der Tageszeitung Junge Welt (jW)angekündigt. Das war falsch. Die Beilage wird bereits früher, nämlich am 10. März in jW beiliegen.

Mumias 57. Geburtstag (24.04.2011) fällt dieses Jahr auf das Wochenende der Ostermärsche der Friedensbewegung in der BRD. In einigen Orten gibt es bereits Austausch mit lokalen OrganisatorInnen der Friedensbewegung. Mumia ist um einen Redebeitrag für die Ostermärsche gebeten worden. Falls Leserinnen oder Leser hier selbst aktiv werden und lokal etwas für Mumia organisieren möchten, meldet euch bitte beim Berliner Bündnis Freiheit für Mumia Abu-Jamal!. Vielleicht können Ideen und Material ausgetauscht werden.

Ebenfalls in der Zeit um Mumias Geburtstag erscheint ein Buch in der Laika Bibliothek des Widerstand über seinen Fall. Es wird neben zwei bereits bekannten auch einen neuen Film über Mumia enthalten. Dieser heißt “Justice On Trial” und hatte im November 2010 in Philadelphia Premiere. Parallel zu der Erscheinung sind bereits mehrere Veranstaltungen in Planung. Auch hier können sich Interessierte gerne an das Berliner Bündnis Freiheit für Mumia Abu-Jamal! wenden.

Anfang Februar wurde bekannt, dass die US Gesundheitsbehörde FDA neben England und Italien auch in anderen EU Ländern nach dem für die derzeitige Hinrichtungsmethode notwendigen Thiopental gesucht hat. In Österreich stellt die Schweizer Firma Sandoz dieses Präparat her und deren Produkte sind seit Herbst letzten Jahres an die FDA verkauft worden.

Inzwischen scheint es so, als ob die Behörden der verschiedenen Bundesstaaten sich von der Illegalität ihrer Giftbeschaffung nicht weiter abschrecken lassen und Hinrichtungen weiterhin durchführen. Nach Einschätzung verschiedener Anti-TodesstrafenaktivistInnen werden die beteiligten US Bundesstaaten in Zukunft versuchen, den Cocktail beider Hinrichtung mit der Giftspritzen durch ein einziges Medikament zu ersetzen. Wenn wir die Todesstrafe wirklich abschaffen wollen, müssen wir die gesellschaftliche Auseinandersetzung darüber intensivieren. Es zeigt sich, dass auch in einem sog. “rechtsstaatlichen” Europa kaum Probleme für die HenkerInnen bestehen, Material für das staatliche Ermorden von Gefangenen zu beschaffen. Und ansonsten denken sie sich halt etwas neues aus, um Gefangene zu ermorden. Die Todesstrafe wird nur über entschlossene gesellschaftliche Ablehnung abgeschafft werden.

Zum weiteren Inhalt:

Nachrichten aus der Bewegung

LDF verstärkt Mumia Abu-Jamal’s Verteidigungsteam (08.02.2011)

LDF Joins Mumia Abu-Jamal Defense Team (07.02.2011 – engl)

(Interview L. Washington) Mumia’s case a lightning rod for police terrorism(05.01.2011 – engl)

Termine zur Unterstützung für Mumia Abu-Jamal

Mi,16.03.2011, Heidelberg,Himmelheber, 20:00
Justizmorde in den USA – von Sacco & Vanzetti bis Mumia Abu-Jamal
Vortrag mit Michael Schiffmann, Veranst.: Rote Hilfe e.V. OG Heidelberg
Theaterstr.16
69117 Heidelberg

Fr,18.03.2011, Wiesbaden,Infoladen Linker Projekte, 19:00
Free Mumia Abu Jamal – mit dem Film “In Prison My Whole Life”
Infoladen Linker Projekte
Werderstr.8
65195 Wiesbaden

Fr,18.03.2011, Kiel,Kulturzentrum Hansastr. 48, 19:00
Informationen über die Lage der politischen Gefangenen weltweit (u.a. Leonard Peltier und Mumia Abu-Jamal) Veranst. Rote Hilfe Ortsgruppe Kiel
Kulturzentrum Hansastr. 48 – Holzraum
24118 Kiel

Fr,18.03.2011, Mainz,Weltmöbelladen, 19:30
Mumia Abu Jamal – Michael Schiffmann berichtet über seine Besuche im Todestrakt und den aktuellen Prozess des zum Tode verurteilten afro-amerikanischen Journalisten.
Veranstalterin:Rote Hilfe e.V. OG Mainz
Weltmöbelladen
Rheinallee79 – 81
55118 Mainz

18.03.2011, Nürnberg, KOMM 20:00
Film: “JUSTICE ON TRIAL – The case of Mumia Abu-Jamal” (USA,2010)
Der neue Film der “big noise production” über Mumia Abu Jamal.
“Projekt Gedächtnis” des LAIKA-Verlags in Kooperation mit der Regionalgruppe Nürnberg-Fürth-Erlangen der Roten Hilfe e.V.
KOMM
Untere Seitenstr. 1
90429 Nürnberg

Sa,19.03.2011 InternetRadio13 – 15:00
2stündige Sondersendung zum Tag der politischen Gefangenen: Geschichte des 18. März, Interview mit Berliner Konferenzvorbereitung, Schwerpunkt – Vorstellung verschiedener politischer Gefangener in den USA, Ausschnitte aus dem Mumia-Hörbuch u.v.m.
Weltweit im Internet

Sa, 19.03.2001, Berlin
Kongreß zum Tag der politischen Gefangenen 2011
ab 12:00 in der Schule für Erwachsenenbildung (SfE)
Im zweiten Block geht es u.a. um Mumia und politische Langzeitgefangene in den USA. Mumia und die inhaftierte Anwältin Lynne Stewart sind für Beiträge für die Konferenz angefragt.
SfE im Mehringhof
Gneisenaustr.2a
10961 Berlin

Mo,21.03.2011, Berlin20:30, Zilona Gora
Politische Langzeitgefangene in den USA – über Mumia Abu-Jamal und andere Gefangene des afroamerikanischen und indigenen Widerstands
Zilona Gora
GrünbergerStr. 73
10245 Berlin/F-Hain
gemeinsam vom Internationalistischen Abend und Berliner Free Mumia Bündnis

Mi,30.03.2011, Tübingen,Wohnprojekt Schellingstr.6
Freiheit für Mumia Abu-Jamal! – aktuelle Infos und Hintergründe
Wohnprojekt Schellingstr.6 – Hausbar
72072 Tübingen

regelmässige Beiträge von und über Mumia Abu-Jamal auf RADIOAKTIV
“RadioAktiv” Montag 20-21 im Internet
Wiederholung die ganze Woche zu jeder geraden Stunde

Freiheit für politische Gefangene

Aktionstag für Cuban 5 – Samstag, 05.03.2011, 03:00-11:00 Uhr
Der Fünfte für die Fünf – Tag zur Unterstützung der Cuban 5 -Weltweit: Faxen, e-mailen und anrufen!
Zum Fünten jeden Monats: Erheben wir unsere Stimme für die Cuban Five

Termine und Hintergrund Infos zum Tag der politischen Gefangenen 2011 auf der Sonderseite der Roten Hilfe e.V.

Im Februar 2011 kam Bewegung in den Fall von Albert Woodfox. Er ist Mitbegründer der Black Panther Party im berüchtigten USamerikanischen Arbeitslager und Gefängnis Angola gewesen. 1972 wurden ihm und anderen der Mord an einem Schließer in die Schuhe geschoben. Sein Verfahren war wie in so vielen anderen Fällen mit Manipulationen und großer Unfairness durchzogen. Nun soll es eine Beweisanhörung über Diskriminierung bei der ursprünglichen Juryauswahl geben. Auch das Gericht geht davon aus, dass diese stattgefunden hat. Jetzt hat die Staatsanwaltschaft die Gelegenheit,dem zu entgegnen. Das ist ein kleiner, aber wichtiger Schritt, um die Verurteilung von Albert Woodfox aufzuheben. weitere Infos

Gegen Polizeigewalt und Repression

Gesinnungsprozess gegen Berliner BuchhändlerInnen – Berichte vom 1. Prozesstermin (18.02.2011)

[B] Solidemo für Gefangene in Weißrussland (18.02.2011)

How Cities Like Philadelphia Waste Millions a Year Defending Crooked Cops (09.02.2011 – engl)

(Video) Schwere Polizeigewalt bei Anti-Räumungsprotesten in Berlin(29.01.2011)

Linkliste:

“socialnetworks” des Berliner Free Mumia Bündnisses:


http://myspace.com/FreiheitfrMumia
http://de-de.facebook.com/people/Anton-Mestin/100001505521584

Wir hoffen, gut informiert zu haben.

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Ben Ali ist abgehauen, seine Köter aber…

Der Kampf um den Rücktritt des tunesischen Interimspremiers Ghannouchi – Augenzeugenbericht von drei Italienischen Aktivisten.

“Eine Revolution ohne Anführer und ohne Waffen machen ist keine leichte Sache, das muss erfunden werden, die Tunesier und Tunesierinnen sind aber stolz darauf, dem Drama dieser Tage zum Trotz. Das Fehlen einer Mitte offenbart sich in einem vermeintlichen Chaos, das sich tatsächlich aber gerade durch die Vielfalt der Lebensformen ein weiteres Mal als kollektive Kraft und Intelligenz erweist”.

Ben Ali ist abgehauen, seine Köter sind aber noch da…

Nach dem Präsident Ben Ali am 14. Januar durch den Druck des Volkszorns geschasst wurde, ist Tunesien wieder in Bewegung, der politische und soziale Transformationsprozess ist auf die gesamte arabische Welt und darüber hinaus über gesprungen findet weiter bei hoher Intensität statt: zur gleichen Zeit gibt es Revolten in Ägypten, Algerien, Marokko, Bahrain, Iran, Libyen, Libanon. Auf der anderen Seite des Meeres wird Griechenland weiter durch ein unstillbares anti-regierungsfieber erschüttert. In Libyen schließlich, ist der im Gang befindliche Bürgerkrieg gleichzeitig eine politische Revolution gegen eine korrupte und blutrünstige Diktatur.

Von hier aus begann, was wider besseres Wissen die “Jasminrevolution” genannt wurde, die in Wahrheit eine Absetzungsbewegung ist, die darum kämpft, zu einer politischen Revolution gegen die Versuchungen einer unmöglichen Rückkehr zur Normalität zu werden. Seit dem 25. Februar haben sich die Straßen erneut gefüllt und den Rücktritt des Ministers Ben Alis Ghannouchi, einem altgedienten Mann des Regimes, Banner der Reaktion und der Ordnungspartei gefordert. Seit Sonntag, dem 20. Januar ist die Kasbah der Medina, das historische und politische Zentrum von Tunis erneut besetzt. Das Gleiche findet in den anderen Städten Tunesiens statt, wo die Medinen – zentrale Orte der Städte – insgesamt durch Tausende Menschen belebt werden, die behaupten, dass sie “gewillt seinen, bis zum Tod zu bleiben, wenn nicht alle Mitglieder des alten Regimes zurücktreten und Tunesien frei sein wird”. “Keinen Schritt zurück” ist das, was diese neue Demonstrationsform des tunesischen Volkes kraftvoll behauptet. Der Tahir-Platz ist zur Methode geworden, ähnlich dem lateinamerikanischen “Planton”. Überall finden Proteste statt und die Konfliktmomente mit der verhassten Regimepolizei nehmen Tag für Tag zu.

Am 25. Januar hatte eine Demonstration mindestens 200000 Menschen auf die Straße gebracht – für ein kleines Land wie Tunesien, eine gigantische Zahl. Insgesamt ist im ganzen Land eine Million Menschen af die Straße gegangen. Auf der Straße rufen viele “Degage!” (“Geh!”, d.Ü.) und sie begleiten den Ruf mit einer aussagekräftigen Bewegung des Armes- Eine neue Deklination des “Que se vayan todos” das wir während der ersten tiefen Krise des neoliberalen Modells kennen gelernt haben. Wenn es alle zusammen rufen, wirkt es so, als würde eine Welle über den Platz rollen, die erhobenen Arme bewegen sich hin und her und versprühen Wut und Freude. Der Gedankengang ist einfach, er impliziert aber gleichzeitig die Bewusstwerdung der Schwierigkeit und der Radikalität eines revolutionären Wandels: die Macht muss an die Basis zurück, an das Volk. In einem Land, in dem 40% der Bevölkerung von einem Dollar am Tag lebt ist es kein Zufall, dass es die Jüngeren sind, die am lautesten schreien. Sie haben nicht viel zu verlieren, aber viel zu gewinnen.

Zuerst hat das Volk den Platz der Kasbah durch kleine Menschenströme gefüllt, die ihn zu Fuß aus den Gassen und den Alleen der Ringstraße ansteuerten, dann sind Tausende wieder zurück, sie sind aus der von den Rebellen in eine Festung umgewandelten Altstadt raus und daraufhin zum Palast des Innenministeriums gezogen, einem großen, grauen Gebäude, Sitz der Folterer Ben Alis. Mindestens 5000 Leute haben die Gitterabsperrungen und den Stacheldraht der Armee entfernt, und den Palast friedlich blockiert. Es gab junge Männer und Frauen, die auf dem Boden saßen und sangen. Andere standen auf Fenstersimsen, weitere noch waren auf Militärfahrzeuge geklettert. Alle forderten mit Nachdruck den sofortigen Rücktritt Ghannouchis. Plötzlich würden die ersten Maschinengewehrsalven in die Luft geschossen, als Antwort gab es Steine, Wut, und dann ein Hagel aus Steinen und Tränengaspatronen, auf den erste Schüsse in die Menge um weh zu tun folgten. Am Abend gab es schon Verletzte auf der Straße und brennende Barrikaden um die zentral gelegene Avenue Bourghiba.

Erst am späten Abend erreicht uns eine genauere Verletztenbilanz: drei durch Feuerwaffe, 30, die durch Antirioteinheiten verletzt wurden und ein Toter, einem 17-jährigen Jugendlichen Namens Mohammed Hanchi, den ein Gewehrschuss am Hals traf. Der Lärm der Schüsse ist so laut, wie das Schweigen der offiziellen tunesischen Medien Ohrenbetäubend ist. Die italienischen tappen ihrerseits auf eine Art im Dunklen, die den Beigeschmack bösen Willens hat.

Am Abend trifft eine Erklärung des Interimspräsidenten Ghannouchi ein, der im Juli vorgesehene Wahlen verkündet, aber nicht den zentralen Knoten der Proteste löst, nämlich das Bedürfnis, die mit der Diktatur verbundenen führenden Klasse auf Null zu setzen.

Samstag, der 26. ist ein Tag des Zorns, die Nachricht vom durch einen Schuss in den Hals getöteten Jugendlichen durchdringt die Kasbah, die andere Nachricht ist, dass sich die Leiche in der Hand der Militärs befindet, so dass das Warten der Angehörigen zum Warten Aller wird. Unverzüglich fordern hunderte Jugendliche aus den schmalen Gassen des Suk heraus das Recht ein, ihre Wut und ihre Empörung kund zu tun. Die Kids verlassen die Medina und es geht sofort mit Tränengaswürfen los, sobald sie sich auf der Alle der Kolonialstadt blicken lassen. Der Riot weitet sich auf die gesamte Umgebung aus, das Gas dringt bis in die Altstadt, ein Steineregen fällt auf die Polizei herab, der es nicht gelingt, die Demonstranten zurück zu drängen.

Am frühen Nachmittag geleitet eine Demonstration mit mehr als 5000 Leuten die Leiche Mohammeds zum Friedhof. Am Fuße der Kasbah wächst die Zahl der Polizisten weiter. Ein Polizeirevier wird in Brand gesteckt, es scheint so, als sei die gesamte Plebs der Casbah auf der Straße.

Von da an beginnt die Guerilla…

An Maschinenpistolensalven, Cs-Gas, Schockgranaten gegen Kids, die mit Steinen bewaffnet sind, wird nicht gespart. Zwischen der Rue Palestine und der Rue de Paris werden Barrikaden aus jedem verfügbaren Material organisiert, die Gewalt der Polizei aber ist nicht darauf ausgerichtet, ein Ende zu haben, alles, was am Fuße der Kasbah geschieht wird von den Demonstranten selbst dokumentiert und bei einem verzweifelten Lauf durch die Gassen der Medina sofort zum Kommunikationszentrum gebracht, das im besetzten Teil der Stadt liegt. Die Interaktion zwischen Realem und Virtuellem in jenem Zelt ist transparent. Die Stimmen der Straße landen durch Fatima, einer jungen, Kopftuch tragenden Arbeiterin mit unerschütterlicher Energie im Netz. Sie nehmen ihren Weg zum Rest der Welt aus dem Munde Omars auf, ein dunkles Mondgesicht und Doktorarbeit über Edward Said. Auf dieser Ebene manifestiert sich die kollektive Intelligenz als ein Lebensnerv dieser Im Gang befindlichen Revolution. ( http://www.facebook.com/setting.kassaba)

Stundenlang werden Ketten und Barrikaden organisiert, um den zentralen Platz zu verteidigen, auf dem die Zelte und die Bühne des Protests stehen.

Die ersten bestätigten Informationen sprechen von einer Bilanz von drei Toten, während nicht bestätigte Gerüchte von 15 Toten sprechen. Die Tatsachen fasst die Aussage eines Mannes unter den Platzbelagerern, der lakonisch erklärt: “Ben Ali ist abgehauen, seine Köter sind noch da”. http://www.youtube.com/watch?v=B6UoCXNkD6E&feature=player_embedded http://www.facebook.com/setting.kassaba

Samstag Nacht legt sich nach der Gewalt des Tages eine Ruhe, wie bei einer Sperrstunde, Militärfahrzeuge besetzen die Straßen. In der Zwischenzeit erreichen uns Nachrichten aus den Provinzen, die ein kompliziertes Mosaikwerk von Revolten erzeugen, die in Sfax, Sousse, Kasserine, Gafsa usw. im Gange sind.

Eine Revolution ohne Anführer und ohne Waffen machen ist keine leichte Sache, das muss erfunden werden, die Tunesier und Tunesierinnen sind aber stolz darauf, dem Drama dieser Tage zum Trotz. Das Fehlen einer Mitte offenbart sich in einem vermeintlichen Chaos, das sich tatsächlich aber gerade durch die Vielfalt der Lebensformen ein weiteres Mal als kollektive Kraft und Intelligenz erweist.

Von der Platzbesetzung und dem Basispunkt der Gewerkschaft UGTT aus startet ein Aufruf an die Generaldirektion des Transportwesens, die kostenlose Nutzung der öffentlichen Verkehrsmittel zu gestatten, damit möglichst viele eine Chance bekommen, Tunis zu erreichen.

Seit heute haben die tunesischen Medien den Generalstreik ausgerufen, niemand hatte es gemerkt, dass sie statt dessen für Tunesien arbeiteten… Wer weiß, ob sie nicht die Freiheit erringen, von dem, was ihr Volk gerade tut zu berichten.

Aus Tunis, 27. Februar 2011

Quelle: http://de.indymedia.org/2011/02/301445.shtml

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Lagota Buchempfehlung

Street-Art – Eine Subkultur zwischen Kunst und Kommerz
Autorin: Julia Reinecke
ISBN 978-3-89942-759-2

Dieses Buch ist die erste wissenschaftliche Analyse von Street-Art. Es gewährt einen tiefen Einblick in die Subkultur und fragt, inwiefern Street-Art zwischen Graffiti, Bildender Kunst und Werbung zu verorten ist.

Die Ergebnisse der Studie basieren auf einer vier Jahre langen qualitativen Recherche, während der die Autorin mit internationalen, namhaften Akteuren wie Blek Le Rat, D*Face, Invader, Jeroen Jongeleen und Stefan Marx sprach. Die Arbeit anderer Akteure – wie Banksy und Shepard Fairey (OBEY) – wird vorgestellt. Den theoretischen Unterbau liefern die Feldtheorie von Pierre Bourdieu und Subkulturtheorien von Sarah Thornton und David Muggleton.

Die Kulturwissenschaftlerin Julia Reinecke (M.A.) arbeitet als freie Journalistin in Berlin. Sie schreibt für ZEIT-Online und produziert Radiobeiträge für MotorFM, SWR2 und Deutsche Welle.

Link zum Buch/Verlag

Weitere interessante Beiträge zum Thema “Streetart” unter den folgenden Links:

DIE NEUE STADTGUERILLA

DER TAG, AN DEM STREET ART STARB

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Solidaritätskarawane besucht Agua Azul

Originaltext bei amerika21.de (von Johannes Schwäbl, Agua Azul)
Fotoquelle amerika21.de

Menschenrechtsaktivisten beklagen Repression und Militarisierung der Region. Respektierung der Rechte der Frauen gefordert.

Eine Karawane verschiedener Menschenrechtsorganisationen und von Anhängern der zapatistischen “Anderen Kampagne” besuchte am vergangenen Samstag die Region Agua Azul im Süden Mexikos. Ziel der Karawane war die Situation der Frauen und ihrer Familien im Gemeindeland (Ejido) San Sebastián Bachajón zu dokumentieren und ein Zeichen der Solidarität zu setzen. Hintergrund sind die Auseinandersetzungen um ein Kassenhäuschen zwischen Angehörigen der Anderen Kampagne und Anhängern der ehemaligen Regierungspartei PRI Anfang Februar. Seitdem befinden sich zehn Mitglieder der Anderen Kampagne im Gefängnis. Zudem herrscht eine starke Polizei- und Militärpräsenz in der Region. Zu der Karawane hatte Zentrum für die Rechte der Frau (CDMCh) aufgerufen.

Am 2. Februar eskalierte ein Konflikt, als mehrere der PRI nahestehende Personen das Kassenhäuschen in Agua Azul übernehmen wollten. Es war seit längerer Zeit von Angehörigen der Anderen Kampagne betrieben worden. Bei den Auseinandersetzungen starb ein 26jähriger Anhänger der PRI. Daraufhin rückten Polizeieinheiten in die Region ein und nahmen am 3. Februar 117 Angehörige der anderen Kampagne fest. 107 von ihnen wurden wieder freigelassen. Das Kassenhäuschen befindet sich seitdem unter staatlicher Kontrolle.

Dem Menschenrechtszentrum Fray Bartolomé de las Casas (FrayBa) liegen mehrere Aussagen über Verletzungen der Rechte der Gefangenen vor. So berichten einige der Gefangenen von Drohungen. Auch seien sie zur Unterschrift von Dokumenten gezwungen worden, deren Inhalt sie nicht kannten. Unter den zehn weiterhin in Haft sitzenden, denen unter anderem Totschlag vorgeworfen wird, befindet sich ein Minderjähriger und einige Personen die am Tag des Geschehens gar nicht vor Ort waren.

Die Karawane traf sich mit den Bewohnerinnen der umliegenden Gemeinden, die über die aktuelle Situation vor Ort sprachen. In mehreren Redebeiträgen wurde die Freilassung der zehn Gefangenen und die Respektierung der Rechte der Frauen gefordert. Die Rednerinnen betonten ihre sozialen und politischen Rechte wie die Autonomie und die persönliche Selbstbestimmung. Die Schuld an der Eskalation des Konfliktes geben die Bewohnerinnen der mexikanischen und der chiapanekischen Regierung. Diese wollen schon seit längerem ein großes Ökotourismusprojekt in Agua Azul verwirklichen. Die staatliche Übernahme des Kassenhäuschens wird als erster Schritt zur Privatisierung von Agua Azul gesehen.

Zudem beklagten sich die Bewohnerinnen über die hohe Anzahl an Polizei und Militäreinheiten in der Region. “Laut Regierung dient die starke Militär- und Polizeipräsenz dazu, den Frieden zu sichern. In Wirklichkeit ist diese aber hier um die Leute zu terrorisieren. Wir Frauen leben in ständiger Angst vor Drohungen und sexuellen Übergriffen durch die Soldaten”, erklärte eine Anwesende. Wie zur Bestätigung passierte während des Treffens ein Militärkonvoi aus etwa 25 Fahrzeugen die Straße in der unmittelbaren Nähe der Versammlung.

Im Anschluss an das Treffen war geplant, zum Kassenhäuschen zu fahren, wo PRI-Anhänger unter Polizeischutz weitere Gebäude für ein geplantes Tourismuszentrum errichten. Aufgrund der Aggressivität einiger der Bauarbeiter gegenüber der Karawane und um Eskalation zu vermeiden, wurde jedoch beschlossen nicht aus den Fahrzeugen zu steigen und die Aktion zu beenden.

Siehe auch weitere Artikel bei Lagota.ch:

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Wieder im Generalstreik

Der griechische Widerstand geht ungebrochen und vehement weiter. Der erste Generalstreik in diesem Jahr – es war der achte seit Beginn der rigorosen »Sparpolitik« Athens im vergangenen Jahr – legte am Mittwoch die Wirtschaft des Landes weitgehend lahm. Gleichzeitig wurden die Ausstände, die in einigen Branchen wie dem öffentlichen Verkehrswesen seit Wochen anhalten, fortgesetzt. Zudem beteiligten sich allein in der Hauptstadt Zehntausende Menschen an großen Demonstrationszügen und Kundgebungen.

Im öffentlichen Dienst waren Behörden und Universitäten ebenso geschlossen wie die Schulen, deren Lehrpersonal bereits am Dienstag die Arbeit niedergelegt hatte. Aber auch die Beteiligung in der Privatwirtschaft war durchgängig hoch, in einigen Produktionszweigen erreichte sie hundert Prozent. Alle Betriebe der Werftenzone westlich von Athen wurden gleichermaßen bestreikt wie landesweit die Großbaustellen. Die Züge blieben in den Bahnhöfen, alle Schiffe in den Häfen, und auch der Luftverkehr ruhte weitgehend wegen der – auf vier Stunden beschränkten – Teilnahme der Fluglotsen. Busse standen still, während die Beschäftigten der Metro in der Hauptstadt nur stundenweise arbeiteten, um den Streikenden die Teilnahme an den Demonstrationen zu erleichtern. Auch die Journalisten schlossen sich an: Sämtliche Nachrichtensendungen in Rundfunk und Fernsehen fielen aus, am heutigen Donnerstag erscheint keine Zeitung.

Aufgerufen zum Generalstreik hatten die beiden Gewerkschaftsdachverbände im öffentlichen Dienst (­ADEDY) und in der privaten Wirtschaft (GSEE). Sie protestierten insbesondere gegen die von der eigenen sozialdemokratischen PASOK-Regierung im Zusammenspiel mit Brüssel, Internationalem Währungsfonds und Europäischer Zentralbank zum Abbau des Haushaltsdefizits verordneten Einschnitte bei Löhnen und sozialen Rechten. Das Kabinett solle endlich »Maßnahmen ergreifen«, so der Vorsitzende der Gewerkschaft GENOP beim griechischen Stromkonzern DIE – »aber Maßnahmen zur Bekämpfung der Steuerflucht der Reichen, und nicht solche, durch die die Arbeitenden geschröpft werden«, erläuterte Nikos Fotopoulos vor Tausenden Teilnehmern auf der Kundgebung der Gewerkschaftsdachverbände in Athen.

Getrennt davon lief zeitgleich die – wesentlich stärker besuchte – Versammlung der kommunistisch orientierten Gewerkschaftsfront ­PAME. Diese hatte ihren ursprünglich für den 10. Februar geplanten landesweiten Streik verschoben, nachdem sich der GSEE, trotz Aufforderung zur Beteiligung durch seinen Partnerdachverband ADEDY, geweigert hatte, zum selben Termin zum Ausstand aufzurufen. Auch ein PAME-Vorschlag, die Streiktätigkeit stetig zu steigern, war von der GSEE abgeblockt worden.

»Wir wissen, daß einige provisorische und isolierte Aktionen nicht ausreichen«, erklärte am Mittwoch Giorgos Skiadiotis vor mehreren zehntausend PAME-Gewerkschaftern in der Hauptstadt. Vielmehr hänge der Erfolg des bevorstehenden harten und langen Kampfes ab »von der Fähigkeit unserer Bewegung, zum richtigen Zeitpunkt Tausende Erwerbstätige mit den richtigen Forderungen zu mobilisieren«.

Während die anschließende Demonstration der PAME zum griechischen Parlament friedlich verlief, kam es auf dem Protestzug von GSEE, ADEDY sowie Organisationen der außerparlamentarischen Linken und des anarchistischen Spektrums zu Auseinandersetzungen mit der Polizei.

Quelle: http://www.jungewelt.de/2011/02-24/064.php

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Bulgarische Eisenbahner planen Streik

Von Anna Rombach und Markus Salzmann
Quelle: World Socialist Web Site

Die Beschäftigen der staatlichen bulgarischen Eisenbahn BDZ planen für den 11. März einen Streik. Darüber diskutierten die Führer der beiden großen Gewerkschaftsverbände KNSB (Union Unabhängiger Gewerkschaften in Bulgarien) und Podkrepa („Unterstützung“) am vergangenen Montag in einer Dringlichkeitssitzung.

Der geplante Protest richtet sich gegen die drastischen Sparmaßnahmen der bulgarischen Regierung, die diese auf Druck der Weltbank ausführt. Sie verlangt unter anderem, dass die Bahngesellschaft binnen kürzester Zeit die Lohnkosten um insgesamt dreißig Prozent kürzt, damit sie bis 2013 die Gewinnzone erreiche. Simeon Djankow, bulgarischer Finanzminister, der sich seinen Posten als ehemaliger Weltbankmanager verdient hat, erläuterte, man werde dabei schrittweise nach dem Prinzip „Geld gegen Reformen“ vorgehen.

Nach Angabe von Markus Repnik, dem Bulgarienbeauftragten der Weltbank, sollen bis 2014 bei der Staatsbahn BDZ 2.800 und bei der für die Bahn-Infrastruktur zuständigen Gesellschaft NKZI knapp 4.000 Beschäftigte ihre Arbeitsplätze verlieren.

Dieses rabiate Vorgehen ist Bedingung dafür, dass Gelder der EU für Investitionen in den bulgarischen Bahnsektor fließen, der am europäischen Markt in Zukunft für zahlungskräftige Konzerne und Finanzgruppen durchaus attraktiv sein kann.

Wie ein Vertreter der Weltbank berichtete, laufen 25 Prozent des bulgarischen Güterverkehrs über die Schiene, verglichen mit fünfzehn Prozent im europäischen Durchschnitt. Untragbar für private Investoren ist jedoch, dass auf einen Kilometer Schienennetz zwei Beschäftigte kommen, während es im europäischen Durchschnitt nur einer ist.

Bloomberg Business Week berichtete am 13. Januar unter Berufung auf Beamte des Verkehrsministeriums, die Güterverkehrsbranche der BDZ werde nach der Umstrukturierung bis Ende 2011 teilweise oder ganz privatisiert. Laut BDZ-Vorstand Wladimir Wladimirow sind deutsche und österreichische „market players“ am Kauf interessiert.

Vor einer Privatisierung müssen jedoch die Schulden abgetragen werden. Nach Angaben von Transportminister Swetkow verschlingen die Zinszahlungen an die Gläubigerbanken bis zu achtzig Prozent des Bahnhaushalts.

Bei der Umsetzung der Pläne konnte sich die Regierung bislang auf die Unterstützung der Gewerkschaften verlassen. Erst als nach einem wilden Streik Mitte Januar die Gefahr bestand, dass sich der Protest außerhalb der Kontrolle des Gewerkschaftsapparates entwickelt, beschlossen die großen Gewerkschaften, die Forderungen der Beschäftigten halbherzig zu unterstützen, um die Proteste unter Kontrolle zu bringen.

In der Nachtschicht zum 11. Januar 2011 waren etwa sechzig Bahnarbeiter in Sofias Zentralbahnhof in einen spontanen Streik getreten. Sie forderten die sofortige Auszahlung ihrer seit November ausstehenden Löhne. Der Streik wurde durch eine Ankündigung der bulgarischen Regierung angeheizt. Premier Bojko Borrisow hatte wissen lassen, man werde zwischen 7.000 und 28.000 Bahnbedienstete entlassen, um weitere Kredite der Weltbank zu erhalten.

Die Streikenden kündigten an, bis zum Erhalt ihres Lohnes weiter zu streiken. Der Streik, in dessen Verlauf ein internationaler Zug blockiert wurde, war nicht von den Gewerkschaften organisiert worden. Die Streikenden verlangten direkte Verhandlungen mit Vertretern der BDZ und des Finanzministeriums. Nach Gewerkschaftsangaben schuldet die BDZ ihren Beschäftigten insgesamt über 10,5 Millionen Lewa (5,25 Millionen Euro).

Die Gewerkschaften, die bislang Hand in Hand mit der Regierung und der Betriebsleitung der BDZ gearbeitet hatten, gerieten durch die Initiative der Beschäftigten unter starken Druck. Petar Bunew, der Vorsitzende der KNSB-Eisenbahnergewerkschaft, forderte eine Dringlichkeitssitzung der Gewerkschaftsbürokratie mit Betriebsleitung und Finanzministerium. Ergebnis war das Versprechen, die Löhne am folgenden Montag, spätestens Mittwoch auszuzahlen.

Seit Ende der 1990er Jahre haben sich in Bulgarien Altstalinisten und rechte bürgerliche Parteien an der Regierung abgewechselt. In Vorbereitung auf den EU-Beitritt des Landes setzten sie alle immer neue Entlassungswellen unter den Bahnbeschäftigten durch, deren Monatslöhne zwischen 200 und 300 Lewa (100-150 Euro) liegen.

Schon im November 2002 hatten fast 4.000 Arbeiter die Arbeit niedergelegt und achtzig Züge gestoppt, um vom Staat ausstehende Löhne in Höhe von 9,2 Millionen Dollar einzufordern. Im Dezember 2008 streikten die Bahnarbeiter für die Auszahlung der seit Oktober ausstehenden Löhne, während der Transportminister von der Sozialistischen Partei die Entlassung von 1.000 Bahnarbeitern verfügte.

Bei allen bisherigen Angriffen sahen die Bahngewerkschaften von KNSB und Podkrepa ihre Aufgabe darin, den Konflikt zu entschärfen und die Arbeiter von einem entschiedenen Kampf abzuhalten. Das ging so weit, dass sich die KNSB im Mai 2007 nach der Ankündigung von 950 Entlassungen durch Bahnchef Oleg Petkow beim Transportminister beschwerte, Petkow verletze den Kodex für soziale Kooperation und schaffe Spannungen unter den Arbeitern.

Ende 2009, als die heutige GERB-Minderheitsregierung schon an der Macht war, wurde eine Entlassungswelle von 4.000 Arbeitern angekündigt. Um die gesteigerte Unruhe und Spannung zu entschärfen, entschlossen sich die Gewerkschaften in Abstimmung mit Bahnmanagement, Regierung und Gläubigerbanken zu einem groß angelegten Manöver.

Bei einer Protestaktion am Eisenbahnknotenpunkt Gorna Orjahowitsa an einem Sonntag Ende September 2009 durften dann dreihundert Arbeiter ihre Forderungen und Empörung über Hungerlöhne und Elend, Lohnausstände und Entlassungsdrohungen zum Ausdruck bringen und medienwirksam Dampf ablassen.

Mit großem Tamtam beschlossen Mitte Oktober 2009 alle bei der BDZ vertretenen Gewerkschaften, ein gemeinsames Streikkomitee zur Vorbereitung von Protestaktionen zu gründen, verbanden dies jedoch mit der Garantie, dass ein möglicher Streik den Arbeitsablauf keinesfalls stören werde; somit werde das „Gesetz zur Beilegung kollektiver Arbeitskämpfe“ respektiert.

Am 27. Oktober 2009 trafen Gewerkschaften und Unternehmen eine Vereinbarung über Entlassungsstopps, Zahlung aller Lohnrückstände für 2009 und über Zulagen für eine freiwillige zusätzliche Rentenversicherung. Doch sie war für die Arbeiter das Papier, auf dem sie stand, nicht wert. Schon am 15. Dezember 2010 unterzeichneten Vertreter von Regierung und Weltbank ein Memorandum über die entscheidenden Angriffe, die die Privatisierung einleiten.

Mit der Bewilligung von EU-Krediten kommt die Regierung den Privatisierungs-Zielen näher, die sie schon seit den 1990er Jahren anstrebt. Die BDZ, Betreiberin des Personen- und Güterverkehrs, bekommt einen Kredit in Höhe von 460 Millionen Lewa (230 Millionen Euro), die Staatliche Gesellschaft für Bahn-Infrastruktur NKZI erhält 140 Millionen Lewa. Diese Gelder sollen zum Abtragen der Schulden der finanziell und technisch völlig heruntergekommenen Gesellschaften eingesetzt werden.

Bis 2015, so plant die EU-Bürokratie, soll der Schienenkorridor IV, der Zentraleuropa mit der Türkei im Personen- und Güterverkehr verbindet, fertig gestellt sein. In Folge der Wirtschaftskrise sind billige Transportwege für die europäischen Mächte eine zentrale Frage. IWF, Weltbank, die Brüsseler EU-Bürokratie und nicht zuletzt ihre unterwürfigen Befehlsempfänger in der bulgarischen Regierung stehen dafür, dass diese Transportwege für private Investoren auch profitabel sind. Die Regierung Borissow von der rechten Bürgerpartei GERB konnte im Januar dieses Jahres ein Misstrauensvotum im Parlament nur mit Hilfe der neofaschistischen Partei Ataka überleben.

Der Internetnachrichtendienst novinite.com berichtet, die Bahngewerkschaften Podkrepa und KNSB hätten am 14. und 15. Dezember mit dem Transportministerium, dem Finanzministerium, der Weltbank und dem Internationalen Währungsfonds (IWF) „lange und harte Gespräche“ geführt. Was nur bedeuten kann, dass die beiden Gewerkschaften von Anfang an bei der Erstellung des Memorandums vom 15. Dezember eingebunden waren. Die Äußerungen des KNSB-Vorsitzenden Petar Bunew, man werde in einen unbefristetem Streik treten, „falls es keine Korrektur des Memorandums“ gibt, ist reine Augenwischerei und soll die Bahnarbeiter von weiteren spontanen Streiks abhalten.

Am 26. Januar beklagte sich der KNSB-Vorsitzende Bunew laut novinite.com öffentlich, an einer weiteren gemeinsamen Diskussion zur Umsetzung der „Reformpläne“ habe kein Vertreter des Finanzministeriums teilgenommen. Bei dieser Gelegenheit versprach er nochmals, dass die Gewerkschaften bis zum 15. Februar stillhalten würden, danach aber, falls es zu „ungerechtfertigten Entlassungen“ komme, „keine Aktion ausschlössen“. Unüberhörbar auch sein warnender Rat an die Regierungsseite: Verzichtet nicht auf die Zusammenarbeit mit der Arbeiterbürokratie, sonst könnte es zu unkontrollierbaren Streiks und Protesten kommen!

Die massiven Angriffe auf die Löhne und Lebensbedingungen in Bulgarien sind symptomatisch für die Situation in der gesamten Balkanregion.

In Serbien haben Ende Januar vier Lehrergewerkschaften nach gescheiterten Verhandlungen mit der Regierung zu einem unbefristeten Streik aufgerufen. Der Unterrichtsminister drohte, den Streikenden die Gehälter zu sperren. Es gebe einfach kein Geld in der Staatskasse, sagte Finanzministerin Diana Dragutinovic.

Zahlreiche Kommentare warnen bereits vor einer „Akkumulation der Unzufriedenheit“, die eskalieren könnte. Seit Jahren steigen Preise und Arbeitslosigkeit, während der Lebensstandard sinkt. Die Inflation liegt bei über zehn Prozent, der einheimische Dinar ist abgewertet, die Gehälter im öffentlichen Dienst sind eingefroren, ein Durchschnittseinkommen beträgt rund 280 Euro. „Hier sind eher soziale Unruhen wie in Albanien oder Tunesien zu erwarten, als ein glückliches Ende in der Umarmung der EU“, zitierte die taz eine pensionierte Lehrerin.

In Serbien sind Anfang des Monats tausende Polizisten in den Streik getreten. Insgesamt 13.000 Polizisten legten die Arbeit nieder, berichtete die Gewerkschaft in Belgrad. Sie verlangen vierzig Prozent höhere Gehälter und eine bessere Ausrüstung. Schon früher hatte die Gewerkschaft geklagt, die Polizisten hätten weder warme Kleidung noch Schuhe, um im Winter auf den Straßen ihren Dienst zu tun. Bereits seit fünf Tagen streiken die Lehrer. Sie wollen mit ihrem Ausstand 24 Prozent höhere Löhne erzwingen. Die Regierung lehnt dies mit Hinweis auf die leeren Staatskassen ab.

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