Bodum-Villa: Stadt gab das Aus schon vor einem Jahr

Quelle: https://www.zentralplus.ch/de/news/politik/5530653/Bodum-Villa-Stadt-gab-das-Aus-schon-vor-einem-Jahr.htm

Die Besetzung der Bodum-Villa hat es an den Tag gebracht: Das Gebäude an der Obergrundstrasse 99 ist verwahrlost, die Substanz geschädigt. Der Stadt ist das jedoch egal. Denn wie Recherchen von zentralplus zeigen, erhielt der Besitzer bereits vor mehr als einem Jahr das Einverständnis zum Abriss des geschützten Gebäudes.

Kaum ist die zweite «Gundula»-Besetzung zu Ende, kommen neue Tatsachen ans Licht: Wie die Stadt jetzt bestätigt, wurde dem Besitzer Jørgen Bodum vor über einem Jahr eine Bewilligung zum Abriss in Aussicht gestellt. Bodum habe von Anfang an kommuniziert, einen Neubau an der Obergrundstrasse 99 realisieren zu wollen.

In stetem Austausch mit dem Besitzer

Doch das ist nicht ganz einfach, denn die Villa gehört zur Ortsbildschutzzone B und liegt im Gebiet des Bundesinventars der schützenswerten Objekte (ISOS). Das heisst: Die Auflagen für einen Abbruch eines Hauses sind sehr hoch. Dennoch ist man seitens der Stadt bereits vor der ersten Besetzung zur Einsicht gekommen: Das Haus darf abgebrochen werden.

Das ändert natürlich die Situation. Vom absichtlichen Verfall wurde gesprochen, vom willkürlichen Offenlassen von Fenstern. Noch am Dienstagmorgen sagte eine Sprecherin von «Gundula»: «Das Haus war in einem guten Zustand. Wir gingen letzten Frühling raus, weil Frau Jost (die städtische Baudirektorin, Anm. d. Red.) uns versprochen hat, dass das Haus asbestsaniert wird.» Dies wurde zwar gemacht, doch: «Im obersten Stock sind seit längerer Zeit die Fenster sperrangelweit offen. Für uns ist es offensichtlich, dass der Besitzer es absichtlich verlottern lässt.»

Sanierung wirtschaftlich unverhältnismässig

Am Montag sagte Manuela Jost im Interview mit zentralplus: «Da das Haus nicht der Stadt gehört, liegt es in der Freiheit des Besitzers, mit dem Haus umzugehen, wie er möchte.» Die Aussage bekommt eine neue Färbung, wenn der Hintergrund klar ist: Der Besitzer darf das Haus theoretisch so schnell oder so langsam verrotten lassen, wie er will, abgerissen wird es sowieso. Und dass der Ball beim Eigentümer selber liegt, machte die Baudirektor ebenfalls am Montag klar: «Wir befinden uns gemeinsam mit dem Team von Herrn Bodum in einem Prozess. Werden die nötigen Kriterien erfüllt, könnte es sehr rasch vorwärtsgehen.»

Der Luzerner Stadtarchitekt Jürg Rehsteiner sagt dazu: «Es ist wichtig zu verstehen: Der Hausbesitzer hat das Haus in sehr schlechtem Zustand übernommen.» Bodum habe von Anfang an offen kommuniziert, er wolle einen Neubau realisieren. «Wir haben gemeinsam den Weg beschritten und standen in stetem Austausch», so der Stadtarchitekt.

Die Prüfung, welche bereits letztes Jahr abgeschlossen war, zeigte laut der Stadt: Es wäre wirtschaftlich unverhältnismässig gewesen, das Haus sanieren zu müssen. Aus diesem Grund kann gemäss Bau- und Zonenreglement eine Abbruchbewilligung ausgestellt werden. Der Abbruch darf erst erfolgen, wenn ein bewilligtes Neubauprojekt vorliegt, das ist noch nicht der Fall.

Rehsteiner sagt dazu: «Wir haben die Fragestellung zum ausnahmsweisen Abbruch der Liegenschaft eingehend geprüft und sind zum Schluss gekommen, dass ein Neubau an der Obergrundstrasse 99 möglich sei.» Grund dafür, dass der Abbruch befürwortet wurde: «Der Vorbesitzer hat am Haus sehr provisorische Arbeiten vorgenommen.» Diese provisorischen Arbeiten haben scheinbar den Wert des Hauses bereits vor dem Kauf durch Bodum massgeblich verschlechtert.

Besetzung 2016 unterbrach Neubauprojekt

Dass das Haus nun kaputt geht, ist also aus Sicht der Stadt zweitrangig – ihre Analyse ist bereits lange abgeschlossen, man wartet auf das Neubauprojekt. Warum wurde das nicht klarer kommuniziert? Stadtarchitekt Rehsteiner sagt, die Besetzung 2016 habe den «bei einem Abbruchbegehren nötigen Prozess» unterbrochen.

So sieht es momentan in der Bodum-Villa an der Obergrundstrasse aus.
So sieht es in der Bodum-Villa an der Obergrundstrasse aus. (Bild: facebook)

Weiter führt der Stadtarchitekt aus: «Es war dann auch längere Zeit nicht ganz klar, was der Grundeigentümer beabsichtigt.» Trotzdem bleibe für die Baudirektion klar: Der Abriss der Villa ist verhältnismässig und «ausnahmsweise möglich».

Grossstadträte verlangen klare Kommunikation

Noch am Mittwochmorgen veröffentlichte die SP- und Juso-Fraktion der Stadt Luzern eine Interpellation, in der sie den Stadtrat fragt, ob es möglich sei, dem Verfall überlassene Liegenschaften auf Kosten des Besitzers zu sanieren. Von einer abgeschlossenen städtischen Analyse der Villa war Interpellant Simon Roth (SP) nichts bekannt. «Es wäre wünschenswert, dass die Stadt transparenter kommuniziert.»

Ins gleiche Horn bläst SP-Grossstadtrat Gianluca Pardini. Der Historiker sagt: «Wir wollen von der Stadt, dass sie künftig bei leerstehenden Gebäuden aktiver und transparenter kommuniziert.» Aber dass die Stadt nur zusehen kann beim Zerfall der Häuser, liege daran, dass die Stadt «noch kein griffiges Mittel hat gegen Liegenschaftsbesitzer, welche sich gegen sinnvolle Zwischennutzungen wehren und ihr Eigentum verlottern lassen», so Pardini.

Simon Roth führt weiter aus: «Die Analyse der Stadt heisst noch nicht, dass ein Gebäude in der Ortsbildschutzzone tatsächlich abgerissen werden darf. Es gibt verschiedene Einsprachemöglichkeiten, welche das Haus erhalten können.

Vielleicht verlässt sich die Stadt (und Herr Bodum) da zu sehr auf ihre eigene Analyse – müsste am Ende aufgrund von Einsprachen saniert werden, käme das umso teurer. Stadtarchtitekt Rehsteiner sagt aber, man wolle den Entscheid nicht überdenken: «Mit dem heutigen Wissensstand ist es für die Baudirektion klar und sie steht nach wie vor dazu, dass die Liegenschaft Obergrundstrasse 99 ausnahmsweise abgebrochen werden kann.»
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