Wieder im Generalstreik

Der griechische Widerstand geht ungebrochen und vehement weiter. Der erste Generalstreik in diesem Jahr – es war der achte seit Beginn der rigorosen »Sparpolitik« Athens im vergangenen Jahr – legte am Mittwoch die Wirtschaft des Landes weitgehend lahm. Gleichzeitig wurden die Ausstände, die in einigen Branchen wie dem öffentlichen Verkehrswesen seit Wochen anhalten, fortgesetzt. Zudem beteiligten sich allein in der Hauptstadt Zehntausende Menschen an großen Demonstrationszügen und Kundgebungen.

Im öffentlichen Dienst waren Behörden und Universitäten ebenso geschlossen wie die Schulen, deren Lehrpersonal bereits am Dienstag die Arbeit niedergelegt hatte. Aber auch die Beteiligung in der Privatwirtschaft war durchgängig hoch, in einigen Produktionszweigen erreichte sie hundert Prozent. Alle Betriebe der Werftenzone westlich von Athen wurden gleichermaßen bestreikt wie landesweit die Großbaustellen. Die Züge blieben in den Bahnhöfen, alle Schiffe in den Häfen, und auch der Luftverkehr ruhte weitgehend wegen der – auf vier Stunden beschränkten – Teilnahme der Fluglotsen. Busse standen still, während die Beschäftigten der Metro in der Hauptstadt nur stundenweise arbeiteten, um den Streikenden die Teilnahme an den Demonstrationen zu erleichtern. Auch die Journalisten schlossen sich an: Sämtliche Nachrichtensendungen in Rundfunk und Fernsehen fielen aus, am heutigen Donnerstag erscheint keine Zeitung.

Aufgerufen zum Generalstreik hatten die beiden Gewerkschaftsdachverbände im öffentlichen Dienst (­ADEDY) und in der privaten Wirtschaft (GSEE). Sie protestierten insbesondere gegen die von der eigenen sozialdemokratischen PASOK-Regierung im Zusammenspiel mit Brüssel, Internationalem Währungsfonds und Europäischer Zentralbank zum Abbau des Haushaltsdefizits verordneten Einschnitte bei Löhnen und sozialen Rechten. Das Kabinett solle endlich »Maßnahmen ergreifen«, so der Vorsitzende der Gewerkschaft GENOP beim griechischen Stromkonzern DIE – »aber Maßnahmen zur Bekämpfung der Steuerflucht der Reichen, und nicht solche, durch die die Arbeitenden geschröpft werden«, erläuterte Nikos Fotopoulos vor Tausenden Teilnehmern auf der Kundgebung der Gewerkschaftsdachverbände in Athen.

Getrennt davon lief zeitgleich die – wesentlich stärker besuchte – Versammlung der kommunistisch orientierten Gewerkschaftsfront ­PAME. Diese hatte ihren ursprünglich für den 10. Februar geplanten landesweiten Streik verschoben, nachdem sich der GSEE, trotz Aufforderung zur Beteiligung durch seinen Partnerdachverband ADEDY, geweigert hatte, zum selben Termin zum Ausstand aufzurufen. Auch ein PAME-Vorschlag, die Streiktätigkeit stetig zu steigern, war von der GSEE abgeblockt worden.

»Wir wissen, daß einige provisorische und isolierte Aktionen nicht ausreichen«, erklärte am Mittwoch Giorgos Skiadiotis vor mehreren zehntausend PAME-Gewerkschaftern in der Hauptstadt. Vielmehr hänge der Erfolg des bevorstehenden harten und langen Kampfes ab »von der Fähigkeit unserer Bewegung, zum richtigen Zeitpunkt Tausende Erwerbstätige mit den richtigen Forderungen zu mobilisieren«.

Während die anschließende Demonstration der PAME zum griechischen Parlament friedlich verlief, kam es auf dem Protestzug von GSEE, ADEDY sowie Organisationen der außerparlamentarischen Linken und des anarchistischen Spektrums zu Auseinandersetzungen mit der Polizei.

Quelle: http://www.jungewelt.de/2011/02-24/064.php

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Bulgarische Eisenbahner planen Streik

Von Anna Rombach und Markus Salzmann
Quelle: World Socialist Web Site

Die Beschäftigen der staatlichen bulgarischen Eisenbahn BDZ planen für den 11. März einen Streik. Darüber diskutierten die Führer der beiden großen Gewerkschaftsverbände KNSB (Union Unabhängiger Gewerkschaften in Bulgarien) und Podkrepa („Unterstützung“) am vergangenen Montag in einer Dringlichkeitssitzung.

Der geplante Protest richtet sich gegen die drastischen Sparmaßnahmen der bulgarischen Regierung, die diese auf Druck der Weltbank ausführt. Sie verlangt unter anderem, dass die Bahngesellschaft binnen kürzester Zeit die Lohnkosten um insgesamt dreißig Prozent kürzt, damit sie bis 2013 die Gewinnzone erreiche. Simeon Djankow, bulgarischer Finanzminister, der sich seinen Posten als ehemaliger Weltbankmanager verdient hat, erläuterte, man werde dabei schrittweise nach dem Prinzip „Geld gegen Reformen“ vorgehen.

Nach Angabe von Markus Repnik, dem Bulgarienbeauftragten der Weltbank, sollen bis 2014 bei der Staatsbahn BDZ 2.800 und bei der für die Bahn-Infrastruktur zuständigen Gesellschaft NKZI knapp 4.000 Beschäftigte ihre Arbeitsplätze verlieren.

Dieses rabiate Vorgehen ist Bedingung dafür, dass Gelder der EU für Investitionen in den bulgarischen Bahnsektor fließen, der am europäischen Markt in Zukunft für zahlungskräftige Konzerne und Finanzgruppen durchaus attraktiv sein kann.

Wie ein Vertreter der Weltbank berichtete, laufen 25 Prozent des bulgarischen Güterverkehrs über die Schiene, verglichen mit fünfzehn Prozent im europäischen Durchschnitt. Untragbar für private Investoren ist jedoch, dass auf einen Kilometer Schienennetz zwei Beschäftigte kommen, während es im europäischen Durchschnitt nur einer ist.

Bloomberg Business Week berichtete am 13. Januar unter Berufung auf Beamte des Verkehrsministeriums, die Güterverkehrsbranche der BDZ werde nach der Umstrukturierung bis Ende 2011 teilweise oder ganz privatisiert. Laut BDZ-Vorstand Wladimir Wladimirow sind deutsche und österreichische „market players“ am Kauf interessiert.

Vor einer Privatisierung müssen jedoch die Schulden abgetragen werden. Nach Angaben von Transportminister Swetkow verschlingen die Zinszahlungen an die Gläubigerbanken bis zu achtzig Prozent des Bahnhaushalts.

Bei der Umsetzung der Pläne konnte sich die Regierung bislang auf die Unterstützung der Gewerkschaften verlassen. Erst als nach einem wilden Streik Mitte Januar die Gefahr bestand, dass sich der Protest außerhalb der Kontrolle des Gewerkschaftsapparates entwickelt, beschlossen die großen Gewerkschaften, die Forderungen der Beschäftigten halbherzig zu unterstützen, um die Proteste unter Kontrolle zu bringen.

In der Nachtschicht zum 11. Januar 2011 waren etwa sechzig Bahnarbeiter in Sofias Zentralbahnhof in einen spontanen Streik getreten. Sie forderten die sofortige Auszahlung ihrer seit November ausstehenden Löhne. Der Streik wurde durch eine Ankündigung der bulgarischen Regierung angeheizt. Premier Bojko Borrisow hatte wissen lassen, man werde zwischen 7.000 und 28.000 Bahnbedienstete entlassen, um weitere Kredite der Weltbank zu erhalten.

Die Streikenden kündigten an, bis zum Erhalt ihres Lohnes weiter zu streiken. Der Streik, in dessen Verlauf ein internationaler Zug blockiert wurde, war nicht von den Gewerkschaften organisiert worden. Die Streikenden verlangten direkte Verhandlungen mit Vertretern der BDZ und des Finanzministeriums. Nach Gewerkschaftsangaben schuldet die BDZ ihren Beschäftigten insgesamt über 10,5 Millionen Lewa (5,25 Millionen Euro).

Die Gewerkschaften, die bislang Hand in Hand mit der Regierung und der Betriebsleitung der BDZ gearbeitet hatten, gerieten durch die Initiative der Beschäftigten unter starken Druck. Petar Bunew, der Vorsitzende der KNSB-Eisenbahnergewerkschaft, forderte eine Dringlichkeitssitzung der Gewerkschaftsbürokratie mit Betriebsleitung und Finanzministerium. Ergebnis war das Versprechen, die Löhne am folgenden Montag, spätestens Mittwoch auszuzahlen.

Seit Ende der 1990er Jahre haben sich in Bulgarien Altstalinisten und rechte bürgerliche Parteien an der Regierung abgewechselt. In Vorbereitung auf den EU-Beitritt des Landes setzten sie alle immer neue Entlassungswellen unter den Bahnbeschäftigten durch, deren Monatslöhne zwischen 200 und 300 Lewa (100-150 Euro) liegen.

Schon im November 2002 hatten fast 4.000 Arbeiter die Arbeit niedergelegt und achtzig Züge gestoppt, um vom Staat ausstehende Löhne in Höhe von 9,2 Millionen Dollar einzufordern. Im Dezember 2008 streikten die Bahnarbeiter für die Auszahlung der seit Oktober ausstehenden Löhne, während der Transportminister von der Sozialistischen Partei die Entlassung von 1.000 Bahnarbeitern verfügte.

Bei allen bisherigen Angriffen sahen die Bahngewerkschaften von KNSB und Podkrepa ihre Aufgabe darin, den Konflikt zu entschärfen und die Arbeiter von einem entschiedenen Kampf abzuhalten. Das ging so weit, dass sich die KNSB im Mai 2007 nach der Ankündigung von 950 Entlassungen durch Bahnchef Oleg Petkow beim Transportminister beschwerte, Petkow verletze den Kodex für soziale Kooperation und schaffe Spannungen unter den Arbeitern.

Ende 2009, als die heutige GERB-Minderheitsregierung schon an der Macht war, wurde eine Entlassungswelle von 4.000 Arbeitern angekündigt. Um die gesteigerte Unruhe und Spannung zu entschärfen, entschlossen sich die Gewerkschaften in Abstimmung mit Bahnmanagement, Regierung und Gläubigerbanken zu einem groß angelegten Manöver.

Bei einer Protestaktion am Eisenbahnknotenpunkt Gorna Orjahowitsa an einem Sonntag Ende September 2009 durften dann dreihundert Arbeiter ihre Forderungen und Empörung über Hungerlöhne und Elend, Lohnausstände und Entlassungsdrohungen zum Ausdruck bringen und medienwirksam Dampf ablassen.

Mit großem Tamtam beschlossen Mitte Oktober 2009 alle bei der BDZ vertretenen Gewerkschaften, ein gemeinsames Streikkomitee zur Vorbereitung von Protestaktionen zu gründen, verbanden dies jedoch mit der Garantie, dass ein möglicher Streik den Arbeitsablauf keinesfalls stören werde; somit werde das „Gesetz zur Beilegung kollektiver Arbeitskämpfe“ respektiert.

Am 27. Oktober 2009 trafen Gewerkschaften und Unternehmen eine Vereinbarung über Entlassungsstopps, Zahlung aller Lohnrückstände für 2009 und über Zulagen für eine freiwillige zusätzliche Rentenversicherung. Doch sie war für die Arbeiter das Papier, auf dem sie stand, nicht wert. Schon am 15. Dezember 2010 unterzeichneten Vertreter von Regierung und Weltbank ein Memorandum über die entscheidenden Angriffe, die die Privatisierung einleiten.

Mit der Bewilligung von EU-Krediten kommt die Regierung den Privatisierungs-Zielen näher, die sie schon seit den 1990er Jahren anstrebt. Die BDZ, Betreiberin des Personen- und Güterverkehrs, bekommt einen Kredit in Höhe von 460 Millionen Lewa (230 Millionen Euro), die Staatliche Gesellschaft für Bahn-Infrastruktur NKZI erhält 140 Millionen Lewa. Diese Gelder sollen zum Abtragen der Schulden der finanziell und technisch völlig heruntergekommenen Gesellschaften eingesetzt werden.

Bis 2015, so plant die EU-Bürokratie, soll der Schienenkorridor IV, der Zentraleuropa mit der Türkei im Personen- und Güterverkehr verbindet, fertig gestellt sein. In Folge der Wirtschaftskrise sind billige Transportwege für die europäischen Mächte eine zentrale Frage. IWF, Weltbank, die Brüsseler EU-Bürokratie und nicht zuletzt ihre unterwürfigen Befehlsempfänger in der bulgarischen Regierung stehen dafür, dass diese Transportwege für private Investoren auch profitabel sind. Die Regierung Borissow von der rechten Bürgerpartei GERB konnte im Januar dieses Jahres ein Misstrauensvotum im Parlament nur mit Hilfe der neofaschistischen Partei Ataka überleben.

Der Internetnachrichtendienst novinite.com berichtet, die Bahngewerkschaften Podkrepa und KNSB hätten am 14. und 15. Dezember mit dem Transportministerium, dem Finanzministerium, der Weltbank und dem Internationalen Währungsfonds (IWF) „lange und harte Gespräche“ geführt. Was nur bedeuten kann, dass die beiden Gewerkschaften von Anfang an bei der Erstellung des Memorandums vom 15. Dezember eingebunden waren. Die Äußerungen des KNSB-Vorsitzenden Petar Bunew, man werde in einen unbefristetem Streik treten, „falls es keine Korrektur des Memorandums“ gibt, ist reine Augenwischerei und soll die Bahnarbeiter von weiteren spontanen Streiks abhalten.

Am 26. Januar beklagte sich der KNSB-Vorsitzende Bunew laut novinite.com öffentlich, an einer weiteren gemeinsamen Diskussion zur Umsetzung der „Reformpläne“ habe kein Vertreter des Finanzministeriums teilgenommen. Bei dieser Gelegenheit versprach er nochmals, dass die Gewerkschaften bis zum 15. Februar stillhalten würden, danach aber, falls es zu „ungerechtfertigten Entlassungen“ komme, „keine Aktion ausschlössen“. Unüberhörbar auch sein warnender Rat an die Regierungsseite: Verzichtet nicht auf die Zusammenarbeit mit der Arbeiterbürokratie, sonst könnte es zu unkontrollierbaren Streiks und Protesten kommen!

Die massiven Angriffe auf die Löhne und Lebensbedingungen in Bulgarien sind symptomatisch für die Situation in der gesamten Balkanregion.

In Serbien haben Ende Januar vier Lehrergewerkschaften nach gescheiterten Verhandlungen mit der Regierung zu einem unbefristeten Streik aufgerufen. Der Unterrichtsminister drohte, den Streikenden die Gehälter zu sperren. Es gebe einfach kein Geld in der Staatskasse, sagte Finanzministerin Diana Dragutinovic.

Zahlreiche Kommentare warnen bereits vor einer „Akkumulation der Unzufriedenheit“, die eskalieren könnte. Seit Jahren steigen Preise und Arbeitslosigkeit, während der Lebensstandard sinkt. Die Inflation liegt bei über zehn Prozent, der einheimische Dinar ist abgewertet, die Gehälter im öffentlichen Dienst sind eingefroren, ein Durchschnittseinkommen beträgt rund 280 Euro. „Hier sind eher soziale Unruhen wie in Albanien oder Tunesien zu erwarten, als ein glückliches Ende in der Umarmung der EU“, zitierte die taz eine pensionierte Lehrerin.

In Serbien sind Anfang des Monats tausende Polizisten in den Streik getreten. Insgesamt 13.000 Polizisten legten die Arbeit nieder, berichtete die Gewerkschaft in Belgrad. Sie verlangen vierzig Prozent höhere Gehälter und eine bessere Ausrüstung. Schon früher hatte die Gewerkschaft geklagt, die Polizisten hätten weder warme Kleidung noch Schuhe, um im Winter auf den Straßen ihren Dienst zu tun. Bereits seit fünf Tagen streiken die Lehrer. Sie wollen mit ihrem Ausstand 24 Prozent höhere Löhne erzwingen. Die Regierung lehnt dies mit Hinweis auf die leeren Staatskassen ab.

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Libyens Diktator Gaddafi: Drei Säulen geschleift

Quelle: http://www.taz.de/1/politik/afrika/artikel/1/drei-saeulen-geschleift/

Das libysche Regime ist eines der repressivsten der Welt. Die Tatsache, dass der selbsternannte Revolutionsführer Muammar al-Gaddafi seit 42 Jahren an der Macht ist, hängt auch damit zusammen, dass er bei einem von ihm angeführten Putsch “Freier Offiziere” 1969 gleich drei tragende Pfeiler von Politik und Gesellschaft in ihrer Macht beschnitt: die Armee, die Stämme und das religiöse Establishment.

Hinsichtlich der Streitkräfte gibt es einen wesentlichen Unterschied zu Ägypten. In dem Land am Nil war das Militär seit 1952 der zentrale Machtfaktor. In Libyen hingegen sorgte Gaddafi in den ersten beiden Jahrzehnten seiner Herrschaft für eine Schwächung der Armee – eingedenk der Tatsache, dass die meisten Regime in der Region durch einen Militärputsch gestürzt wurden. Auch in Libyen gab es die meisten Umsturzversuche aus den Reihen des Militärs.

Gaddafis Ankündigung damals, die Streitkräfte perspektivisch durch eine “Volksarmee” zu ersetzen, sorgte für Unruhen in deren Rängen, ebenso die Tatsache, dass die Macht der Revolutionskomitees auf Kosten der Armee ausgebaut wurde und, ähnlich wie im Iran, eine parallele bewaffnete Struktur entstand. Gaddafi sorgte für eine schnelle Rotation unter den Kommandeuren oder zwang sie in den Ruhestand. Insofern sind Berichte aus Bengasi über Armeeeinheiten, die sich den Aufständischen anschließen, nicht überraschend.

Etwas differenzierter stellt sich die Lage bei den Stämmen dar, die von der Regentschaft König Idris (1951-1969) profitiert hatten und das Rückgrat der libyschen Gesellschaft bilden. Wie viele – sich als revolutionär und modern verstehende – Führer sagte auch Gaddafi, der Beduinensohn, dem Tribalismus den Kampf an, entzog den Stämmen ihre administrativen Rechte, wechselte die Führungsschicht aus und erkannte die Grenzen ihrer Gebiete nicht mehr an.

Doch Tribalismus und Stämme waren für Gaddafi auch in jenem ersten Jahrzehnt seiner Herrschaft zweierlei. Familie, Stamm und Nation stellen die Basis der Gesellschaft, zusammengeschweißt durch menschliche Wärme, Gruppenzusammenhalt, Einheit, Liebe. In späteren Schriften Gaddafis erscheint das traditionelle Leben auf dem Land in strahlendstem Licht. Selbst die strikte soziale Kontrolle und harte Arbeit sind ein durchaus positiv – und naiv – bewerteter Teil eines “ruhigen und glücklichen Lebens” in Freiheit.

So ist es wenig verwunderlich, dass Gaddafi Anfang der 90er Jahre das Ruder herumriss, um seine Basis zu stärken, und den Stämmen wieder mehr Rechte einräumte. Seither sind die wichtigsten Stämme auch in den Streitkräften repräsentiert. Dies stärkte angesichts der Rivalitäten der Stämme untereinander zugleich seine Kontrolle über das Militär. Heute stellt sich allerdings die Frage, welche Rolle die Stammeszugehörigkeit in den Städten spielt, wenn es darum geht, sich für oder gegen Gaddafi zu positionieren.

Das religiöse Establishment schließlich zeigte sich nach der Machtübernahme zunächst erfreut, dass der Revolutionsführer die Scharia einführte. Doch das währte nicht lange, denn Gaddafi forderte die Ulema, die islamischen Gelehrten, heraus, indem er ihre Rolle als Interpreten des Koran infrage stellte. Gaddafis Interpretation des Islam sieht nämlich nicht die Notwendigkeit einer Vermittlung zwischen Gott und den Menschen vor. Er änderte den muslimischen Kalender, was ebenso auf Kritik stieß wie die Tatsache, dass sich Gaddafis “Dritte Universaltheorie” nicht nur an die muslimischen Länder, sondern sich an die Dritte Welt insgesamt richtete.

Diese Woche erklärte ein Bündnis von 50 Geistlichen, es sei die Pflicht aller Muslime, gegen die libysche Führung aufzubegehren, und forderte die Freilassung der festgenommenen Demonstranten.

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Amerikas Linke geht zu Tausenden auf die Straße

Sie wehren sich gegen Sozialkürzungen und republikanische Politik: 2010 gehörte der rechten Tea Party, nun blasen linke Gewerkschaften zur Gegenrevolution.

Wer hätte das gedacht: Während Amerika wie gebannt auf die Revolutionen im Mittleren Osten starrt, findet daheim ebenfalls ein Volksaufstand statt. Seit zwei Tagen belagern Tausende von Demonstranten den Kapitolplatz und das Parlament von Madison, der Hauptstadt des US-Bundesstaats Wisconsin. Sie haben Schlafsäcke mitgebracht und kampieren auf dem Boden der Rotunde. Der Bürgerrechtler Jesse Jackson ist angereist und singt mit ihnen den Protest-Evergreen “We shall overcome!”. Die aufgebrachten Menschen recken die Fäuste und brüllen: “Wir sind das Volk!”

Nicht nur in Wisconsin, auch in Ohio und in Indiana gehen die Leute auf die Straße. In den kommenden Tagen rechnet man mit Demonstrationen an vielen Orten Amerikas. Die Menschen wehren sich gegen radikale Kürzungen in den Landeshaushalten. Sie wehren sich dagegen, dass der Rotstift in erster Linie die Armen und Kranken ins Visier nimmt, die staatlichen Sozial- und Krankenprogramme. Und dass man überdies die Staatsdiener zur Kasse bittet, dass man ihre Stellen streicht und ihre Gehälter kürzt. Und Zehntausende von Lehrern, Bibliothekaren, Postlern wehren sich gegen den Plan des neuen republikanischen Gouverneurs von Wisconsin, die Gewerkschaften der Staatsbediensteten zu entmachten. Scott Walker will ihr Tarifrecht weitgehend abschaffen.

Nach seinem Willen sollen die Gewerkschaften künftig nur noch über Mindestlöhne verhandeln dürfen, aber nicht mehr über all die vielen Dinge, die in Amerika ebenfalls zum Gehaltspaket gehören – und oft wichtiger sind als der Grundlohn: Pensionsansprüche zum Beispiel, die Krankenversicherung für die gesamte Familie, Urlaub, Krankentage und so weiter. Experten sagen, dies sei seit Jahrzehnten der größte Angriff gegen Gewerkschaften. Andere republikanische Gouverneure wollen Walker nacheifern. Im Angesicht des gewaltigen Schuldenbergs und der gigantischen Finanzkrise wollen sie gleich mit allem aufräumen, was sie stört.

Das vergangene Jahr gehörte dem Aufstand der rechten Tea Party, jetzt könnten linke Gewerkschaften und Verbände zur Gegenrevolution blasen. So viele aufgebrachte Menschen haben Staaten wie Wisconsin und Ohio schon lange nicht mehr gesehen. Der Streit teilt in erster Linie Demokraten und Republikaner, vor allem in der Frage des Tarifrechts. Präsident Obama hat den Gewerkschaften bereits seine Solidarität versichert.

Doch der Riss geht weiter, mitten durch die Parteien, wenn die Frage beantwortet werden muss, wo der Staat denn, bitteschön, einsparen soll. Seit Wochen kann man das bereits auf der Bundesebene beobachten. Um Dreierlei wird in Washington miteinander gerungen: Erstens, um den gegenwärtigen Haushalt, der im vergangenen Jahr nicht beschlossen wurde, und deshalb alle paar Monate mit einem neuen Scheck finanziert werden muss. Anfang März steht der nächste Scheck an und die Republikaner wollen ihn verweigern, wenn die Obama-Regierung nicht gleichzeitig etwa 100 Milliarden Dollar einspart, von der Bildungs- über die Sozialpolitik bis zur Infrastruktur.

Zweitens geht es um die Anhebung der allgemeinen Verschuldensgrenze. Das rechtliche Limit wird in wenigen Wochen erreicht und zum Anheben des Schuldendeckels braucht man ebenfalls die Zustimmung der Republikaner.

Der dritte Streit dreht sich um den Haushalt für das kommende Jahr und die Frage, wie man den großen Schuldenmachern in den kommenden Jahrzehnten zu Leibe rückt, der Sozialversicherung, vor allem aber den Krankenversicherungen für Rentner, Behinderte und Arme, Medicare und Medicaid.

Quelle: http://www.zeit.de/politik/ausland/2011-02/proteste-usa-sozialkuerzungen

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Dresden blockieren Aufmarsch – Neonazis weichen nach Leipzig aus

Quelle: http://www.n-tv.de/politik/Neonazis-weichen-nach-Leipzig-aus-article2655421.html

Zehntausende friedliche Demonstranten verhindern in Dresden einen Aufmarsch von Neonazis. Die Rechtsextremen sollen nun nach Leipzig geschafft werden, um dort demonstrieren zu können. In Dresden kommt es derweil zu massiven Auseinandersetzungen zwischen gewaltbereiten Demonstranten und der Polizei.

Überschattet von massiven Ausschreitungen haben mehr als zehntausend Menschen in Dresden gegen drei geplante Neonazi-Aufmärsche demonstriert. Linksgerichtete Demonstranten warfen Steine auf Beamte und errichteten brennende Straßenblockaden. Die Polizei ging mit Wasserwerfen, Schlagstöcken und Reizgas gegen die gewalttätigen Demonstranten vor.

Statt der bis zu 4000 erwarteten Rechtsextremen gelangten nach Angaben der Dresdener Polizei zunächst nur etwa 600 zu den ihnen zugewiesenen Versammlungsorten im Süden der Stadt. Mehr als 1000 Neonazis waren noch in der Stadt unterwegs und mussten von der Polizei abgefangen und geschützt werden.

Demo nun in Leipzig?

Wegen der massiven Blockaden sollten die Rechtsextremen allerdings nach Leipzig ausweichen. Die Bundespolizei werde sie in kleinen Gruppen begleiten, sagte ein Sprecher in Dresden. Sie würden den nächstmöglichen Zug nach Leipzig nehmen. Man gehe davon aus, dass sich etwa 600 Personen auf den Weg machen. Die Leipziger Polizei bereite sich indes intensiv auf einen Einsatz vor, sagte ein Sprecher.

Zu den Gegenkundgebungen hatte das Aktionsbündnis “Dresden-Nazifrei” aufgerufen. Nach Angaben des Bündnis-Sprechers Stefan Thiel folgten dem Aufruf bis zum Nachmittag etwa 15.000 Menschen. Tausende waren bereits am Morgen mit 250 Bussen aus dem gesamten Bundesgebiet angereist.

Gewalttätige Gegendemonstranten durchbrachen im Lauf des Tages immer wieder Polizei-Absperrungen. In mehreren Gruppen blockierten sie wichtige Kreuzungen und Straßen, um den Marsch der Neonazis vom Dresdener Hauptbahnhof zu dem etwa zwei Kilometer entfernten Versammlungsort zu verhindern. Dabei setzten Linksextreme Müllcontainer in Brand, beschädigten Autos, warfen mit Steinen und Feuerwerkskörpern auf Polizisten und errichteten Barrikaden. Die Gegendemonstranten kommunizierten per Twitter und Website-Ticker, um Blockaden zu verstärken oder vor Polizeieinsätzen zu warnen.

“Explosion der Gewalt”

Die Polizei setzte nach eigenen Angaben Wasserwerfer, Schlagstöcke und Reizgas ein, um ein Aufeinandertreffen der Gruppen zu verhindern. Mehrere Gegendemonstranten, die Polizisten angegriffen kamen in Gewahrsam. Die Gewerkschaft der Polizei sprach von einer “Explosion der Gewalt durch linksextremistische Straftäter” gegen die Polizei.

In vielen Dresdner Kirchen wurden Mahnwachen gegen den Aufmarsch der Rechtsextremen abgehalten. Die Grünen-Politikerin und Kirchentagspräsidentin Katrin Göring-Eckardt betete mit Bundes- und Landespolitikern. Der Evangelische Kirchentag ist in diesem Sommer in Dresden zu Gast.

Die sächsische Landeshauptstadt hatte die Aufmärsche der Rechtsextremen zunächst zusammenlegen wollen. Doch dies war ihr am Freitag vom Dresdener Verwaltungsgericht untersagt worden. Bereits am vergangenen Sonntag hatten Tausende in Dresden gegen einen Neonazi-Aufmarsch anlässlich des Jahrestags der Bombardierung der Stadt vor 66 Jahren protestiert.

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Massenproteste in Oaxaca

Originaltext bei amerika21.de (von Philipp Gerber)
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Massenproteste am Tag nach der Eskalation am Rande des Präsidenten-Besuches. Visite Calderóns als “gezielte Provokation” bezeichnet

Am Mittwoch gab die mexikanische Bildungsgewerkschaft SNTE ihre Antwort auf die massive Repression am Dienstag bei dem Besuch von Präsident Felipe Calderón im Bundesstaat Oaxaca. 72.000 Lehrerinnen und Lehrer legten die Arbeit nieder, 16 Bundesstraßen in ganz Oaxaca wurden blockiert und in Oaxaca-Stadt fand eine Großdemonstration mit schätzungsweise 25.000 Teilnehmern statt.

Wenn auch nicht vergleichbar mit dem Massenaufstand von 2006, so war die Mobilisierung doch ein klares Signal an die neue Regierung von Gouverneur Gabino Cué. Rednerinnen und Redner auf der Kundgebung nahmen oft Bezug auf die Ereignisse am Dienstag als den Tag, an dem die Regierung Gabino Cué “ihr wahres Gesicht zeigte”. Ein Teilnehmer schilderte: “Für mich war erstaunlich, wie breit die unabhängige Bewegung ist”. Diese sieht sich weder auf Seiten des breiten Bündnisses von Gabino Cué, noch auf Seiten der langjährigen Staatspartei PRI. Er selbst hätte Gabino etwas mehr Geschick zugetraut. “Dümmer gehts nimmer”, beschrieb ein älterer Mann das Verhalten des Hoffnungsträgers Gabino Cué. Dieser hatte vor zweieinhalb Monaten sein Amt angetreten und damit die seit 80 Jahren regierende PRI abgelöst.

Im Anschluss an die friedlich verlaufene Kundgebung am Mittwoch zogen die Lehrerinnen und Lehrer eine Zwischenbilanz der beiden Tage: Die 16 Verletzten vom Vortag, darunter Journalisten, Gewerkschafter und zwei Polizisten, befinden sich in stabilem Zustand. Die 17 Gefangenen wurden freigelassen. Santiago Chepi, der junge Generalsekretär der SNTE-Gewerkschaftssektion 22, nannte Gabino Cué “einen Verräter” und stellte zwei Vorbedingungen für die Wiederaufnahme von Gesprächen: eine öffentliche Entschuldigung des Gouverneurs für den gewaltsamen Einsatz und die Bestrafung der Verantwortlichen der Eskalation.

Die Regierung Cué ist konsterniert. Sie verspricht, die Gewalt zu untersuchen, die Staatsanwaltschaft hat in Rekordzeit mehrere Verfahren eröffnet. Die Angriffe am Dienstag gingen insbesondere von Bundespolizisten aus, welche den Präsidentschaftsbesuch weiträumig abschirmten. Viele der Beobachter und sozialen Organisationen halten den Besuch von Calderón für eine gezielte Provokation der kämpferischen Sektion 22 der Gewerkschaft SNTE. Vor Wochenfrist wurde eine zweite Gewerkschaft im Erziehungsbereich mit dem Ziel zugelassen, das mitgliederstärkste Syndikat Lateinamerikas mit seinen rebellischen Sektionen zu schwächen. Mit den Steuergeschenken für Besucher von Privatschulen sowie der Eröffnung einer Filiale der teuersten Privatuniversität Mexikos anlässlich des Besuchs in Oaxaca goss Calderon zusätzlich Öl ins Feuer. Dies vor dem Hintergrund einer geplanten Liberalisierung der Arbeitsrechte.

Zurück bleibt das Gefühl, dass sich Oaxaca auf dünnem Eis bewegt. Ein Funken genügt und Frust und Wut über Korruption, Gewalt, Ausgrenzung und Armut brechen sich Bahn. Noch kann keine Rede sein von “Friede und Fortschritt”, dem Wahlversprechen von Cué.

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Unruhen in Oaxaca und Chiapas

Originaltext bei amerika21
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Die Bilder von Polizeireihen und dagegen anstürmenden Demonstranten in Oaxaca-Stadt erinnern an 2006: Oaxaca befindet sich erneut im Aufruhr. Mexikos Präsident Felipe Calderón kam am Dienstag zu Besuch und weihte im Beisein des neuen Gouverneurs Gabino Cué einen neuen Sitz der Privatuniversität La Salle ein. Erst am Vortag hatte der Präsident bekannt gegeben, dass die Unterrichtsgebühren der privaten Bildungseinrichtungen von den Steuern abgezogen werden können. Ein Steuergeschenk an die Reichen in der Höhe von schätzungsweise 800 Millionen Euro.

Gegen diese neoliberale Politik gingen die Gewerkschaftsmitglieder der Sektion 22 der LehrerInnengewerkschaft auf die Straße: “Wir protestieren gegen den Besuch von Felipe Calderón Hinojosa, welcher die Unternehmer unterstützt und weiter das Land zerstört, zum Vorteil seiner Machtclique”. Bei den Auseinandersetzungen im historischen Zentrum wurden mehrere Personen verletzt, darunter auch drei Journalisten (siehe Video).

Der letzte Besuch des Präsidenten im Süden des Landes galt vor vierzehn Tagen den Tourismusprojekten in Chiapas. Auch da wurden Proteste gewaltsam unterdrückt. Nur Stunden nach dem Besuch von Calderón forderte eine Auseinandersetzung zwischen PRI-Aktivisten und der zapatistischen “anderen Kampagne” im Touristenort Agua Azul ein Menschenleben (siehe “Mexiko: Rundbrief Februar 2011“.

+++ Update Oaxaca +++

Die Auseinandersetzungen begannen um elf Uhr Ortszeit und dauerten bis in den Abend. Es wurden mindestens 15 Personen verletzt (Fotos), darunter ein Journalist mit einem Beinschuss sowie der ehemalige APPO-Sprecher und Gewerkschafter Marcelino Coache. Dieser wurde von der Polizei mit einem aus nächster Nähe abgefeuerten Tränengaspetarde am Kopf schwer verletzt.

Die Mahnungen zur Besonnenheit von Seiten der Gewerkschaftsleitung fruchteten in dieser Situation wenig. Drei Polizistinnen wurden von den Lehrern mehrere Stunden festgehalten. Am Nachmittag gingen ein Polizeilastwagen und ein Hotel in Flammen auf. Zudem wird vermutet, dass mehrere Flugzeuge mit Bundespolizei aus Mexiko-Stadt in Richtung Oaxaca unterwegs sind.

Die Ereignisse sind mindestens so gravierend wie die Unruhen am 14. Juni 2006, nur dass inzwischen von Seiten der “Sicherheitskräfte” scharf geschossen wird und auch eine Karawane von Mannschaftswagen der Armee im Zentrum gesichtet wurde.

Die soziale Explosion kam überraschend. Ein Beobachter meinte, die Leute seien vom Konflikt 2006 immer noch verletzt und erwarteten alles andere als einen bewaffneten Angriff der neuen Regionalregierung (PRD-PT-PAN). Politisch ist der heutige Tag die Bankrotterklärung der Links-Rechts-Koalition Oaxacas, welche von den Parteien als Erfolgsrezept gegen den erstarkenden PRI verkauft wird, insbesondere im Hinblick auf die Präsidentschaftswahlen von 2012.

Siehe auch:
Video der Rundschau zu den Ereignissen von 2006/07:
Staatsgewalt und RepressionTicker zu Oaxaca 2006

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Weltsozialforum fordert neues Konsummodell

In der senegalesischen Hautstadt Dakar ist am Sonntag das 11. Weltsozialforum (WSF) zu Ende gegangen. An diesem WSF haben nach Angaben der Organisatoren 45.000 Menschen von 1.200 Organisationen aus 130 Ländern teilgenommen. Im Zentrum der Diskussionen standen neben den aktuellen Ereignissen in Nordafrika die Nahrungs- und Klimakrise sowie die Migrationspolitik. In der Abschlusserklärung wurde zu Protest gegen den kommenden G8/20 Gipfel in Frankreich sowie den kommenden Klimagipfel aufgerufen.

Bei diesem WSF ging es wie immer nicht nur um die Kritik des Bestehenden, sondern um Alternativen zum neoliberalen Kapitalismus. Das Konzept des “Buen vivir”, stellt so eine Alternative zur Diskussion. Es ist sowohl in der Verfassung Boliviens wie auch Ecuadors festgeschrieben. Es sieht ein eigenes Recht der Natur vor. Die Menschheit solle so konsumieren und produzieren, dass die Natur nicht beschädigt wird. Diese Debatte trifft auf Diskussionen in West-Europa, wo verstärkt das Wachstumsmodell in Frage gestellt wird.

Schon bei der Eröffnung des WSF betonte Boliviens Präsident Evo Morales seine Kritik am Kapitalismus einmal mehr, der Ursache für die gravierendsten Probleme der Erde sei. Auch der ehemalige brasilianische Präsident Luiz Inácio “Lula” da Silva forderte ein neues Entwicklungsmodell. Er konstatierte, dass die Länder des G20 nicht Willens und nicht in der Lage seien, die aktuellen Probleme zu lösen. Vielmehr stelle deren Politik ein Problem dar.

Die lateinamerikanische Organisation Via Campesina thematisierte die globale Ernährungssituation. Durch die Auflagen des Internationalen Währungsfonds (IWF), exportorientiert zu produzieren, hat sich die Lage in vielen Ländern dramatisch verschlechtert. Die Ernährungssouveränität ist nicht gegeben. In den Ländern werden nicht ausreichend Nahrungsmittel zur eigenen Versorgung produziert, die Märkte mit subventionierten Produkten z.B. aus Europa überschwemmt. Hinzu kommen Aufkäufe von Land für die Produktion von Biosprit in Lateinamerika und Afrika durch internationale Konzerne.

Eine Aktivistin aus Brasilien kritisierte das Agrobusiness in ihrem Land, das mehr Hunger produziere, die Bauern enteigne und den Boden zerstöre. Via Campesina kritisierte auch den Ausverkauf des Bodens vor allem in Ländern Lateinamerikas und Afrikas. Ziel sei es häufig, mit Nahrungsmitteln zu spekulieren.

Für viele Menschen aus Lateinamerika und Afrika hat das Thema Migration zentrale Bedeutung. Die Mauer zwischen den USA und Mexiko, die Abschottungspolitik der EU, sowohl gegen Lateinamerika wie auch Afrika wurde massiv kritisiert und eine Bewegungsfreiheit gefordert.

Das Weltsozialforum fand erstmalig 2001 im brasilianischen Porto Alegre statt, als Gegenveranstaltung zu dem sogenannten Weltwirtschaftsforum in Davos. Unter dem Motto “Eine andere Welt ist möglich” kamen seitdem jährlich Menschen aus aller Welt zusammen, um über Alternativen zur neoliberalen Globalisierung zu diskutieren. Vom WSF gingen zahlreiche Ideen hervor, die von Regierungen im Lateinamerika aufgenommen wurden wie zum Beispiel die Bank des Südens oder das alternative Handelsbündnis ALBA.

Quelle: http://amerika21.de/nachrichten/2011/02/23557/weltsozialforum

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Lagota Buchempfehlung

Give a Boy a Gun: From Killing to Peace-Making
(London, 2009)
Autor: Little Alistair
ISBN-13: 978-0232527636

Die Memoiren eines Mannes, der mit 17 Jahren für die UVF (Ulster Volunteer Force – loyalistische Paramilitärs) einen Mord beging und heute in Kriegszonen auf der ganzen Welt in Conflict Transformation arbeitet. Mit brutaler Ehrlichkeit erzählt Little von seiner Kindheit, von Segregation und früherem blindem Hass auf Katholiken, welcher ihn schließlich dazu bewog den bewaffneten Kampf anzutreten. Kein Buch über die Politik Nordirlands – und nichts für schwache Nerven. Trotzdem ein einmaliger, persönlicher Einblick in das Leben eines Mannes der durch persönliche Erfahrungen zum Mörder wurden und sich nach Jahren ehrlicher Auseinandersetzungen mit sich selbst und ihrer Gesellschaft nun auf Frieden hinarbeitet. Zum Verstehen der Situation Nordirlands in den 70ern und 80er Jahren genauso hilfreich wie ein Sachbuch, denn man lernt verstehen, wie eine Kindheit in einer „Kriegszone“ wie Nordirland junge Leute (egal welcher Religion) prägt und formt. Wow!

Die Geschichte von Little und dem Bruder seines Mordopfers (welches den Mord als Junge miterlebte) wurde von der BBC unter dem Titel Five Minutes of Heaven verfilmt. Einer der besten, emotionalsten Spielfilme über Nordirland, der trotz seines fiktiven Settings genauso aufrüttelt wie das Buch. Sehenswert!

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Café Lagota

Das Café Lagota geht weiter…

Die nächsten Daten sind 27. Februar, 27. März und 25. April!

Ein Treffpunkt um sich austauschen, zu informieren oder einfach das Wochenende ausklingen zu lassen.

Wie immer mit Kaffee und Kuchen!

Ort: Infoladen Romp, Luzern
Offen ab 15 Uhr, Ende ca. 19 Uhr

Wir freuen uns auf Euren Besuch!

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