Interview mit dem «Wahlboykott-Kollektiv»

Um was geht es in eurer «Kampagne»?

Es geht darum aufzuzeigen, dass Wahlen nichts verändern können. Dass wir alle Gefangene sind. Wir wollen die Menschen dazu bringen, sich über Wahlen Gedanken zu machen und ihnen eine andere Möglichkeit, den aktiven Wahlboykott näher zu bringen. Denn mit Kritik am Bestehenden öffnet sich der Blick für Alternativen.

Wer steckt hinter dieser Aktion?
Wir sind ein Kollektiv aus Menschen verschiedenster anarchistischer Strömungen aus dem Aargau.

Was ist eure Kritik an den Wahlen?
Wahlen können nichts ändern. Parteien (auch die «linken»), wollen uns weis machen, dass der Wahlakt eine positive und aktive Mitbestimmung darstellt und wir so Einfluss nehmen können. Tatsächlich ist dies eine Lüge, denn alle Parteien verpflichten sich der parlamentarischer Demokratie, dem Staat und dem Kapitalismus mit all seinen Auswüchsen. Die zu Wählenden streben keinen Abbau der hierarchischen Strukturen an. Es kann weder eine «Anarchopartei» noch einen «Anarchostaat» geben. Das wäre ein Widerspruch in sich.

Liese sich mit Wählen, aber nicht ein schlimmeres Übel (weiterer Rechtsrutsch etc.) verhindern?
Wenn wir jemanden wählen würden, bedeutet dies, jemandem Macht zu geben, über uns zu bestimmen und zu herrschen. Da wir gegen jegliche Form von Autorität und Hierarchien sind, kommt dies für uns nicht in Frage. Wir würden mit der Beteiligung, an vom Staat vorgegebenen Möglichkeiten zur «Mitbestimmung», diesen legitimieren und die bestehenden Herrschaftsstrukturen des Kapitalismus, mit seiner regulierenden staatlichen Instanz, bestätigen.
Uns ist bewusst, dass es beschissen ist, noch repressivere, faschistische Politiker an der Macht zu haben, aber auch Sozialdemokraten sind enorm repressiv und haben faschistische Züge. Die wahren Probleme werden nicht mit Wählen oder Abstimmen angepackt, sondern können nur auf andere Weise geändert werden. Ausserdem gehört zu unserem politischen Verständnis nicht bloss die aktive Wahlverweigerung, sondern auch die Bekämpfung der faschistischen Tendenzen in der Gesellschaft, ohne dabei auf die Hilfe der verhassten, repressiven Staatsorgane zu setzen.

Wieso ruft ihr dazu auf, Comic-Figuren auf die Wahlzettel zu schreiben, anstatt diesen gleich ins Altpapier zu schmeissen?
Weil aktiver Wahlboykott dem passiven Wahlboykott vorzuziehen ist. Ein leer eingeworfener oder mit Zeichnungen, Fantasie-Namen oder anderen Äusserungen versehener Wahlzettel zählt als (ungültige) Stimme und wird somit registriert.

Was ist euer Ziel mit dieser «Kampagne»?
Menschen für die Kritik an der parlamentarischen Demokratie sensibilisieren, da diese meistens am Anfang für ein systemveränderndes Denken steht.

Bis jetzt hat man von euch an diversen Orten Aufkleber gesehen und unter www.wahlverweigerung.ch.vu habt ihr einen kurzen Text veröffentlicht. Plant ihr noch mehr (Flugblätter, Demonstrationen, Sabotage …)?
Was wir als Kollektiv noch machen werden, wird die Zukunft zeigen. Verschiedenste Menschen aus unseren Zusammenhängen engagieren sich auch anderweitig. Und Aktionen, die sich gegen die parlamentarische Demokratie, den Staat, Parteien und speziell auch gegen Wahlen richten, wird es immer wieder geben.

20.09.2011 | (A)argrau

Quelle: http://www.aargrau.ch/

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