Solidarität mit Standing Rock

Die indigene Widerstandsbewegung gegen den Bau der »Dakota Access Pipeline« (DAPL) im US-Bundesstaat North Dakota sieht am heutigen Montag einer erneuten Eskalation der staatlichen Unterdrückung ihrer friedlichen Proteste entgegen. Mehrere tausend Gegner des Pipelineprojekts harren nahe dem Ort Cannon Ball bei Minusgraden und Schneefall in Tipis und Jurten im Oceti-Sakowin-Protestcamp im Norden des Reservats der Standing-Rock-Sioux aus. Sie weigern sich, einer Anordnung des republikanischen Gouverneurs Jack Dalrymple Folge zu leisten, das Camp »bis zum 5. Dezember zu räumen« und sich in eine weiter südlich eingerichtete und polizeilich genehmigte sogenannte Free Speech Zone zurückzuziehen, in der sie »ihre Meinung zum Bau der DAPL zum Ausdruck bringen« dürften, wie es offiziell heißt.

2016-09-16-1474044012-2676960-defend_the_sacredLaut Nativenewsonline.net bezeichnete ein Sprecher des »Indigenous Environmental Network« (Indigenes Umweltnetzwerk) die Ankündigung, erneut vom eigenen Land vertrieben zu werden, als eine »widerwärtige Fortsetzung von 500 Jahren Kolonisierung und systematischer Unterdrückung«.

Das heute auslaufende Ultimatum war ursprünglich am 25. November vom »Unites States Army Corps of Engineers« ausgesprochen worden, das als zuständige oberste Genehmigungsbehörde der Regierung für den Pipelinebau das Gelände des Camps zu einem Armeegelände in Bundesbesitz erklärt hatte. US-Armeeveteranen kündigten jedoch vergangene Woche an, zweitausend ihrer Mitglieder nach North Dakota zu mobilisieren, um das Protestcamp zu schützen und eine Räumung zu verhindern. Daraufhin schlug das Armeekorps in einer Pressemitteilung mildere Töne an. Die Armee strebe »die friedliche und geordnete Überführung der Demonstranten an einen sichereren Ort« an. Sie drohte aber denen, »die als nicht befugte Person angesehen werden können«, unverhohlen mit Ingewahrsamnahme.

Der Stammesrat der Standing-Rock-Sioux versicherte daraufhin durch seinen Vorsitzenden, Dave Archambault II, »alle Wasserschützer, die der permanenten Verletzung ihrer Bürgerrechte und einer exzessiven Gewaltanwendung seitens der Sicherheitsbehörden ausgesetzt« seien, der uneingeschränkten Solidarität. Archambault erinnerte an den Jahrestag des Sand-Creek-Massakers an den Cheyenne in Colorado. Am 29.11.1864 hatten Angehörige der Colorado-Kavallerie-Regimenter in einem Winterlager 133 Indigene getötet; die meisten von ihnen waren Frauen und Kinder. Es sei nun »an der Zeit für die Vereinigten Staaten, mit der Tradition ihrer Gewaltakte gegen indigene Ureinwohner zu brechen«. Der Stammesrat rief die Vereinten Nationen und US-Präsident Barack Obama auf, »Sofortmaßnahmen gegen die Racheakte des Staates North Dakota zu ergreifen«. Gouverneur Darlymple habe es versäumt, die bisherigen Gewaltakte der Sicherheitskräfte zu verhindern und zu verurteilen.

Auch die Menschenrechtsorganisation Amnesty International hatte nach den letzten Polizeieinsätzen, bei denen mehr als 300 Demonstranten verletzt und viele festgenommen worden waren, das US-Justizministerium aufgefordert, diese Vorfälle im Zusammenhang mit dem Bau der 3,8 Milliarden teuren Rohölpipeline zu untersuchen. Beobachter der Organisation waren Zeugen, wie die bewaffneten Sicherheitskräfte unter Einsatz von Tränengas, Wasserkanonen, Gummigeschossen und Schockgranaten mit großer Brutalität gegen Aktivisten vorgingen.

Der afroamerikanische Senator Cory Booker (Demokraten) aus New Jersey forderte US-Justizministerin Loretta Lynch zusätzlich auf, gegen die »entwürdigende und unmenschliche Behandlung« von Demonstranten im Polizeigewahrsam zu ermitteln. Sie seien in Hundezwinger gesperrt worden, hätten sich nackt ausziehen müssen und seien »mit Nummern markiert worden, die ihnen auf die Haut geschrieben wurden«.

Unterdessen sind zwischen Freitag und Sonntag wie angekündigt die Armeeveteranen im Oceti-Sakowin-Protestcamp eingetroffen. Sie begreifen sich als »unbewaffnete Milizen«, die sich »als friedliche menschliche Schutzschilde vor die indigenen Aktivisten stellen und sie vor Übergriffen einer militarisierten Polizei schützen wollen«, wie Mintpress News berichtete. »Ich bin damals zur Armee gegangen, um meinem Land und meinem Volk zu dienen und habe das in Übersee getan«, sagte der indigene Marineveteran Brandee Paisano dem Sender CBC. »Ich hätte zwar nie gedacht, dass ich es auch hier im eigenen Land tun müsste, aber jetzt bin ich hier und tue, was ich für notwendig halte.«

Für die Reisekosten der unter dem Motto »Veterans Stand for Standing Rock« agierenden Veteranen, die aus allen Teilen der USA kommen, wurden Spenden gesammelt. Allein 50.000 US-Dollar kamen von der »National Nurses United« (NNU), der größten Krankenschwesterngewerkschaft der USA, um die Anreise einer Veteranendelegation vom Stamm der Navajo aus Arizona und New Mexico zu unterstützen. »Wir grüßen die mutigen Veteranen, die sich für die Rechte der Wasserschützer einsetzen«, erklärte NNU-Vizepräsidentin Jean Ross. Ihnen gebühre breite Unterstützung, weil es eine »wichtige Verteidigung des Rechts« sei, »sich zu versammeln und zu protestieren, ohne brutalen und ungerechtfertigten Angriffen ausgesetzt zu sein«.

Quelle: http://www.jungewelt.de/2016/12-05/024.php

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