Grosse Töne, kleiner Zulauf

Es hätte «einer der grössten patriotischen Aufmärsche der Neuzeit» werden sollen. Schliesslich zogen am letzten Sonntag nur knapp 200 RechtsextremistInnen auf die Kuhwiese ob dem Vierwaldstättersee. Was sich sonst noch rechts tummelt.


Zur Erinnerung: Vor sieben Jahren marschierten noch rund 700 aufs Rütli. Am 1. August 2005 hatten sie den Festredner, SVP-Bundesrat Samuel Schmid, beschimpft und ausgebuht und die traditionelle 1.-August-Feier der Schweizerischen Gemeinnützigen Gesellschaft (SGG) gestört. Die Folge: Seit 2006 ist die SGG-Feier nur noch mit Tickets zugänglich, und die Rechtsextremen verloren die Auftrittsmöglichkeit an der nationalistischen Erinnerungsfeier.

Auf einen jährlichen Rütliausflug wollten die Rechtsextremen allerdings nicht verzichten. In den vergangenen Jahren mobilisierte jeweils die Partei National Orientierter Schweizer (Pnos), dieses Jahr erhielt sie Unterstützung von der Heimatbewegung, der Helvetischen Jugend, der Avalon-Gemeinschaft, der Hammerskin-Unterstützungs­organisation Crew 38 und dem Naziskin-Netz Blood and Honour Schweiz, dazu vom Waldstätterbund und den Kameradschaften Baden-Wettingen, Innerschweiz und Morgenstern, Letztere beheimatet in der Region Sempach. Auf ihrer Homepage hatte auch die Genfer Gruppe Genève Non-Conforme das Flugblatt verbreitet. Die Organisatoren hatten – gemäss der Pnos-Homepage – «seit Wochen per SMS, Facebook und anderen Netzwerken» mobilisiert. Im Klartext: Viel Mobilisierungsarbeit, doch mickriger Aufmarsch.

Die Szene dümpelt vor sich hin

In der Tat, die Deutschschweizer Rechtsextremenszene dümpelt vor sich hin. Zwar sympathisieren – gemäss Erkenntnissen des Nationalforschungsprojekts über Rechtsextremismus – rund vier Prozent der EinwohnerInnen der Schweiz mit antidemokratischen, autoritären und gewaltbereiten Haltungen und Ansichten, auch liebäugelt ein noch grösserer Bevölkerungsanteil mit fremdenfeindlichen und rassistischen Vorstellungen, doch die Rechtsextremen ernten nur wenig Zulauf.

Auch der subkulturelle Rechtsextremismus – insbesondere Naziskinheads – hat an Anziehungskraft für männliche Jugendliche aus Dörfern und Kleinstädten eingebüsst. Auf das Rütli marschierten vergangenen Sonntag auch wenige Naziskinheads, sowohl von Blood and Honour wie auch von den Hammerskins. Doch noch immer reichhaltig ist in der Deutschschweiz das Szeneangebot für rechtsextreme Musik und Literatur, besonders das Angebot an Tonträgern neonazistischer Bands, die Nachfrage ist offenbar gross – zumindest wenn man sich auf die «Ausverkauft»- beziehungsweise «Derzeit ausverkauft»-Hinweise der Anbieter stützt.

Auch der Aufbau politischer Strukturen ist ins Stocken geraten. Die Pnos, gegründet im September 2000, betreibt nur noch Sektionen im Oberaargau, im Emmental und in Basel, dazu noch die Infoportale Aargau und Zürich. Von der Bildfläche verschwunden sind die Sektionen Schwyz, Willisau, Berner Oberland und Freiburg. Die Parteizeitung erscheint seit dem vergangenen Jahr nicht mehr monatlich, sondern nur noch vierteljährlich. Und Mitte Juni 2012 meldete die Partei, dass sie auf weitere Wahlbeteiligungen verzichten werde. Man erhoffe sich, «die Strukturen innerhalb der Partei zu festigen». Offen sei, wann die Partei «an den nächsten Wahlen» teilnehmen werde.

Die Pnos hatte seit ihrer Gründung eine dünne Personaldecke, allerdings konnte sie die vielen Abgänge jeweils ersetzen. Seit kurzem ist die Parteispitze nun ausschliesslich Männersache. Denise Friedrich, die einzige Frau im Bundesvorstand, trat vor wenigen Monaten «aus persönlichen Gründen» zurück. Wie stark die Parteiarbeit mit dem Engagement einzelner Aktivsten verknüpft ist, demonstrierte vor einem Jahr Michael Vonäsch, einst Vorsitzender der inzwischen inaktiven Pnos-Sektion Willisau. Er beklagt zuerst, dass «praktisch alles an [ihm] hängen» geblieben sei. Dann bedankt er sich bei «den wenigen Personen», die die Partei in den letzten Jahren «immer tatkräftig unterstützt» hätten. Den politischen Träumen kann er aber nicht entsagen. Er liebäugelt mit der Gründung einer «starken, nationalen Kantonalpartei». Er denkt dabei an «die Schweizer Demokraten und einige Exponenten der JSVP». Er übersieht: Rechts der SVP gibt es in der Schweiz keine Aussicht mehr auf politischen Erfolg.

Nur in Zürich soll es für die Pnos aufwärtsgehen. Ein bis anhin unbekannter ­«T. Schüler», «Verwalter» des ­Pnos-Infoportals Zürich, berichtet von einem «deutlichen Anstieg von Mitgliedern und Interessenten». Er muss bescheiden sein, zur Gründung einer Ortsektion reicht es noch (?) nicht, trotz der «tatkräftigen Unterstützung» (Pnos-Infoportal Zürich) durch die Europäische Aktion (EA), angeführt vom Holocaustleugner Bernhard Schaub. Die Frage wird sein, ob dies trotz unterschiedlicher politischer Vorstellungen möglich ist. Die EA will die natio­nalen Grenzen überschreiten. Sie strebt ein nationalsozia­listisches Europa an. Bereits sollen «Landesweiter» in mehreren Ländern tätig sein. Anfang September will die EA «im südwestdeutschen Sprachraum» ein grosses «Europafest» durchführen.

Viel Aktivismus in der Region Genf

Rechtsextreme pflegen Kontakte meist innerhalb ihrer Sprachregionen. Auch auf dem Rütli blieben die Deutschweizer Rechtsextremen weitgehend unter sich, trotz der Rede des Westschweizers Philippe Brennenstuhl. Unterschiedlich ist auch die Entwicklung in den beiden Landesteilen: Stagnation, ja Rückgang in der Deutschschweiz, seit Monaten jedoch viel Aktivismus in der Region Genf. Vier Gruppen sind dort aktiv, erst Anfang Juni gründeten sich die Gruppe Égalité et Réconciliation (E&R), als «Linke der Arbeit und Rechte der Werte, für eine nationale Aussöhnung» («gauche du travail, droite des valeurs, pour une réconciliation nationale»). E&R-Sektionen, gegründet von Alain Sorel, einst Kommunist, später im nationalen Vorstand des Front National, bestehen bereits in mehreren französischen Regionen.

Auch die Gruppe Genève Non-Conforme verknüpft die Klage über den ungerechten Kapitalismus mit europazentrierten und rassistischen Ansichten, opportunistisch als «Kampf gegen die Globalisierung» umschrieben. Sie orientiert sich an den Vorstellungen einer neofaschistischen Bewegung um das Römer Zentrum Casapound, in einem besetzten Haus, in dem Wohnungen ausschliesslich italienischen Staatsbürgern vorbehalten sind. Direkt eingebunden in französische Zusammenhänge sind die Jeunes identitaires genevois und die Naziskingruppe Artam Brotherhood. In den vergangen Monaten machen sich die Identitaires in Genf kaum noch bemerkbar. Anders die Artam Brotherhood: Sie lädt ihre Anhänger auch zum wöchentlichen Kampftraining.

Quelle: http://www.woz.ch/1232/rechtsextremismus/grosse-toene-kleiner-zulauf

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Aktuelle Repression

Repression betrifft immer mehr Leute. Sei es nun im alltäglichen Leben, beim Ausgehen, bei Anti-WEF-Protesten oder am 1. Mai. Wir kennen hierfür nur eine Antwort: Solidarität – Diese ist unsere Waffe; Unterstützt die von Repression bertoffenen, informiert euch, wie ihr euch gegen die Staatsmacht schützen könnt und solidarisiert euch!

Ein Überblick zu den aktuellen politischen Gefangenen in der Schweiz, zu Soliarbeit, zur Repression und deren Verhinderung.


Repression?

Die Herrschenden und die Reichen versuchen die Klammer immer enger zu ziehen, so dass bald alles, was ihnen nicht passt, gegen Strafe verboten werden soll. Der Gummiparagraf ‘Landfriedensbruch’ wird versucht soweit auszudehnen, dass bereits ein zusammenstehen unliebsamer Personen zu einer Verhaftung führen kann. Am 1. Mai wird mit einem martialischen Polizeiaufgebot beinahe verunmöglicht, seinen Protest gegen das System zu zeigen. Wem es nicht destotrotz gelingt, wird verfolgt. Ungebrochene Gefangene erhalten eine Sonderbehandlung und werden nicht wie üblich nach 2/3 ihrer Haftzeit entlassen. Sogenannt ‘illegale Partys’ werden regelmäßig brutal von der Polizei angegriffen und nicht selten aufgelöst. Es wird alles mögliche getan, um die diversen Bewegungen zu spalten oder gar gleich zu verbieten.

Momentane Politische Gefangene – Ein Überblick:

Marco Camenisch:

Dem Anti-Atom Aktivisten und überzeugten Anarchisten Marco Camensich wird ein Attentat auf ein Startstrommäste und ein Mord an einem Grenzbeamten beschuldigt. Camenisch sitzt seit 1991 zuerst in Italien und seit 2002 in der Schweiz im Knast. Weitere Informationen: Dossier zu Marco Camenisch von Augenauf

Im Frühjahr 2012 hätte Marco aufgrund der normalerweise üblichen 2/3 Regelung, welche besagt, dass man nach 2/3 der Haftstrafe auf Bewährung freigelassen wird, in die Freiheit entlassen werden sollen. Dies wurde ihm mit der Begründung, dass er ein ungebrochener Anarchist sei jedoch verweigert.

Texte und Infos zu Marco:
Marco zu seiner verweigerten Entlassung
Dossier RHI

Silvia, Billie und Costa:

Die drei AnarchistInnen Billie, Silvia und Costa wurden vor dem Bundesstrafgericht in Bellinzona bezüglich eines angeblich geplanten Anschlages auf ein Nanotechnologie-Labor von IBM angeklagt und zu Haftstrafen verurteilt. Mehr Infos: Prozess gegen Silvia, Billy und Costa in Bellinzona

Mittlerweile wurde Silvia freigelassen und nach Italien abgeschoben – Artikel zu Silvias Freilassung

Die beiden Anderen sitzen noch immer in schweizer Knästen.

Gefangener vom NT-Areal:

Am 2. Juni 2012 fand in Basel auf dem nahezu leerstehenden NT-Areal eine Party mit über 1000 BesucherInnen statt. Es wurde friedlich mit Live-Musik gefeiert. Die Polizei hielt sich lange Zeit im Hintergrund. Als ein Zivilpolizist unter den BesucherInnen entdeckt wurde, wurde dieser zum Gehen aufgefordert. Er widersetzte sich und es kam zu einer Auseinandersetzung, worauf der Polizist flüchtete. Uniformierte Beamte setzten direkt im Anschluss Gummischrot ein und eine Person wurdeverhaftet und in Untersuchungshaft gesteckt. Nach der Party kam es zu diversen Übergriffen von Seiten der Polizei. Siehe hierzu: Communiqué der Antirep-Gruppe Basel

Der Festgenommene sitzt seitdem in Basel in U-Haft. Der Genosse vom Aufbau Winterhur ist wohlauf und kämferisch.
Mehr Infos und Supportmöglichkeiten (Aufbau)

Gefangenen vom 1. Mai 2012:

Über zwei Monate nach dem 1. Mai 2012 in Zürich, wurden sechs Personen verhaftet. Die Mehrzahl von ihnen sitzt noch heute in Untersuchungshaft in verschiedenen Knästen im Kanton Zürich. Ihnen wird hauptsächlich Landfriedensbruch vorgeworfen. Bereits am 1. Mai wurde ein Genosse grundlos festgenommen und zwei Wochen in U-Haft gesteckt.

Die Gefangenen werden von Anwälten betreut und von aussen mit Geld, Kleidern, Essen und fleissigem Grüßen von ausserhalb unterstützt.

Texte und Informationen:
Solidaritätserklärung
Freiheit für die Gefangenen vom 1. Mai 2012: RJZ und Aufbau
Am 28. Juli gab es einen Aktionstag bei dem diverse Aktionen für die Gefangenen vom 1. Mai 2012 durchgeführt wurden – Bericht zum Aktionstag

Weitere Repression:

Auch wenn keine U-Haft oder Haftstrafen angesetzt werden, so läuft der Repressionsapperat auf Hochtouren. Alleine in Bern wurden in letzter Zeit mehrere Partys und Demos gewaltsam aufgelöst und hunderte Personen wegen Landfriedensbruch angeklagt.

Beispiele:
Anti-Rep Demo – Die Demo wurde im Juni 2011 in Bern brutal von der Polizei gestoppt und über 180 Personen wurden verhaftet.

Antifa Demo in Diepoldsau – In Diepoldsau wurden Antifas von der Polizei verhaftet, weil sie ein Nazifreffen der Europäischen Aktion (EA) verhindert wollten. Die verhafteten wurden größtenteils wegen Hausfriedensbruch angeklagt und verurteilt.

Anti WEF-Demo 2012 – Die Demo wurde im Januar 2012 noch vor dem Erreichen des offiziellen Besammlungsortes von der Polizei gekesselt und sämtliche Leute wurden festgenommen. Auch auf dem Platz vor der Heiliggeistkirche, wo die Besammlung stattfinden sollte, wurden Leute eingekesselt.

In Zürich wurden am 17. September 2011 bei einer illegalen Party auf dem Central Personen festgenommen und wegen Landfriedensbruch angeklagt. Große Teile der Verhafteten wurden in U-Haft gesteckt. Mittlerweile wurden viele freigesprochen und entschädigt.

Am 18. Januar 2012 wurde in Zürich anlässlich des World Economic Forums in Davos die Schweizer Nationalbank mit Farbe angegriffen. Zwei Leute wurden von der Polizei festgenommen. Mindestens einer von ihnen wurde beinahe zwei Wochen in U-Haft gehalten. Mehr Infos

Arbeit gegen Repression:

Gegen die Repression hilft nur Solidarität. Solidarisiert euch mit den Befroffenen. Schützt euch vor der Repression. Hier einige Infos:

RJZ Anti-Rep Broschüre
Rote Hilfe – Was tun wenns brennt?
Antirep Aarau – Was will der Staatsschutz?

In diversen Städten gibt es Ermittlungsausschüsse (EAs) oder Rote Hilfe Gruppen. Informiert euch und werdet aktiv. Eine Liste:

Bern – EA Bern: ea[at]immerda[dot]ch
Zürich, Basel – Rote Hilfe: rotehilfe[at]aufbau[dot]org
Aargau – AE Aargau: antirepaarau[at]immmerda[dot]ch

Gegen Repression – für die Revolution!
Solidarität ist unsere Waffe!

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Aktion gegen den Naziaufmarsch auf’s Rütli

In der Nacht vom 2.8. auf den 3.8.12 wurden 4 Transparente in Brunnen und 4 Transparente in Luzern gegen Rassismus gehängt.

Auf den 5. August 2012 rufen die Pnos, Blood and Honours und die Hammerskins dazu auf gemeinsam aufs Rütli zu marschieren um den Nationalfeiertag der Schweiz zu feiern.

Ihre diskriminierende Haltung wollen wir nicht einfach so hinnehmen.

Kein Platz dem Rassismus!!!

In Brunnen und überall!!!

Nazis auf den Mond, das ist Raumfahrt, die sich Lohnt!!!

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Schweizer Konsulat in Marseille besetzt – Solidarität mit Levent Capa!

Eine Gruppe von 20 AktivistInnen hat am Freitag, 27. Juli 2012 das Schweizer Konsulat in Marseille für ca. 30 Minuten besetzt. Der Schweizer Konsul liess daraufhin die BAC (brigade anti criminalité) aufbieten. Bis auf Durchsuchungen und einer Personenkontrolle konnten alle AktivistInnen das Gebäude unversehrt verlassen.

Grund für die Aktion war die Verhaftung und geplante Ausschaffung von Levent Capa, einem türkischen Flüchtling in der Schweiz. Levent Capa verbrachte in der Türkei 11 Jahre im Gefängnis wegen seines politischen Engagements bei Devrimci-Sol. Aufgrund der anhaltenden staatlichen Repression und der Furcht vor einem erneuten Prozess flüchtete Levent Capa im Jahre 2011 nach Europa. Er stellte ein Asylgesuch in der Schweiz und hielt sich danach vorwiegend in Paris auf, wo er sich ebenfalls politisch engagierte. Bei einem Termin auf dem Polizeipräsidium in Clingnancourt wurde er informiert, dass er sich auf Ersuchen der schweizerischen Behörden zum Abschluss seines Asylverfahren in die Schweiz zu begeben habe. Auf sein Nachfragen hin, versicherte man ihm auf dem Schweizer Konsulat in Paris, dass er nichts zu befürchten habe, da ihn die Schweiz als politischen Flüchtling anerkennen werde. Am 21. Juli 2012 begibt er sich in die Schweiz. Er wird am 23. Juli 2012 in Bern verhaftet und in Ausschaffungshaft genommen, mit der Begründung, dass sein Asylgesuch bereits im November 2011 abgewiesen wurde und die Frist für eine Beschwerde längst verstrichen sei. Den negativen Entscheid hat er jedoch nie erhalten! Als ihn Schweizer AktivistInnen am Freitagmorgen, 27. Juli 2012 im Gefängnis besuchen wollen, wird ihnen gesagt, dass Levent bereits auf dem Weg zum Flughafen Zürich sei. Bis zum Abend des 29. Juli ist nichts über seinen Aufenthalt bekannt. Alle Kontakte in der Türkei wissen nichts über eine erfolgte Rückkehr. Die Schweizerischen Behörden betonen, dass für sie der Fall nach der Übergabe an die türkischen Behörden erledigt sei und hüllen sich ansonsten in Schweigen.

Am Abend des 29. Juli 2012 wird bekannt, dass Levent Capa am Freitag, 27. Juli 2012 in die Türkei ausgeschafft wurde, wo er unmittelbar nach der Ankunft für zwei Tage in Haft genommen wurde. Im Moment ist er frei, es erwartet ihn jedoch in den nächsten Monaten ein erneuter Prozess, der auf eine mehrjährige Gefängnisstrafe abzielt.

Ein politischer Aktivist und ehemaliger Häftling wird in einen für seine Foltermethoden bekannten Staat ausgeschafft, obwohl ihm dort weitere Folter und Gefängnis drohen. Ein weiteres trauriges Kapitel der schweizerischen und europäischen Migrationspolitik!

Solidarité avec Levent Capa! Non aux expulsions! Ni frontières, ni nations!!!

Mehr Infos auf Indymedia Paris: http://paris.indymedia.org/

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Interview: Bergarbeiterinnen im Streik

Die BergarbeiterInnen im Spanischen Staat streiken seit acht Wochen. Subventionen zur Schaffung neuer Arbeitsplätze wurden meist zweckentfremdet. Unter den Streikenden sind auch viele Frauen. Ein Gespräch mit Maria González, Bergarbeiterin aus der Grube “María Luisa” in Asturien.

Seit Wochen streiken BergarbeiterInnen im Spanischen Staat gegen die Kürzung von staatlichen Subventionen um zwei Drittel. in deren Folge werden Minen geschlossen und Tausende Kumpels entlassen. An dem Arbeitskampf in Asturien sind nicht wenige Frauen beteiligt. Wie viele arbeiten unter Tage?

In der Grube “María Luisa” arbeiten 2000 BergarbeiterInnen, darunter 200 Frauen. Ich fing mit 29 Jahren an. Zuvor haben wir einen langen Kampf dafür geführt, dass Frauen in den Minen arbeiten können. Jeden Tag fahre ich 689 Meter unter die Erde, in einem “Käfig”, wie wir es nennen. Wir wissen, zu welcher Uhrzeit wir reinfahren, aber nicht, ob wir wieder rauskommen. Es ist eine sehr harte Arbeit in der Mine, für Männer und für Frauen. Deswegen sind wir aber auch so entschlossen und kämpferisch. Mein Großvater arbeitete in der Mine und mein Vater auch, dort starb er im Alter von 47 Jahren. Es war besonders schwer für meinen Bruder, in der Grube zu arbeiten, in der mein Vater gestorben ist.

Was für Jobs machen Frauen in den Minen?

Wir machen die gleiche Arbeit wie die Männer. Aber natürlich ist es schwieriger für eine Frau, zum Beispiel wegen der fehlenden Toiletten unter Tage. Dennoch behandeln uns die Männer mit viel Respekt, zumindest im Vergleich zu anderen Sektoren, in denen ich gearbeitet habe. Es gibt viel Kameradschaft, weil wir alle die gleiche, harte Arbeit machen.

Für das Recht, in der Mine zu arbeiten, musste ich zunächst vor dem Verfassungsgericht klagen und gewinnen. 1985 begehrten Frauen, unter Tage zu arbeiten, nachdem eine Firma etwa 1.000 neue Stellen ausgeschrieben hatte. Das Urteil kam im Dezember 1992, bis dahin durften Frauen nicht im Bergbau arbeiten.

Wie sind die Arbeitsbedingungen?

Für beide Geschlechter sind sie unmenschlich. Wir müssen aufpassen, dass unser Brot nicht von Kakerlaken und Ratten aufgefressen wird. Es ist sehr feucht und sehr heiß unten, so dass wir nach acht Stunden nassgeschwitzt sind. Ein Unfall im Bergwerk ist nicht das Gleiche wie bei einer anderen Arbeit. Als ich anfing, hatte ein Kumpel einen Unfall, und ich musste ihn allein fast 300 Meter schleppen. Ich rettete ihm das Leben. Am nächsten Tag musste ich um sechs aufstehen und zur Arbeit gehen, wie an jedem anderen Tag.

Wir sind fast 700 Meter in der Tiefe, in der Dunkelheit. Wir sehen kein Licht und merken nur an den Gerüchen, ob es draußen Sonne oder Regen gibt.

In den Medien heißt es, die Bergarbeiter seien privilegiert, mit relativ hohen Löhnen und Rentenansprüchen …

Wieso redet man nicht über die Polizisten, die mit 52 in Rente gehen? Es kann doch kein Privileg sein, die Gesundheit oder das Leben in der Grube zu lassen. Die harte Arbeit vereint uns. Deswegen sind wir stolz darauf, dass wir jetzt kämpfen.

Die Unternehmen haben nach der Schließung von Minen Subventionen für das Schaffen anderer Arbeitsplätze in der Region bekommen. In der Regel haben sie damit Scheinfirmen aufgebaut, wieder geschlossen und so ein Vermögen gemacht. Diese Hilfen waren jedoch für die Diversifizierung der Wirtschaft in den Dörfern nach der Schließung der Mine, damit wir auch alternative Arbeitsplätze bekommen. Doch die Mehrheit der Unternehmen hat sich das Geld einfach eingesteckt.

Wie organisieren sich die Frauen im Streik?

Im Laufe des Arbeitskampfes organisierte sich eine “Plattform der Bergarbeiter-Frauen”, darin haben sich sowohl Frauen von Bergarbeitern als auch Bergarbeiterinnen selbst zusammengeschlossen. Wir organisieren uns, um die Demonstrationen zu unterstützten und damit man uns hört, weil die Medien uns boykottieren. Es ist unglaublich, in einer Demokratie verhalten sich die Medien als wäre es eine Diktatur.

Wie reagiert der Staat auf den anhaltenden Protest?

Die Nationalpolizei dringt in die Häuser ein und greift alle an, auch alte Menschen und Kinder. Sie notieren Nummernschilder von Autos. Wenn jemand seinen Wagen stehen lässt, um zu protestieren oder eine Barrikade zu bauen, werden die Reifen durchstochen. Die Regierung tut alles, um unseren Streik zu stoppen. Aber nicht einmal die Hälfte von dem, was passiert, kommt in den Nachrichten.

In allen Bergbau-Dörfern Spaniens gibt es Proteste. In Asturien ist der Bergbau besonders stark verwurzelt, hier gibt es die meisten Minen, und der Arbeitskampf ist gewaltig. Die Regierung hatte zunächst 300 Polizisten aus Madrid hierher geschickt, dann weitere 400. Nun sind schon mehr als 1000 Angehörige der Nationalpolizei in Asturien, neben der Zivilgarde. Sie versuchen unseren Widerstand zu brechen.

Denn wenn wir BergarbeiterInnen demonstrieren, bauen wir Barrikaden und kämpfen mit unseren Leben. Wir haben keine Angst zu sterben. Hoffentlich kopieren uns andere Menschen und nehmen uns als Beispiel. Nicht nur dieses ganze Land sondern die ganze Welt muss sich bewegen.

Interview: Cynthia Lub (Clase contra Clase) und Wladek Flakin (Revolutionäre Internationalistische Organisation)

Eine kürzere Version dieses Interviews erschein in der jungen Welt vom 26. Juli

Quelle: https://linksunten.indymedia.org/de/node/64526

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Die «Brunen»* wollen an den Steg

Seit Jahren treffen sich Neonazis im August auf dem Rütli. Die Antifa Bern hat schon oft darüber berichtet.

Dieses Mal scheint es, als hätte die serbelnde Pnos endgültig ihre Vorherrschaft in der rechtsextremen Szene verloren. Es war absehbar, dass die PNOS, nachdem sich das einzige Parlamentsmitglied freiwillig aus dem Stadtrat zurückgezogen hat und sich die Hälfte der lokalen Sektionen auflöste, nicht mehr die Kraft hat, alleine diesen Aufmarsch zu organisieren.

Nun mobilisiert die PNOS zusammen mit verschiedensten Kleinstgruppen, die ihr in den letzten Jahren noch ohne eigene Ansprüche gefolgt sind – und zu denen sie zumindest öffentlich und offiziell stets einen gewissen Abstand gehalten hat. Wohl hat die Partei damit den parlamentarischen Weg endgültig verlassen. Mit ihrer Bündnisstrategie wollen die vertretenen Gruppierungen der ganzen Naziszene neuen Schwung geben. Denn: Die Aktivitäten der Neonazis sind seit den Aufsehen erregenden Ereignissen um die Jahrtausendwende stark rückgängig.

Einzige Ausnahme ist der Kanton Genf, in welchem an diesem Samstag, dem 28. Juli, ein grössere rechtsextreme Veranstaltung stattfinden soll. Dies nur wenige Wochen, nachdem ein Mitglied der veranstaltenden Organisation einen Musiker, der an der «Fête de la musique» in Genf auftrat, mit einem Messer attackierte und verletzte.

Ein Grund für den Schwund der rechtsextremen Szene dürfte der Kurs der SVP sein. Er deckt sich in vielen realpolitischen Fragen mit demjenigen der Neonazis. In der SVP ist die Chance zudem viel grösser, ein Amt zu erhaschen, und für die Kampagnen steht unendlich viel mehr Geld zur Verfügung. Man sollte lediglich seine Äusserungen etwas demokratisch kaschieren, was gar nicht so einfach zu sein scheint.

Spannend wird, wie sich die Hammerskinorganisation Crew38 und die Blood&Honour-Naziskins begegnen werden, gab es doch vor einigen Jahren oftmals auch handgreifliche Auseinandersetzungen zwischen den beiden Gruppierungen.

Daneben dürfte es einen Konflikt zwischen den «Heimattreuen Patrioten» – so das Motto des Aufmarsches – und der Heimatbewegung geben, welche eine Redimensionierung der Schweiz zu einer alemanischen Eidgenossenschaft fordert und die Romands und Tessiner an Frankreich beziehungsweise Italien abtreten will.

Antifa Bern

*Die Veranstalter wollen sich, gemäss ihrem Plakat, in «Brunen» am Schiffsteg treffen.

PS: In Genf findet diesen Samstag als Reaktion auf die geplante Neonazi-Veranstaltung ein Antifa-Fest statt: http://ch.indymedia.org/fr/2012/07/86988.shtml

Solidarisieren wir uns mit den Antifas aus Genf!

Quelle: http://ch.indymedia.org/de/2012/07/87061.shtml

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Ausgangssperre aufheben – Asylgesetz abschaffen!!!

Am 13ten Juni entschied der Nationalrat, neben anderen unzähligen Verschärfungen, dass sämtliche Asylsuchende von Anfang ihres Aufenthalts in der Schweiz an im Nothilferegime zu führen sind. Das heisst, neben 10Franken Coop- / oder Migrosgutschein, einem Bett (oft unter der Erde -> Zivilschutzbunker…) und Krankenversicherung, gibt es nichts. Die Menschen dürfen weder Arbeiten, noch zur Schule gehen., und oft werden Reisebeschränkungen auf einzelne Kantone, oder gar Gemeinden auferlegt.
(Menschen mit Negativentscheid -”abgewiesene Asylsuchende”- leben schon seit einigen Jahren unter diesen unmenschlichen Bedingungen.)
vor etwa 2 Wochen mussten wir erfahren, dass -seit Jahren das erste Mal wieder- ein Ausschaffungsflug in den Kongo durchgeführt wurde. (unter anderem ein über 55 jähriger Mensch, der etwa 10 Jahre in der Schweiz gelebt hat.)
Gut eine Woche später erzählt Polizeikommandant Henseler in der NLZ, es wirke bedrohend, wenn gleichzeitig 60 Menschen aus Nordafrika unter dem KKLdach Schutz suchen würden. In einem solchen Fall sei es sinnvoll, Rayonverbote auszusprechen.
Und gleichzeitig – dies der vorübergehend tragische Höhepunkt der Schweizer Fremdenfeindlichkeit – gibt es Kollektivstrafen gegen Asylbewerbende. Da beim Luzernfest Taschendiebe aus Nordafrika erwischt worden seien, tritt ab dem Montag dieser Woche bei sämtlichen Asylzentren des Kantons eine Ausgangssperre für alle BewohnerInnen in Kraft. Ab 22 Uhr haben die InsassInnen wieder in den Bunkern zu sein. Tun sie das jedoch nicht, wird ihnen das  Essensgeld (160 Fr. im Monat -> 5.50 im Tag) gekürzt.
Dieser Zustand – diese Gesetze und deren Verschärfungen sind absolut unmenschlich!
und müssen JETZT bekämpft werden!
ZEIGEN WIR, DASS WIR MIT DIESER POLITIK NICHT
EINVERSTANDEN SIND!
ES IST ALLERHÖCHSTE ZEIT, IM HIER UND JETZT WAS
ZU ÄNDERN!!!

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Turbulente Szenen vor Asylzentrum

Mehrere Asylsuchende haben lautstark gegen die Lebensbedingungen in der Zivilschutzanlage Hochfeld im Berner Längassquartier protestiert. Brenzlig wurde es vorübergehend, als die Polizei ausrückte und für Ordnung sorgen wollte. Verschiedene Bewohner hatten geplant, ihre Matratzen aus der unterirdischen Zivilschutzanlage zu holen und ins Freie zu bringen, wie Jacqueline Kalbermatter vom Komitee gegen Fremdenhetze und Asylbusiness vor den Medien sagte. Das Komitee hatte zu einer Medienkonferenz vor der Unterkunft gerufen.

Geplant war, die Unterkunft zu bestreiken, sagte Kalbermatter weiter. Doch die Asylsuchenden seien von der Zentrumsleitung aufgehalten worden, als sie die Matratzen hinausbringen wollten. Dann sei die Polizei alarmiert worden. Beim Eingang der Unterkunft kam es daraufhin zu turbulenten Szenen; es waren auch lautstarke Diskussionen zu hören. Einer der Polizisten sagte vor den Anwesenden, der Zutritt zur Unterkunft sei nur für die Bewohner gestatten.

Mit Liedern protestiert

Alle anderen würden Hausfriedensbruch begehen, wenn sie in die Anlage gelangten. Die Polizei sperrte entsprechend den Zugang zur Unterkunft ab. Die Bewohner verzichteten vorerst darauf, Matratzen ins Freie zu bringen und versammelten sich vor der Unterkunft, um mit Liedern gegen ihre Situation zu protestieren. Die Medienkonferenz des Komitees gegen Fremdenhetze und Asylbusiness konnte nach der Aufruhr doch noch stattfinden. Auf Anfrage wollte die Leiterin des kantonalen Migrationsdienstes, Iris Rivas, noch keine Stellung nehmen.

Seit längerem protestieren verschiedene Organisationen wie das Bleiberecht-Kollektiv gegen die Lebensbedingungen in der unterirdischen Zivilschutzanlage Hochfeld. Unter anderem seien die Platzverhältnisse prekär und für die Kinder sei die Situation besonders schwierig.

Quelle: www.tagesanzeiger.chhttp://www.tagesanzeiger.ch/panorama/vermischtes/Turbulente-Szenen-vor-Asylzentrum/story/18080957

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Auf der Mülldeponie des fiktiven Kapitals

1.

In den letzten drei Jahrzehnten hat sich das Gesicht des Kapitalismus vor allem in einer Hinsicht dramatisch verändert: noch nie in seiner Geschichte hatte der Finanzsektor auch nur ansatzweise das Gewicht innerhalb der Gesamtwirtschaft, wie in der gegenwärtigen Epoche. In den 1970er Jahren waren Derivate noch so gut wie unbekannt. Heute liegt das Gesamtvolumen allein dieses neuen Typs von Finanzmarktprodukten nach Schätzungen der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich bei 600 Billionen Dollar und erreicht damit ungefähr das Fünzehnfache der weltweiten Summe der Bruttoinlandsprodukte. Im Jahr 2011 belief sich der tägliche Umsatz auf den Weltdevisenmärkten auf 4,7 Billionen Dollar. Weniger als 1 Prozent ging auf Transaktionen auf den Gütermärkten zurück. Der Kauf und Verkauf von Aktien, Schuldtiteln und anderen Zahlungsversprechen ist ins Zentrum der Kapitalakkumulation gerückt und die „Realwirtschaft“ ist zu einem bloßen Anhängsel der „Finanzindustrie“ geworden.

Spätestens seit das Platzen der US-Immobilienblase die rasanteste Talfahrt der Weltwirtschaft seit 1930 auslöste, wird diese Entwicklung von allen Seiten vehement beklagt. Die Aufblähung des Finanzüberbaus soll für die Malaise verantwortlich sein. Nach dem Crash von 2008 richtete sich der Zorn vor allem gegen Banken und andere private Finanzmarktakteure, die, wie es hieß, in ihrer „Profitgeilheit“ risikoblind geworden seien. Mittlerweile hat sich der Fokus zur Staatsschuldenkrise hin verschoben und es stehen nun verstärkt die angeblich verschwendungssüchtigen staatlichen Kreditnehmer am Pranger. Die Grundvorstellung aber ist hier wie dort die gleiche: Alles träumt von der Rückkehr zu einem „gesunden“, auf „ehrlicher Arbeit“ gegründeten Kapitalismus, einem Kapitalismus, in dem die „Realwirtschaft“ den Ton angibt und die Finanzwirtschaft jene nachgeordnete, dienende Rolle spielt, die ihr die volkswirtschaftlichen Lehrbücher andichten.

Gerade in der Krise treten die Widersprüche und Verrücktheiten des Kapitalismus schärfer denn je hervor. Das herrschende Denken jedoch will davon nichts wissen und redet nur von angeblichen „Fehlentwicklungen“ und „spekulativen Übertreibungen“ in einer besonderen Abteilung des Systems. Das aber kommt nicht nur einem Generalfreispruch für die angeblich alternativlose marktwirtschaftliche Ordnung gleich, sondern verbindet sich reibungslos mit einer Personifizierung der gesellschaftlichen Übel, die den „Bankern“ und „Spekulanten“ – wenn nicht gleich „der amerikanischen Ostküste“ – angelastet werden. Die überall grassierende einseitige Kritik am Spekulationskapital und an den sich immer höher türmenden Schuldenbergen ist aber nicht nur ideologisch verquer bis gemeingefährlich, sie stellt gleichzeitig den realen ökonomischen Zusammenhang auf den Kopf. Dass die manifesten Krisenschübe von der Finanzsphäre ihren Ausgang nehmen, heißt in keiner Weise, dass dort die grundlegenden strukturellen Krisenursachen zu suchen sind.

Die Verwechslung von Auslöser und Ursache ist keine Erfindung unserer Tage Schon 1857 beim ersten großen Weltmarktcrash, machten solche Pseudoerklärungen die Runde. Ein gewisser Karl Marx spottete damals: „Wenn Spekulation gegen Ende einer bestimmten Handelsperiode als unmittelbarer Vorläufer des Zusammenbruchs auftritt, sollte man nicht vergessen, daß die Spekulation selbst in den vorausgehenden Phasen der Periode erzeugt worden ist und daher selbst ein Resultat und eine Erscheinung und nicht den letzten Grund und das Wesen darstellt. Die politischen Ökonomen, die vorgeben, die regelmäßigen Zuckungen von Industrie und Handel durch Spekulation zu erklären, ähneln der jetzt ausgestorbenen Schule von Naturphilosophen, die das Fieber als den wahren Grund aller Krankheiten ansehen.” (MEW 12, S. 336f.)

2.

Die kapitalistische Produktion verfolgt nur einen Zweck: die Verwandlung von Geld in mehr Geld. Kommt dem Kapital die Aussicht auf Verwertung abhanden, hört es auf Kapital zu sein. Deshalb ist das kapitalistische System zur Expansion verurteilt. Es muss sich immer neue Verwertungsfelder erschließen, immer mehr lebendige Arbeit einsaugen und immer höhere Warenberge auftürmen. Schon im 19. Jahrhundert kam es immer wieder zu Unterbrechungen dieses Ausdehnungsprozesses. Gemessen an den aufgehäuften Massen von Kapital herrschte periodisch Mangel an profitablen „realwirtschaftlichen“ Anlagemöglichkeiten. So oft sich solche Überakkumulationskrisen anbahnten, drängte verstärkt Kapital in den Finanzüberbau, wo es sich eine zeitlang als „fiktives Kapital“ (Marx), also durch die Akkumulation von monetären Ansprüchen, vermehren konnte. Erst wo diese Kapitalvermehrung ohne Verwertung an ihre Grenzen stieß, kam es dann zu manifesten Krisenschüben.

Im Krisenprozess unserer Tage wiederholt sich dieses Grundmuster – allerdings in ganz neuen Dimensionen. Schon die zeitliche Dauer spricht Bände. Einst ein kurzfristiges, höchstens ein bis zwei Jahre währendes Phänomen am Vorabend der zyklischen Kriseneinbrüche, ist die Vermehrung des fiktiven Kapitals zum Hauptmerkmal einer ganzen Epoche geworden. Seit den frühen 1980er Jahren nimmt die Gesamtmasse an auf den Finanzmärkten gehandelten Eigentumstiteln ununterbrochen und exponentiell zu. Zwar wechselten die primären Träger dieser Dynamik mehrfach (Staatsanleihen, Aktien, Hypothekenkredite, Derivate etc.), doch stets bildete die „Finanzindustrie“ das Zentrum, von dem die globale Kapitalvermehrung abhing. Das kommt nicht von ungefähr. Anders als in früheren Stadien kapitalistischer Entwicklung ist das Ausweichen in den Finanzüberbau in den letzten dreißig Jahren nicht mehr das Resultat eines nur vorübergehenden Fehlens ausreichender realwirtschaftlicher Verwertungsmöglichkeiten. Vielmehr ist seit dem Ende des fordistischen Nachkriegsbooms eine selbsttragende realwirtschaftliche Akkumulation ein für allemal unmöglich geworden. Denn der enorme Produktivitätssprung im Gefolge der dritten industriellen Revolution führte zur massenhaften Verdrängung von Arbeitskraft aus den wertproduktiven Sektoren und damit zum Abschmelzen der einzigen Grundlage der Wertverwertung: der Vernutzung lebendiger Arbeitskraft in der Warenproduktion. Deshalb kann die globale Akkumulationsbewegung schon seit Jahrzehnten nur weiterlaufen, weil die Finanzsphäre über die fortwährende Erzeugung neuer monetärer Ansprüche zum zentralen Motor der Kapitalvermehrung geworden ist. Gerät dieser finanzindustrielle „Produktionsprozess“ ins Stocken, ist ein katastrophaler Absturz der Weltwirtschaft unvermeidbar.

3.

Im gängigen Börsenjargon ist immer wieder die Rede davon, in Wertpapierkursen seien Erwartungen „eingepreist“ und es würde an den Finanzmärkten mit der „Zukunft“ gehandelt. In solchen Formeln scheint – wenn auch unbegriffen – das Grundgeheimnis des heutigen Kapitalismus auf. Bei der Schaffung von Eigentumstiteln geschieht etwas Verrücktes, das in der Welt der realen Güter, des sinnlich-stofflichen Reichtums, völlig undenkbar ist. Sinnlich-stofflicher Reichtum, muss vor seiner Nutzung erst einmal vorhanden sein. Noch nie hat beispielsweise ein Mensch auf einem Stuhl Platz genommen, dessen Herstellung erst geplant war. Beim finanzindustriellen Reichtum ist diese zeitliche Logik auf den Kopf gestellt. Noch gar nicht geschaffener Wert, Wert der möglicherweise nie entstehen wird, verwandelt sich vorab schon in Kapital – in fiktives Kapital. Bei jedem Ankauf von Staatspapieren und Unternehmensanleihen, bei jeder Aktienemission und Schaffung neuer Derivate wird ein in den Händen des Käufers befindliches Geldkapital gegen ein Zahlungsversprechen getauscht. Der Käufer lässt sich auf dieses Geschäft in der Erwartung ein, dass ihm die Einlösung des Zahlungsversprechens später mehr Geld einbringt, als er jetzt für dessen Ankauf an den Verkäufer weggibt. Diese Perspektive macht das Zahlungsversprechen zur aktuellen Gestalt seines Kapitals.

Für die gesamtkapitalistische Reichtumsbilanz ist aber weniger die Einlösung der springende Punkt, als vielmehr eine für den Zeitraum zwischen Ausgabe und Einlösung des Eigentumstitels charakteristische Merkwürdigkeit. Solange dieses Zahlungsversprechen gültig und glaubwürdig bleibt, tritt es als Zusatzkapital neben das Ausgangskapital. Das Kapital verdoppelt sich also durch die bloße Schaffung eines verbrieften monetären Anspruchs. Und dieses Zusatzkapital existiert keineswegs nur auf dem Papier als Bilanzposten des Geldkapitalisten, sondern führt ein selbstständiges Leben. In der Gestalt des Eigentumstitels zirkuliert es auf dem Markt und geht genauso in den Wirtschafts- und Verwertungskreislauf ein wie das tatsächlicher Verwertung entstammende Geldkapital. Nicht anders als dieses kann es für den Kauf von Konsumgütern ebenso verausgabt werden wie für Investitionen. Seine Herkunft sieht man ihm nicht an.

4.

Im Zeitalter der dritten industriellen Revolution kann der Kapitalismus nur überleben, soweit es ihm gelingt, in immer größerem Ausmaß zukünftigen Wert in die Gegenwart zu pumpen. Deshalb sind die Finanzmarktprodukte inzwischen zum mit Abstand wichtigsten Warentypus geworden. Nur die Verwandlung des Kapitalismus in ein auf der Vorwegnahme von Wert beruhendes System hat ihm in den letzten drei Jahrzehnten einen neuen Entwicklungsspielraum verschafft, obwohl die Wertbasis permanent schrumpft. Doch die finanzindustrielle Expansion stößt zunehmend an ihre Grenzen. Keinesfalls ist die „Ressource Zukunft“ so unerschöpflich wie es scheinen mag. Logisch ergibt sich dies daraus, dass die Akkumulation von fiktivem Kapital durch finanzindustrielle Spiegelungen gegenüber der auf Wertproduktion beruhenden Kapitalakkumulation einige Besonderheiten aufweist. Eine wurde schon genannt: Die begrenzte Lebensdauer dieser Art von Kapitalvermehrung. Mit der Einlösung von Eigentumstiteln (der Tilgung eines Kredits, der Fälligkeit eines Futures etc.) verschwindet auch das durch sie repräsentierte fiktive Zusatzkapital wieder im Orkus. Dieses muss erst einmal durch neue Eigentumstitel ersetzt werden, bevor es zu einer Expansion kommen kann. Daher kann die Produktion von Eigentumstiteln die Rolle des Ersatzmotors für den kapitalistischen Gesamtbetrieb nur ausfüllen, wenn der Ausstoß dieser Art von Waren sehr viel schneller wächst als die Produktion in den realwirtschaftlichen Schlüsselbranchen früherer Epochen. Sie unterliegt einem potenzierten Wachstumszwang, weil sie nicht nur immer wieder frischen künftigen Wert vorabkapitalisieren, sondern auch noch rastlos Ersatz für die auslaufende vergangene Wertantizipation schaffen muss. Dass sich das fiktive Kapital jahrzehntelang explosionsartig vermehrt hat, war also keine Fehlentwicklung, die sich zurückdrehen ließe; für einen Kapitalismus, der auf dem Vorgriff auf künftige Wertproduktion beruht, war es systemnotwendig.

Je schwerer die Last der schon vorab verbrauchten kapitalistischen Zukunft aber wird, desto schwerer fällt es auch die Dynamik der fiktiven Kapitalschöpfung in Gang zu halten. Das gilt umso mehr, als das Ansaugen zukünftigen Werts nur dann funktioniert, wenn die angebotenen Eigentumstitel sich auf realwirtschaftliche Hoffnungsträger beziehen, die zukünftigen Gewinn versprechen. Unter den Reaganomics waren dies vornehmlich US-Staatsanleihen, in Zeiten der New Economy Aktien von Internet-Unternehmen und in den Nullerjahren die scheinbar endlos steigenden Immobilienpreise. Fehlen aber solche Hoffnungsträger, stößt der auf der beständigen Neueinspeisung künftigen Werts beruhende Kapitalismus an seine Schranke.

Dieser kritische Punkt ist inzwischen erreicht. Zwar ging auch nach dem Einbruch von 2008 die Expansion der finanzindustriellen Produktion weiter; aber diese Dynamik wird nicht mehr von privatwirtschaftlichen Gewinnhoffnungen in irgendwelchen Wachstumssektoren getragen, sondern von den staatlichen Haushalten und den Zentralbanken. Im Bemühen, den augenblicklichen Kollaps des Finanzsystems zu verhindern, hat die öffentliche Hand als traditionell verlässlichster aller Schuldner die Altlasten übernommen. Noch einen Schritt weiter sind die Zentralbanken gegangen. Sie gewähren nicht nur den Geschäftsbanken in einem historisch beispiellosen Umfang Kredite zu faktischen Nullzinsen, sondern fungieren außerdem noch als „Bad Banks“, als Sondermülldeponien der verbrannten kapitalistischen Zukunft. Zum einen akzeptieren sie als Sicherheit bei ihrer Kreditvergabe auf dem Markt nicht mehr absetzbare Eigentumstitel, zum anderen kaufen sie zur Refinanzierung der öffentlichen Hand Anleihen ihrer eigenen Staaten an. Der Krisenprozess lässt sich mit solchen Maßnahmen auf Dauer selbstverständlich nicht stoppen, er wird nur verlagert und gewinnt eine neue Qualität.

5.

Für die längerfristige Entwicklung ist die Mutation der Zentralbanken zu „Bad Banks“ entscheidend. Denn die Währungshüter können zwar durch den Aufkauf notleidender Eigentumstitel die Dynamik fiktiver Kapitalschöpfung einstweilen aufrechterhalten, aber nur, indem sie ein riesiges Inflationspotential aufstauen. Die Entwertung des fiktiven Kapitals muss früher oder später auch in den USA und Europa in eine Entwertung des Geldmediums umschlagen. In China deutet sich dieser Prozess bereits an.

Prägender für die augenblickliche Situation ist freilich der paradoxe Doppelkurs aus Sparpolitik und Verschuldung, den die Regierungen der führenden kapitalistischen Länder eingeschlagen haben. Um Kreditwürdigkeit zu demonstrieren und sich auf den Finanzmärkten frisches Geld besorgen zu können, werden massive Sparanstrengungen für die Zukunft beschlossen. Bezeichnend dafür ist die in Deutschland mitten im Krisenjahr 2009 von allen großen Parteien beschlossene „Schuldenbremse“ ab 2016, die inzwischen nach halb Europa exportiert wurde. Es ist jetzt schon klar, dass sie zum gegebenen Zeitpunkt wieder ausgebaut oder „vorübergehend ausgesetzt“ wird, ähnlich wie im letztjährigen US-Budgetstreit, weil alles andere wirtschaftlich katastrophale Konsequenzen hätte. Vorerst aber beruhigt die Ankündigung die Gemüter an den Finanzmärkten und in der aufgescheuchten Öffentlichkeit und trägt so dazu bei, dass Deutschland seine Schuldner-Bestnote behält und neue Kredite zu günstige Konditionen aufnehmen kann.

Trotzdem bleibt die proklamierte Politik des Schuldenstopps keinesfalls folgenlos. Der Sparwille wird nämlich demonstrativ an den Teilen der Gesellschaft exekutiert, die als „nicht-systemrelevant“ eingestuft werden. Ihnen wird noch das letzte Butterbrot genommen, nicht um damit die Schulden zu bezahlen, sondern damit die öffentliche Hand gegenüber den Geld- und Kapitalmärkten ein bisschen länger den Schein der Kreditwürdigkeit aufrechterhalten kann. Genau das macht auch den zynischen Charakter der aktuellen Sparprogramme vor allem in den südlichen Eurostaaten und Irland aus. Nur damit der Euro-Raum noch eine Weile die Rückzahlfähigkeit seiner Schulden simulieren kann, wird die Masse der Bevölkerung ins Elend getrieben.

6.

Wie dieses Verelendungsprogramm legitimiert wird, ist allgemein bekannt. Der griechischen Rentnerin kratzen die Sparideologen das spärliche Mahl vom Teller, weil die Gesellschaft angeblich „über ihre Verhältnisse“ gelebt habe. Der Aberwitz dieser Begründung übersteigt noch deren Unverschämtheit. Sie stellt das Grundproblem auf den Kopf, vor dem die Weltgesellschaft heute steht. Denn diese Gesellschaft lebt schon lange quantitativ und qualitativ weit unterhalb der Verhältnisse, die bei einer vernünftigen Anwendung der Produktivitätspotentiale, die der Kapitalismus selbst hervorgebracht hat, möglich wären. Längst schon könnte mit weniger als fünf Stunden produktiver Tätigkeit pro Woche und Person ein Reichtum produziert werden, der allen – und zwar wirklich allen – Menschen auf dieser Welt ein gutes Leben erlauben würde; und dies ohne die natürlichen Lebensgrundlagen zu zerstören. Dass diese Möglichkeit nicht längst verwirklicht wurde, liegt einfach daran, dass unter kapitalistischen Bedingungen aller Güterreichtum nur eine Daseinsberechtigung hat, wenn er sich dem Zweck der Kapitalvermehrung unterordnet und als abstrakter Reichtum darstellen lässt.

Mit der dritten industriellen Revolution aber hat die Gesellschaft eine Schwelle erreicht, an der sie zu produktiv für den armseligen Selbstzweck der Wertverwertung geworden ist. Nur der beständig erweiterte Vorgriff auf künftige Wertproduktion, die Vorabkapitalisierung von Wert, der nie produziert werden wird, hat drei Jahrzehntelang die Aufrechterhaltung der kapitalistischen Dynamik ermöglicht. Diese verrückte Aufschubstrategie steckt jedoch inzwischen selbst in einer heillosen Krise. Das ist aber weder ein Grund, den „Gürtel enger zu schnallen“ noch in den regressiven Phantasien eines „gesunden“, auf „ehrlicher Arbeit“ gegründeten Kapitalismus zu schwelgen. Eine emanzipatorische Bewegung gegen „Sparpolitik“ und repressive Krisenverwaltung muss vielmehr darauf zielen, die zwangsweise Kopplung von stofflicher Reichtumsproduktion und Wertproduktion ganz bewusst zu kappen. Es gilt, die Frage der „Finanzierbarkeit“ offensiv durchzustreichen. Ob Wohnungen gebaut, Krankenhäuser betrieben, Nahrungsmittel produziert oder Bahnlinien unterhalten werden, darf nicht davon abhängen, ob die nötige „Kaufkraft“ vorhanden ist. Kriterium dafür kann einzig und allein die Befriedigung konkreter Bedürfnisse sein. Wenn Ressourcen stillgelegt werden sollen, weil „das Geld fehlt“, müssen diese eben angeeignet und in bewusster Frontstellung gegen die fetischistische Logik der Warenproduktion transformiert und betrieben werden. Ein gutes Leben für alle kann es nur jenseits der abstrakten Reichtumsform geben.

1 Der Text fasst grundlegende Thesen des Buches der beiden Autoren zusammen, das soeben im Unrast-Verlag erschienen ist: Die große Entwertung. Warum Spekulation und Staatsverschuldung nicht die Ursachen der Krise sind,

Quelle: http://www.trend.infopartisan.net/trd5612/t615612.html

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Was will der Staatsschutz? – Anna und Arthur halten’s Maul!

Beim Staatsschutz die Fresse halten –
Bei Anquatschversuchen das Maul aufreissen!

Im Kanton Aargau ist der Staatsschutz eine Abteilung der Kantonspolizei, fachlich direkt dem Polizeikommandanten und administrativ dem Abteilungschef der Kriminalpolizei unterstellt. Er erfüllt jedoch mit der «Extremismus-Prävention» eine «Bundesaufgabe» und ist somit gegenüber dem Bund rechenschaftspflichtig. Im Aargau sind es nach unserem Wissen noch zwei Polizisten, die diesen Job ausüben: Herr Rolf Urech, Leiter dieser Abteilung und Herr Roth. Thomas Erismann, in der Vergangenheit häufiger in Erscheinung getreten, ist seit zwei Jahren nicht mehr in der Abteilung Staatsschutz tätig, geht jedoch als Fahnder weiterhin in zivil als Kantonspolizist seiner Arbeit nach.

Schon in Zeiten, als der Verein für alternative Kultur in Aarau (fak aarau) aktiv war, war das der Staatsschutz ebenso. In diesen Jahren (2002 bis ca. 2005) stach vor allem Herr Urech als engagierter Beamter hervor. Schon damals wurden Personen aus dem Umfeld des fak aarau jeweils vor anstehenden Aktionen wie Demonstrationen, Konzerte etc. angerufen, um so an Informationen heranzukommen. Schon damals versuchte der Staatschutz mit einer Einladung zu einem Kaffee oder einer Pizza etwas länger mit Personen über die «Szene» zu plaudern. Zu einem solchen Treffen kam es jedoch glücklicherweise nie.

Im Jahr 2007 tauchte das erste Mal Thomas Erismann in der Öffentlichkeit auf. Während der «Reclaim the Streets»-Strassenparty in Lenzburg (Aufgrund der Verhinderung des «Think’n’Move»-Festivals im Tommasini) war auch Herr Erismann vor Ort. Ab diesen Zeitpunkt, tauchte dieser dann häufiger auf.

Im Rahmen der Hausbesetzungen und anderen Aktionen der Gruppe Klaustrophobia in den Jahren 2008 bis 2009 kam es dann auch wieder häufiger zu Kontakt mit dem Staatsschutz, sei es durch Vorladungen oder Hausbesuche. Anbei ein kleiner und unvollständiger Überblicke der letzten Jahren:

Im April 2008 fand in Wöschnau SO eine Platzsauvage statt. Vorher besammelte mensch sich jedoch im Aarauer Graben, wo vereinzelt Personenkontrollen durchgeführt worden sind. Ein paar Tage später klingelte das Telefon bei der Mutter des noch minderjährigen Kurt, der Staatsschutz wolle vorbei kommen. Dieser kam dann auch in Gestalt von Herr Urech, Chef des Staatsschutzes des Kantons Aargau. Urech redete beinahe unermüdlich, dass Kurt nun am Rande der «linksextremen Szene» sei und er keine «geordneten Bahnen» verlassen dürfe, weil sonst schlimmeres passiere. Nebenbei wollte er unbedingt Infos, mit wem Kurt da gewesen sei, wen er sonst kenne und ob er wisse, wer die Sauvage organisiert hätte. Ohne verwertbare Infos zog Urech nach einer knappen halben Stunde wieder ab.

Am 13. Juni 2009 hätte es zu einer Nazi-Demo der «Freien Nationalen Kameradschaft Schweiz-Germania» kommen sollen. Ursprünglich hat die Stadtpolizei die Demo bewilligt, auf Drängen der Kantonspolizei wurde die Bewilligung jedoch wieder zurückgezogen. Jedenfalls waren einige Antifaschist_innen in Aarau unterwegs. So wurde Franz angehalten und da er anscheinend in der lokalen Hausbesetzer-Szene unterwegs sei, vorläufig festgenommen. Im Polizeigewahrsam tauchte dann Thomas Erismann auf, welcher Franz dann auch befragte. Aus der Fragestellung liess sich lesen, dass der Staatsschutz wissen wollte, wie tief Franz in der «Szene» sei. Nebenbei bot Erismann Fr. 1000.– für Hinweise bezüglich der Urheber_innen der Sprayerei auf dem Sandstein am Grossratsgebäude. Franz gab nur sehr ausweichend Antworten und wurde so mit einer Wegweisung wieder entlassen.

Am Sonntag, 15. August 2009 wurde das kurz zuvor besetzte Haus an der Melligerstrasse 33 in Baden wieder verlassen. Als Alvin etwa 150 Meter vom Haus entfernt war, wurde er von hinten mit seinem Nachnamen angesprochen. Staatsschützer Erismann wollte ein wenig plaudern und lud Alvin auf eine Pizza ein. Der hungrige Alvin liess sich aufs Pizza-Essen ein, sprach ansonsten jedoch nicht mit Erismann, der sich für den Bezug von Alvin zum besetzten Haus interessierte. Ebenfalls wollte er wissen, was für eine Gruppe das Haus besetzt hat.

Im darauffolgenden Monat erhielten drei Personen eine Vorladung des Staatsschutzes. Der angegebene Grund, war die davor stattgefundene und nach einem Tag abgebrochenen Hüttensiedlung im Aarauer Schachen. Aufgrund welcher Kriterien diese drei Personen eine Vorladung erhielten blieb unklar. Quentin war zu diesem Zeitpunkt schon gar nicht im Lande und erschien so gar nicht bei Herr Erismann. Romolus folgte der Vorladung und plauderte auch mit dem Staatsschützer, da diese Person die Bedeutung und Auswirkung eines solchen Gespräches nicht wirklich kannte. Und auch die aktiven Besetzer_innen erfuhren erst später von der Vorladung und dem Gespräch von Romolus. Die dritte Person, Tim, erschien ebenfalls beim Staatsschutz, war aber nicht gesprächsbereit und musste sich so nur ein paar mahnende Worte vom besorgten Herr Erismann anhören.

Für den Samstag, 5. Dezember 2009 wurde ein Knastspaziergang für Philipp und Ivo, die damals in Untersuchungshaft sassen, angekündigt. Rund 30 mutmassliche Demonstrant_innen wurden am Bahnhof von Robo-Cops gekesselt und mit dem Zug zurück nach Bern gebracht. 40 Menschen gelang es währenddessen, Philipp und Ivo solidarisch zu grüssen. Erschreckende Szenen spielten sich jedoch in der Bahnhofsunterführung ab: Der sichtlich nervöse und überforderte Thomas Erismann verhaftete mehrere Menschen indem er ihnen den Nachnamen entgegenbrüllte und eine Schusswaffe auf diese Personen richtete.

Mitte April 2011 wurde Lena beim Klebern erwischt. Der doch recht ansehnliche Stapel Aufkleber wurde konfisziert und laut dem Streifenpolizisten nach Aarau zum Staatsschutz geschickt. Nach einigen Tagen rief dann einer der drei Staatsschützer an und sprach Lena auf die Aufkleber an. Diese wollte jedoch nicht mit dem Polizisten sprechen. Obwohl der Staatsschützer sagte, dass Lena einen grossen Fehler mache und sie sie abholen würden, wenn sie nicht spreche, beendete Lena das Telefonat bestimmt durch Auflegen des Telefons. Konsequenzen hatte dies keine.

In den letzten Jahren tauchte dann ein weiterer Staatsschützer immer häufiger in Erscheinung. So war Herr Roth an der 1.-Mai-Demo 2010 in der Stadt unterwegs, um sich ein Bild des revolutionären Blocks zu machen oder auch an der letzten Nacht-Tanz-Demo (Dezember 2011) oder dem Knastspaziergang für Marco Camenisch in Lenzburg (April 2012) schlich er umher. Aber auch bereits während den Knastspaziergängen für Ivo und Philipp war er vor Ort. Carlos, der für eine Personalien-Überprüfung auf den Posten mitgenommen wurde, drohte Roth mit den Worten «wenn du so weiter machst, bist du der nächste der hier [im Knast] sitzt.».

Das dies nicht einfach Märchen und Geschichten aus früheren Zeiten sind, beweist der Staatsschutz gleich selber, indem er immer noch versucht, einige Personen anzurufen um so Infos über vergangene oder kommende Veranstaltungen zu erhalten.

Am Donnerstag, 12. April bekamen zwei Menschen aus der Region Aarau-Olten einen Anruf von Herr Urech. Dieser wollte über die letzte Nacht-Tanz-Demo in Aarau plaudern, wollte wissen, was am 1. Mai 2012 in Aarau geplant ist und was das am Samstag genau für eine Veranstaltung im Kulturzentrum Bremgarten KuZeB sei [Antifa-Soli-Day mit Workshop, Film, Küfa/Vokü und Konzerten]. Es wurde ausweichend geantwortet und sich schnell wieder von Seiten der Angerufenen verabschiedet. Noch am gleichen Tag klingelte das Telefon in der alten Kleiderfabrik in Bremgarten. Werner Jappert, Stellvertretender Chef der Regionalpolizei Bremgarten erkundigte sich auf Geheiss des Staatsschutzes über den Antifa-Soli-Tag. Einen Tag später erkundigte er sich noch einmal, ob denn wirklich keine Aktivitäten draussen geplant seien und wie viele Menschen erwartet würden, ob keine Angst vor Nazis vorhanden wäre und wie die Situation deswegen eingeschätzt wird. Er schloss damit ab, dass er nicht hoffe, dass das KuZeB jetzt in die «Staatenfeindlichkeit» abrutsche und erwähnte schon fast beiläufig, dass der Staatsschutz vor Ort sein werde. Tatsächlich wurden am Abend dann noch drei doch sehr auffällige Männer weggewiesen und am nächsten Mittag versuchte auch noch einer sein Glück, welcher jedoch auch nicht hereingelassen wurde.

Wiederum klingelte am 27. Juni bei drei Menschen das Mobiltelefon und Herr Urech wollte etwas plaudern. Die eine Person, Magdalena wusste von nichts und konnte/wollte dem Staatsschützer keine Angaben zu eventuellen Aktivitäten der Antifa Aarau bezüglich «Frei.Wild» und dem anstehenden «Nächtlichen Tanzvergnügen 2.0» geben. Jakob nahm das klingende Telefon gar nicht erst ab. Besonders interessant ist, dass der Staatsschutz jetzt schon versucht, via Juso Infos zu beschaffen: So wurde uns über Umwege zugetragen, dass Herr Urech versuchte, telefonisch bei einem Jungsozialisten an Infos zur Antifa Aarau und möglichen Gegenaktivitäten zum «Frei.Wild»-Konzert am Heitere-Openair zu gelangen. Herr Urech soll jedoch auch beim Juso auf keinerlei relevanten Informationen gestossen sein.

Wir wollen mit diesem Text, das herrschende Schweigen bei Staatsschutz-Tätigkeiten durchbrechen. Wir hoffen, mit diesem Statement zu einem sichereren und vor allem offeneren Umgang mit Repression beizutragen. Niemand von uns ist alleine, egal ob er_sie verhaftet, kontrolliert, misshandelt, überwacht, ausgequetscht, erpresst, eingeschüchtert oder auch nur angesprochen wird. Macht Anquatsch-Versuche öffentlich und meldet euch bei lokalen Antirep-Gruppen! Zeigt auf, was Staatsschutz und Co. wollen und helft so anderen dabei, sich zu wehren. Macht keine Aussagen gegenüber Staatsschutz, anderen Polizist_innen oder Staatsanwaltschaft und unterschreibt auch nichts! Lasst euch nicht auf (Telefon-)Gespräche mit dem Staatsschutz ein! Räumt euer Zimmer wieder mal auf und informiert euch über eure Rechte. Dies schützt euch und eure Freund_innen.

Es bleibt dabei: Anna und Arthur halten’s Maul!
Unsere Solidarität gegen ihre Repression!

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