Mexiko: Rundbrief März 2011

Oaxaca

Oaxaca in Aufruhr
Mexikos Präsident Felipe Calderón besuchte am 15.2. Oaxaca, wo er den neuen Sitz der Privatuniversität La Salle einweihte. Am Vortag hatte er bekannt gegeben, dass Unterrichtsgebühren der privaten Bildungseinrichtungen von den Steuern abgezogen werden können. Ein Steuergeschenk an die Reichen in der Höhe von schätzungsweise 800 Millionen Euro. Gegen diese neoliberale Politik protestierten die Mitglieder der LehrerInnengewerkschaft Sektion 22. Die Polizei ging gewaltsam gegen die Demonstrierenden vor. Dabei wurden 16 Personen verletzt, darunter ein Journalist mit einem Beinschuss sowie der ehemalige APPO-Sprecher und Gewerkschafter Marcelino Coache. Dieser wurde von der Polizei mit einem aus nächster Nähe abgefeuerten Tränengaspetarde am Kopf schwer verletzt. 17 Personen wurden vorübergehend gefangen genommen.

Am Tag darauf gab die mexikanische Bildungsgewerkschaft SNTE ihre Antwort auf die massive Repression. 72.000 Lehrerinnen und Lehrer legten die Arbeit nieder, 16 Bundesstrassen in ganz Oaxaca wurden blockiert und in Oaxaca-Stadt fand eine Grossdemonstration mit schätzungsweise 25.000 Teilnehmern statt.

Weitere Infos [1] [2]

Fotos

Pressemitteilung der Deutschen Menschenrechtskoordination zu den Ereignissen in Oaxaca

Bei einem Besuch der Gattin von Felipe Calderón Anfang März in einer Gemeinde von Oaxaca wurde erneut Protest gewaltsam unterdrückt. Wie die Lehrergewerkschaft bekannt gab, ging die Gewalt von derselben Person in Zivil aus, welche auch am 15. Februar die Krawalle provozierte. Die Person scheint ein Kommandant der präsidialen Sicherheitskräfte (Estado Mayor Presidencial) zu sein.

Fotos

Chiapas

Subcomandante Marcos meldet sich zurück
Am 16.2. gelangte der Sub mit einem neuen Communique »über Kriege« an die Öffentlichkeit. Darin analysiert er Felipe Calderóns »Krieg gegen die Drogen«, bei dem seit seinem Amtantritt als Präsident mehr als 34’600 Menschen getötet wurden. Marcos berechnet, dass der Krieg zwischen 2007 und 2010 rund 30 Milliarden US-Dollar gekostet hat. Er nennt den Krieg einen »Eroberungskrieg« im Interesse der mexikanischen Machtcliquen und des ausländischen Kapitals. Begleitet werde dieser von Repressionen gegen soziale Bewegungen und einem »Krieg gegen würdige Arbeit und gerechte Löhne«.

Artikel dazu

Auszüge aus dem Communique

Agua Azul: Kriminalisierung des Widerstands gegen das Tourismusprojekt
Im Konflikt um das Kassenhäuschen in Agua Azul, der einen Toten und zwei Verletzte gefordert hatte, sind am 5. März weitere vier Inhaftierte der Anderen Kampagne freigelassen worden. Noch sind 6 Personen, darunter ein Minderjähriger in Haft.

Am 19. Februar besuchte eine Solidaritätskarawane San Sebastián Bachajón, um die Solidarität mit den Mitgliedern der Anderen Kampagne zu bekunden. Für die Eskalation der Konflikte wird die Regierung verantwortlich gemacht. Zur Verwirklichung des Tourismusprojekts in Agua Azul werden Strategien zu Spaltung der Bevölkerung angewendet sowie Auseinandersetzungen provoziert. Das Kassenhäuschen wurde vom Staat konfisziert, was als erster Schritt in Richtung der „Enteignung“ und einer anschliessenden Privatisierung gesehen werden kann. Unter Polizeischutz werden zur Zeit weitere Gebäude errichtet, ohne die Zustimmung der Gemeindeversammlung.

Siehe auch: Solidaritätskarawane besucht Agua Azul in Chiapas (oder Artikel auf Spanisch)

Übergriffe auf Mitglieder der anderen Kampagne
Im Februar fanden insgesamt drei direkte Übergriffe gegen Mitglieder der anderen Kampagne statt. Auch in Küstenregion wurden 16 Personen festgenommen, darunter drei Anwälte des Menschenrechtszentrums Digna Ochoa, sowie Landwirte und Fischer von mindestens fünf Gemeinden. Die drei Anwälte Nataniel Hernández, José María Martínez Cruz und Eduardo Alonso Martínez Silva sind noch immer in Haft. In der Küstenregion mobilisiert sich die andere Kampagne gegen die überhöhten Strompreise und für die Selbstorganisation der Fischer, Bauern und Frauenorganisationen. Auch in Mitzitón fanden im Februar Übergriffe von Seiten der paramilitärischen Gruppierung Ejercito de Dios (Armee Gottes) statt, wobei zwei Personen stark verletzt wurden.

Artikel auf Spanisch:
Detienen a miembros del CARZCC y del Centro Digna Ochoa
Desata protestas la detención de abogados del Centro Digna Ochoa en Chiapas

Guerrero

Analyse des Falles von Rodolfo Montiel und Teodoro Cabrera – Der lange Weg zur Gerechtigkeit
Die Gesichter der Männer sind von Müdigkeit und Entbehrung gezeichnet. Seit zwölf Jahren bewegt sich ihr Leben jenseits der Normalität. Damals, im Jahr 1999, wurden die Bauern und Umweltschützer Rodolfo Montiel und Teodoro Cabrera von Militärs im mexikanischen Bundesstaat Guerrero verhaftet und gefoltert. Die spätere Anklage sprach von illegalem Waffenbesitz und Drogenanbau.

Heute leben beide im Exil. Im Dezember vergangenen Jahres erhielt ihre Hoffnung auf Rehabilitierung und Entschädigung wieder Nahrung, als der Interamerikanische Gerichtshof für Menschenrechte in Costa Rica über ihren Fall entschied und den mexikanischen Staat wegen Menschenrechtsverletzung schuldig sprach.

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Veranstaltungen

Mi. 30.03.2011, 19:00 – 21:00 Uhr: Hinter den Drogenkrieg in Mexiko sehen – eine Veranstaltung mit Abel Barrera vom Menschenrechtszentrum Tlachinollan, Guerrero
Käfigturm, Marktgasse 67, Bern
organisiert von: Peace Brigades International / Propaz / Amnesty International

Buchtipps

Acteal – ein Staatsverbrechen
Ende 2010 wurde der Fall um das Massaker von Acteal zur Behandlung vor dem Interamerikanischen Gerichtshof für Menschenrechte zugelassen. Nun ist auch das Buch des Journalisten Hermann Bellinghausen in deutscher Übersetzung erschienen.
Mehr Infos

»Ein unbequemes Leben« von Claude Braun und Michael Rössler über Cornelius Koch
Flüchtlingskaplan Cornelius Koch (1940 – 2001) stand quer in der politischen Landschaft. Er stritt mit seinem Bischof und mit dem Bundesrat. Er polarisierte und brachte Menschen zusammen. Er war widersprüchlich, und er legte Widerspruch ein. Er kämpfte gegen die Abstumpfung des menschlichen Gewissens. Rastlos und beharrlich überschritt er festgelegte Grenzen zwischen Staaten, sozialen Rängen und in den Köpfen.
Mit spektakulären Aktionen erregte er Aufsehen: Sein Bild ging durch Presse und Fernsehen, doch der Mensch dahinter blieb unbekannt. Was bewog Cornelius Koch, sich rückhaltlos für Ausgegrenzte einzusetzen: für Heimzöglinge, Arbeitslose, Flüchtlinge, Sans-Papiers, streikende Arbeiter und lateinamerikanische Indigenas?

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