Strategien des Parteispiels

Die griechische Nazipartei »Goldene Morgenröte« versucht, den Fußball zu instrumentalisieren.

Ein sogenannter Facebook-Zwischenfall war wenige Tage vor der Ermordung des griechischen HipHop-Musikers und Antifaschisten Pavlos Fyssas Grund genug, für die meisten Fanclubs des griechischen Traditionsvereins PAOK Thessaloniki, sich gegen die Neonazi-Partei »Goldene Morgenröte« zu wenden. Ein im Internet veröffentlichtes Foto, das den albanischen PAOK-Spieler Ergys Kace in einem UÇK-Shirt zeigte, löste einen Skandal aus. Viele Fans verlangten jedoch eine interne Lösung des Konflikts und forderten die Isolierung des Spielers.

Kace bekräftigte mehrmals, dass er nicht gewusst habe, was für ein T-Shirt er trug. Die »Goldene Morgenröte« versuchte trotzdem, sein T-Shirt politisch zu instrumentalisieren. Dabei setzte die Partei auf einen diffusen Nationalismus. In einer Erklärung beschuldigt sie den Spieler, das Team und die Nation in den Schmutz zu ziehen. Wichtig sei die Solidarität mit denen, die in Kreisen der »Goldenen Morgenröte« als »unsere orthodoxen, serbischen Brüder« bezeichnet werden, und das nicht zufällig: Mitglieder der Partei waren im Jugoslawienkrieg auch als Freiwillige in der serbischen Armee an Kämpfen beteiligt.

Prominentes Mitglied der »Goldenen Morgenröte« und Abgeordneter des griechischen Parlaments: Ilias Panagiotaros

Prominentes Mitglied der »Goldenen Morgenröte« und Abgeordneter des griechischen Parlaments: Ilias Panagiotaros (Foto: PA / epa / Alkis Konstantinidis)

Auf die Aussagen der Neonazis folgen Protesterklärungen seitens der PAOK-Fanclubs. Der zentrale Fanclub Gate 4, der zu den bekanntesten Griechenlands zählt, setzte sich am stärksten gegen die Instrumentalisierung durch die Neonazis ein. Gate 4 berief sich auf die migrantische Tradition und die Geschichte des Vereins, die es der Partei verböten, sich in die ­internen Angelegenheiten von PAOK einzumischen und den Skandal zum Wählerfang zu nutzen. Auch PAOK-Fanclubs aus Deutschland äußerten sich zum Vorfall und versprachen Gate 4 ihre Unterstützung.

Am Mittwoch, dem 11. September, kam es zu einem Vorfall zwischen PAOK-Fans und Mitgliedern der »Goldenen Morgenröte« in der Innenstadt Thessalonikis. Etwa 50 Anhänger der Mannschaft fanden sich vor dem Büro der Partei ein, um ihrer Wut Ausdruck zu verleihen. Die Informationen zur Situation vor Ort sind widersprüchlich, die Rede ist von einer mit Pyrotechnik begleiteten Protestaktion, von einer Beschädigung der Eingangstür, aber auch von körperlichen Auseinandersetzungen mit Mitgliedern der Neonazi-Partei. Unverzüglich tauchten in der Gegend mehrere Einheiten der Polizei auf und nahmen ein paar Straßen weiter 46 Verdächtige in Gewahrsam. Am 9. Dezember soll es zum Prozess gegen alle Beschuldigten kommen, unter ihnen befinden sich auch zwei Minderjährige. Laut Aussagen des Anwaltskollektivs, das die PAOK-Fans vertritt, lauten die Anklagepunkte Verstoß gegen das Pyrotechnikgesetz und Landfriedensbruch. Skandalös sei, dass sich die Anklage vor allem auf die Aussage eines Mitglieds der »Goldenen Morgenröte« stütze, so die Anwältin Katia Tatzi. Zum Tatzeitpunkt war dieser Mann als Wachposten eingeteilt. Gegenüber den Ermittlungsbehörden gab er an, dass die Demonstranten Flaschen und Steine auf das Bürogebäude der Neonazi-Partei geworfen hätten. Selbst die Polizeieinheiten, die die PAOK-Fans in Gewahrsam genommen hatten, teilen diese Ansicht nicht, sie sprachen lediglich von einer »aufgebrachten Menschenmenge«. Aus den Akten gehe hervor, so die Anwälte weiter, dass die Beamten weder Flaschenwürfe noch Feuerwerkskörper bemerkt hätten. Die Aussagen der vor Ort eingesetzten Polizisten decken sich auch mit den Ermittlungen der Spurensicherung. Am angeblichen Tatort ließen sich lediglich zwei leere Bierflaschen in einer Plastiktüte und eventuelle Überreste eines Feuerwerkskörpers finden. Offen ist, ob die Vorwürfe angesichts dieser recht dürftigen Beweislage vor Gericht Bestand haben werden.

Die Initialen von PAOK stehen für Panthessalonikis Athlitikos Omilos Konstantinopoliton (Panthessalonikischer Sportvertein der Konstantinopler). Die Mannschaft wurde 1926 nach dem verlorenen Angriffskrieg Griechenlands von griechischen Flüchtlingen aus der Türkei gegründet. Damals war versucht worden, die »Megali Idea«, die »Große Idee« umzusetzen, alle Teile der ehemals griechischen Welt zu vereinigen. International fielen die PAOK-Fans zuletzt Ende August während der Champions-League-Qualifikation gegen Schalke auf: Als Schalke-Fans eine mazedonische Flagge zeigten, fühlten sie sich schwer provoziert und sorgten für all­gemeine Empörung unter den griechischen Fans in der Arena. Auf der anderen Seite bietet PAOK aber auch Platz für einen gewissen Regionalismus – man fühlt sich als ewiger Underdog gegenüber den drei Top-Teams aus der als korrupt geltenden Hauptstadt Athen. Diese eigentlich günstige Ausgangssituation auszunutzen, hat die »Goldene Morgenröte« bislang nicht geschafft, bis jetzt gibt sich die Mehrheit der Mitglieder der Fanclubs antifaschistisch oder apolitisch.

Seit ihrer Gründung Anfang der neunziger Jahre hat die Entwicklung einer rechten Subkultur und die Politisierung der Fußballfans höchste Priorität für die Goldene Morgenröte. Den Anfang ihrer Aktivitäten bildete die Gründung eines national gesinnten Fanclubs in den Fanreihen der griechischen Nationalmannschaft, die sogenannte »hellblaue Armee«, die sich bei Spielen mit nationalistischen Symbolen und Transparenten zeigte. Das prominente Parlamentsmitglied Ilias Panagiotaros, der am 28. September neben anderen hochrangigen Parteimitgliedern wegen Bildung einer kriminellen Vereinigung verhaftet wurde, führte diese Kampagne jahrelang an.

Erste Versuche, rechte Fanclubs zu etablieren, wurden bereits in den achtziger Jahren mit der Organisation NOPO (Nazi Organisation aller griechischer Fans) unternommen, besonders aktiv in den Reihen der Panathinaikos-Fans. Nach Informationen der antifaschistischen Journalistengruppe Ios sollte Anfang der neunziger Jahre, also bereits vor der Gründung der »hellblauen Armee«, dann eine neue NOPO entstehen. Heute beschränken sich die Aktivitäten größtenteils auf den Vertrieb von nationalis­tischen Fanartikeln übers Internet.

Ihren größten Erfolg feierte die »Goldene Morgenröte« im ersten Jahrzehnt des neuen Jahrtausends. Im September 2004, nach dem Erfolg der griechischen Nationalmannschaft bei der EM in Portugal und den olympischen Spielen in Athen, fanden die damals heftigsten Übergriffe gegen Migranten statt. Nach dem 2:1-Sieg der albanischen Nationalmannschaft gegen das griechische Team in einem Freundschaftsspiel feierten hunderte Albaner den Erfolg ihrer Elf in den Straßen Athens. Schnell sammelte sich ein Mob, der die albanischen Fans angriff und durch die Straßen jagte. Ähnliche Szenen ereigneten sich auch in anderen Teilen Griechenlands – auf der Insel Zakynthos wurde der Albaner Gramoz Palushi von griechischen Nationalisten erstochen. Die Verantwortlichen der damaligen rassistischen und nationalistischen Proteste werden erst heute, nach dem Mord an dem Antifaschisten Pavlos Fyssas am 18. September, als Mitglieder einer kriminellen Vereinigung angeklagt. Deren Verstrickungen mit den Behörden und ihre Gewaltbereitschaft schockierten die griechische Öffentlichkeit, und stoßen nun eine längst überfällige Debatte um ein Verbot dieser Parteiorganisation an.

Quelle: http://jungle-world.com/artikel/2013/43/48711.html

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