Nordafrika kämpft für Demokratie – die Schweiz muss sich solidarisch zeigen!

Quelle: http://www.solidaritaets-petition.ch/

Öffentlicher Aufruf anlässlich der dringlichen parlamentarischen Debatte zu Nordafrika am 16. März

Sehr geehrte Damen und Herren ParlamentarierInnen
Sehr geehrte Damen und Herren BundesrätInnen und Bundesräte

Ihre Bundeshausfraktionen haben beschlossen, am 16. März eine dringliche Debatte zur Krise im Nordafrikanischen Raum abzuhalten. Die unterzeichnenden Einzelpersonen und Organisationen, möchten Ihnen nachfolgend einige Punkte in Erinnerung rufen:

Als in den vergangenen Wochen Zigtausende Flüchtlinge aus Libyen in Tunesien und Ägypten eintrafen, kümmerten sich die lokalen Bevölkerungen um sie. Obwohl selber von politischen Umwälzungen und Armut betroffen, trugen sie das Wenige zusammen, das sie hatten, um den Ankommenden zu helfen. Derweil wurden in Europa und der Schweiz Kata­strophenszenarien an die Wand gemalt, weil erste Flüchtlinge aus Tunesien die Reise übers Mittelmeer angetreten haben. Millionenbeträge sollen bereitgestellt, Grenzwächter und gar die Armee sollen mobilisiert werden, um die «Eindringlinge» abzuwehren und zu­rückzuschaffen.

>> Dieses Verhalten ist beschämend. Gegenüber all jenen Menschen, die sich in den nordafrikanischen Staaten unter Lebensgefahr für Demokratie, Gleichheit und Gerechtigkeit einsetzen, zeigen sich die Schweiz und Europa egoistisch, arrogant und zu­tiefst unsolidarisch. Wenn jetzt «der Maghreb brennt», so ist es unsere einfachste und ab­solute Pflicht, beim Löschen zu helfen. Umso mehr auch deswegen, weil wir den Brand mit gelegt haben, indem wir über Jahre die nordafrikanischen Diktaturen mit gestützt haben. Wie eine Leserbriefschreiberin so treffend bemerkte: «Diese Menschen sind aktuell in Ge­fahr, nicht gefährlich» (Tages-Anzeiger, 4.3.2011).

Als «Wirtschaftsflüchtlinge» werden die Ankommenden beschimpft. Dabei wird ausser Acht gelassen, dass unsere Wirtschaftspolitik – interessiert an billigen Rohstoffen, am Ver­kauf teurer Kapitalgüter und an billigen Feriendestinationen – wesentlich zur Armut und zur Arbeitslosigkeit in diesen Ländern beigetragen hat. Oder zur Unterdrückung politischer Freiheit oder der Verletzung von Menschenrechten, indem über Jahre Waffen in arabische Länder exportiert worden sind.

>> Menschen, die migrieren, um ihr eigenes Überleben und das ihrer Familie zu sichern, sind keine «Wirtschaftsflüchtlinge», sondern Armutsflüchtlin­ge. Ihnen werden wesentliche Grund- und Menschenrechte verweigert. Wie etwa die wirt­schaftlichen, sozialen und kulturellen Menschenrechte. Zur Freiheit gehört auch das Recht auf Bewegungsfreiheit, das wir für uns selbstverständlich in Anspruch nehmen.

Von den Umbrüchen in den nordafrikanischen Staaten wird zu Recht von Revolutionen ge­sprochen. Grundlegende Veränderungen der politischen, wirtschaftlichen und gesellschaft­lichen Verhältnisse brauchen Zeit.

>> Es reicht nicht, dass die Schweiz ihre Unterstützung der demokratischen Kräfte in Nordafrika beteuert, wenn sie nicht gleichzeitig die politischen und wirtschaftlichen Beziehungen mit den betreffenden Ländern neu gestaltet. Es braucht eine Wirtschaftspolitik, die eine eigenständige Entwicklung der nordafrikanischen Länder ermöglicht, statt sie den Interessen der Schweiz unterzuordnen.

Wir, die unterzeichnenden Personen und Organisationen, sind empört darüber, wie sich PolitikerInnen, Regierungsmitglieder und Parteien über die MigrantInnen aus den nordafrikanischen Staaten in den Medien geäussert haben, und weisen ihre Forderung nach repressiven Massnahmen zurück. Ebenso verurteilen wir, dass das Thema für den Wahlkampf instrumentalisiert wird.

«Sichere Grenzen» gibt es nicht, es gibt nur ein sicheres und solidarisches Zusammenle­ben! In diesem Sinne fordern wir die eidgenössischen und kantonalen ParlamentarierInnen, den Bundesrat sowie die kantonalen Regierung auf:

– sich für eine offene und solidarische Asyl- und Flüchtlingspolitik einzusetzen, der die poli­tischen sowie die sozialen, wirtschaftlichen und kulturellen Menschenrechte zugrunde lie­gen;
– sich für eine andere Wirtschaftspolitik einzusetzen, die eine eigenständige Entwicklung der nordafrikanischen Länder und die Schaffung von Arbeitsplätzen ermöglicht statt sich am Freihandel und den Interessen des Nordens orientiert;
– die Potentatengelder an die jeweiligen Staaten zurückzuführen und ihre Verwendung de­mokratisch gewählten Institutionen anzuvertrauen;
– jene Kräfte zu unterstützen, die sich für Demokratie einsetzen, im Sinne einer Teilhabe aller am politischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Leben

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