Kapitalismus tötet. Über Hunger und die Spekulation mit Nahrungsmitteln

Welchen zivilisatorischen Stand hat die Gattung Mensch erreicht, wenn im Juli 2011 rund um den Globus rund eine Milliarde Menschen hungern? Innerhalb von nur knapp drei Jahren hat sich die Anzahl der hungernden Menschen verdoppelt und dabei handelt es sich um Hunderte von Millionen an Tragödien mit Tränen, Trauer, Leid und ganz individuellem Siechtum bis zu einem einsamen, qualvollen Tod. Wir können versuchen uns rauszureden, indem wir auf Weltklima, lokales Wetter, die Frage der Verteilung von Weide- und Ackerland, auf Stammeskonflikte usw. als alleinige Ursachen verweisen.

Aber das ist eine Mär und nur die halbe Wahrheit: All das sind zwar Faktoren, die eine wichtige Rolle spielen, gewiß, aber sie sind nicht alleine entscheidend für Tod und Elend rund um den Globus. Und selbst zu diesen Ursachen hat die sog. westliche Zivilisation einen erklecklichen Teil beigetragen, zunächst einmal in historischer Hinsicht: Jahrhundertelang haben die europäischen Länder den afrikanischen Kontinent im Würgegriff gehalten, ihn er- und ausgepresst durch Menschen- und Rohstoffraub sowie die verschiedenen Ethnien gegeneinander ausgespielt, aufgehetzt und bewaffnet. Diese Methoden werden bis heute angewandt, auch wenn sie im Laufe der Zeit teils subtiler wurden. Die europäischen Nationalstaaten maßten es sich damals an, Grenzen für Länder und Gesellschaften zu ziehen, die den Gedanken teilweise absurd fanden, sich in staatlichen Strukturen zu organisieren und sich jenseits ihres Stammesverbandes zu bewegen und “nationale” Identifikationen zu bilden.

Koloniales Erbe und Nation Building

Der englische Anthropologe John Reader: “Die zivilisierte Art des friedlichen Zusammenlebens in kleinen Gesellschaften ohne Staatenbildung, die nachweislich in Afrika vor dem Beginn äußerer Einflüsse existierte, ist ein wesentlicher afrikanischer Beitrag zur Menschheitsgeschichte.” 1

Das Nation Building in Europa im vorvergangenen Jahrhundert fand auf einem Kontinent mit 70 Sprachen statt und führte doch zu etlichen Kriegen mit Dutzenden Millionen von Toten. Es erfolgte in der Regel eine Grenzziehung anhand sprachlicher Identitäten, die Europa über Jahrhunderte in Reinform aber gar nicht kannte. In Afrika hingegen geht man von rund 2000 Sprachen im weiteren Sinne aus.

Die Gliederung Afrikas nach der sog. “Kongo-Akte” der Berliner Konferenz (1885)

Heute bemächtigen sich somalische Clans im Kampf um die Vorherrschaft der Hilfslieferungen für die hungernden ethnischen Minderheiten im Süden des Landes und setzen den Hunger gezielt als Waffe ein. Sie leugnen sogar die Existenz der Hungersnot und verbitten sich eine internationale Einmischung 2. Eine Kausalität zu Europa besteht insofern, als Zentral- und Ostafrika 1885 auf der sog. Kongo-Konferenz zwischen den Kolonialländern aufgeteilt und damit auch Territorien entlang europäischer Interessenssphären zu Hoheitsgebieten zusammengepresst wurden, um diese aus einer zentralistisch-europäischen Sicht besser beherrschen und ausnehmen zu können. Damals wurde zwischen dem italienischen Somaliland und dem britischen Ostafrika (inzwischen: Kenia) die bis heute gültige Grenze gezogen, über die jetzt die Menschen aus Somalia nach Kenia flüchten.

Es ist nicht primär die Dürre, es ist zunächst auch nicht die Frage entscheidend, ob der Boden von Viehzüchtern oder Bauern genutzt wird. Der Hunger dort steht mit unserem System hier in einem reziproken Verhältnis. Dieses Verhältnis ist in Bezug auf die Dürre insofern evident, als dass die westlichen Industrienationen – bedingt durch die rund 200jährige Industrialisierung – bereits in den vergangenen 100 Jahren eine messbare Erderwärmung verursacht haben, die in bestimmten Regionen mehr und mehr zu sinkenden Niederschlägen und Dürren führt.

Alltäglicher Tod und Finanzkapitalismus

Auch ohne die aktuelle Hungersnot in Ostafrika sterben weltweit jeden Tag zwischen 25.000 und 30.000 Menschen den Hungertod. Es sind die Opfer eines nachgerade perversen Systems, dessen täglicher Blutzoll gleichsam. Bis 2008 war die Anzahl der Hunger leidenden Menschen kontinuierlich rückläufig gewesen und das Millenniumsziel der UNO, die Anzahl der Hungernden zwischen 1990 und 2015 zu halbieren, schien nicht ganz unrealistisch zu sein.

Als 2008 der exzessive Finanzkapitalismus in die sog. Immobilien- und Finanzkrise mündete, suchten die großen Anleger ein neues Betätigungsfeld für ihr Kapital: Die Spekulation mit Agrarrohstoffen und Nahrungsmitteln 3 stieg rasant an. Phasenweise sind täglich rund eine Milliarde US-Dollar zusätzlich in den Rohstoffmarkt geflossen, so wird von Experten geschätzt. Da das Angebot an Waren gleich bleibt und auch nicht durch kurzfristige Maßnahmen gesteigert werden kann, gehen die Preise den Marktgesetzen folgend nach oben: Innerhalb von sieben Monaten stieg der Weizenpreis an der Chicagoer Warenbörse von 200 US-Dollar je Tonne auf 360 Dollar im Februar 2011 an, eine Steigerung von 80 Prozent innerhalb eines guten halben Jahres.

Menschen in den sog. Entwicklungsländern, die ihr Einkommen zu einem überwiegenden Teil für Nahrungsmittel ausgeben müssen, spüren dies besonders deutlich. In bestimmten Regionen führt diese profitgierige Preistreiberei fast zwangsläufig zu Katastrophen, wenn die periodisch wiederkehrenden Dürren nicht kompensiert werden können durch Zukäufe vom Weltmarkt. So stieg etwa der Maispreis im Süden Somalias an der Grenze zu Kenia innerhalb eines Jahres um 260 Prozent, weil die Nachfrage auf Grund des fast vollständigen Ausfalls der regionalen Ernte zusätzlich weit über das normale Maß hinaus verstärkt wurde.

Diesen Missernten, die das östliche Afrika seit Langem kennt, kann auch nicht mehr damit begegnet werden, dass die Länder eine ausgeprägte Lagerhaltung betreiben. Wegen künstlich stimulierter hoher Preise, deren Druck durch eine extreme Überschuldung verstärkt wird, können diese Länder sich eine Vorratshaltung schlicht nicht mehr leisten. Auch internationale Hilfsorganisation beklagen sich über die exorbitant hohen Lebensmittelpreise auf dem Weltmarkt, wenn diese ihre Hilfslieferungen einkaufen müssen. Große Anbauflächen in der sog. “Dritten Welt” entfallen dadurch, dass seit einigen Jahren multinationale Konzerne mit europäischen Auftraggebern große Flächen nutzen, um Pflanzen zur Energieerzeugung anzubauen 4 oder reichere Länder dort sogar Flächen erwerben.

Lediglich drei Prozent der Geschäfte an den Rohstoffbörsen haben noch einen realen Hintergrund, sprich: ein Händler kauft Ware auf und lässt sich diese auch in ein Lagerhaus liefern und verarbeitet oder verkauft diese von dort aus. Alles andere sind inzwischen spekulative und optionale Geschäfte. Bei einem Mindesteinsatz von 100.000 Euro versprechen und realisierten Rohstoffonds eine jährliche Dividende von fantastischen 18 Prozent. Es besteht ein kausaler Link zwischen dem Profit hier und dem Tod dort.

“Chancenkontinent Afrika”

Die UNO warnt schon seit Monaten vor der sich zuspitzenden Situation in Ostafrika: 12 Millionen Menschen sind dort derzeit akut vom Hungertod bedroht. Kanzlerin Angela Merkel tourte vor zwei Wochen durch Afrika, fädelte dabei allerlei Waffendeals ein und fabulierte vom “Chancenkontinent Afrika”. Die deutsche Regierung jedoch, immerhin getragen von einer Partei mit dem Begriff “christlich” im Namen, speist Ostafrika insgesamt mit 30 Millionen Euro ab. Die Summe entspricht gerade einmal drei Prozent der von der UNO geschätzten notwendigen Hilfe.

Dabei wurde erst durch öffentlichen Druck die Hungerhilfe für Ostafrika von einer auf 30 Millionen Euro erhöht. Im Verhältnis zu den “Milliarden für die Rettung der Banken und angesichts der Not der Menschen in Ostafrika ist dies nicht mehr als eine symbolische Hilfe”, kritisiert Heike Hänsel von der LINKEN Bundestagsfraktion.

Selbst dieser Betrag steht in keinem Verhältnis zur ökonomischen Potenz Deutschlands, zumal die Bundesregierung erst vor einigen Tagen verkündete, den libyschen Rebellen kurzerhand einen Kredit von 100 Millionen Euro zu gewähren – vermutlich für illegale Waffenkäufe in Frankreich oder der Schweiz. Man muss sich nachgerade schämen für eine solche Regierung.

Jean Ziegler bilanziert mittel- und langfristig: “Es kommt nicht darauf an, den Menschen in der Dritten Welt mehr zu geben, sondern ihnen weniger zu stehlen.” 6

Anmerkungen

1 Lutz van Dijk: Die Geschichte Afrikas. Frankfurt/Main 2004. S. 16.
2 Frankfurter Rundschau vom 26.07.2011
3 Sahra Wagenknecht und Niema Movassat, MdB der Fraktion DIE LINKE: Spekulationen auf Nahrungsmittel verbieten (Video); Zahlen: Monitor: Wetten auf Nahrung (pdf-Datei)
4 Hintergrund I/2011: Palmöl – Die indonesische Tragödie. In diesem Artikel wird der Fokus zwar nicht auf die Frage eines konkurrierenden Anbaus von Energiepflanzen für den Export versus Nahrungsmitteln für die einheimische Bevölkerung behandelt, so doch die rechtlichen Rahmenbedingungen sowie die sozialen, ökonomischen und ökologischen Folgen der Energiepflanzen gut dargestellt. Matthias Berninger, der GRÜNE Staatssekretär im Landwirtschafts- und Verbraucherschutzministerium, sprach übrigens 2005 in Bezug auf Agrardiesel von der “grünen Zapfsäule”. In: Berliner Zeitung vom 09.09.2005.
5 Dieses Phänomen wird Land Grabbing genannt. Vgl. den Eintrag in: de.wikipedia.org
6 Jean Ziegler: Das Imperium der Schande. München 2005 (Umschlagsseite); Vgl. a. Jean Ziegler: Nicht gehaltene Rede zur Eröffnung der Salzburger Festspiele, 24.07.2011 (Süddeutsche Zeitung)

via: http://www.trueten.de/permalink/Kapitalismus-toetet.-UEber-Hunger-und-die-Spekulation-mit-Nahrungsmitteln.html

Posted in Aus aller Welt, News | Tagged , , , , , , | Leave a comment

Oskar Bluntschli

Im Herbst 2011 werden die eidgenössischen Räte neu gewählt. Die SVP will mit einer gegen Ausländerinnen und Ausländer gerichteten Propaganda die 30 Prozent-Hürde knacken. Ihre Inserate und Plakate prägen im Spätsommer und Herbst die öffentliche Wahrnehmung. Unzählige Menschen in der Schweiz fühlen sich durch diese Propaganda belästigt.

Die IG Oskar Bluntschli ruft Kulturschaffende zur öffentlichen Intervention auf. Gegen die rechtspopulistische Belästigung. Mit Gestaltung, Musik, Kunst und Texten. Dort, wo du lebst und arbeitest. Und im Internet unter

www.oskarbluntschli.ch

Oskars Ziel: Den Rechtspopulisten im Herbst den Wahlsieg versalzen. Dazu müssen möglichst viele an die Urne bewegt werden – auch die, die normalerweise nicht wählen gehen.

Mache mit!*** Unterstütze Oskar mit einem eigenen Beitrag! ***Unterschreibe für Oskar!*** Leite diesen Aufruf und Link deinen Freundinnen und Freunden weiter!*** Geh am 23. Oktober wählen!

Posted in News, Schweiz | Leave a comment

Neoliberale Kurpfuscher wüten weiter

Von Elmar Altvater

Fünf Gründe, warum den internationalen Ratingagenturen die Lizenz entzogen werden muss.

Die «neuen Meister des Kapitals»: So bezeichnete der britische Politökonom Timothy Sinclair die Ratingagenturen, die die international gehandelten Wertpapiere bewerten. Sie sind wie Zirkusdompteure: Vor den Augen der Weltöffentlichkeit lassen sie Regierungen souveräner Staaten nach ihrer Peitsche tanzen. Sie setzen deren Kreditwürdigkeit herunter. Die Zinsen steigen, die BürgerInnen zahlen. Und die Banken füllen sich die Taschen.

Letzten Monat hatte Brüssel mit den Regierungen der Eurozone und dem Internationalen Währungsfonds ein neues Hilfspaket für den Schuldenstaat Griechenland beschlossen. Die Banken versprachen, sich freiwillig daran zu beteiligen, von den GriechInnen wurde als Bedingung eine Senkung ihres Lebensstandards um rund ein Viertel erzwungen. Keine drei Tage später liess Standard & Poor, eine der drei grossen Ratingagenturen, verlauten, dass ein freiwilliger Forderungsverzicht der Banken so freiwillig gar nicht sei – und deshalb als Insolvenz Griechenlands gewertet werden müsse.

Kurz, Griechenland sei pleite und die internationale Anstrengung für die Katz. Diese Unverfrorenheit hat selbst Bundeskanzlerin Angela Merkel aus der Fassung gebracht.

Die zweite grosse Ratingagentur, Moody’s, kam vor Wochenfrist wie in einer konzertierten Aktion aus der Deckung und wertete Portugal auf den Pleitestatus ab. Die dritte grosse Agentur des «Trio Infernale» («Der Spiegel»), Fitch, hatte bereits zuvor Portugals Kreditwürdigkeit auf fast null heruntergestuft.

So hatte sich das der neoliberale Vordenker Friedrich von Hayek schon vor mehr als einem halben Jahrhundert ausgedacht: Die Sachzwänge des Marktes seien gegen den Staat zu stählen, so der Ökonom. Besonders wirksam sind die Sachzwänge, wenn sich die Politik dazu verpflichtet, dem Urteil von Marktagenturen zu folgen. So akzeptiert die Europäische Zentralbank Anleihen eines Eurostaates als Sicherheit für die Auszahlung von Liquidität nur dann, wenn diese von einer Agentur positiv bewertet worden sind.

Die Politik unterwirft sich privaten Mächten. Und diese sind keineswegs neutral. Erstens wirtschaften die Ratingagenturen profitorientiert als kapitalistische Grossunternehmen. Und setzen damit Milliarden um. Allein das disqualifiziert sie als neutrale Richter. Zweitens arbeiten sie im Auftrag und auf Kosten der Banken, deren Papiere sie bewerten. Dieses anrüchige Insidergeschäft war mitverantwortlich für die Finanzkrise 2008. Die Ratingagenturen hatten Bestnoten an die windigsten und kompliziertesten Finanzprodukte erteilt, die sich bald als faul herausstellten. Die guten Ratings hatten überall in der Welt KäuferInnen dazu veranlasst, sich auf Märkten mit Papieren einzudecken, von deren Funktionsweise und Qualität sie keine Ahnung hatten. So sind die «Subprime»-Immobilien-Papiere aus den USA in die Tresore der sächsischen Landesbank gelangt.

Drittens sind die Kriterien und Verfahren, mit denen die Agenturen zu ihren Ratings gelangen, vollkommen intransparent. Die gerade erst mit dreifachem A geadelten, kunstvoll zusammengesetzten Finanzprodukte wurden im Verlauf der Finanzkrise auf Schrottstatus abgewertet. Die Agenturen schwammen mit dem Strom. Für die Weltwirtschaft war dieses prozyklische Verhalten fatal. Die Finanzkrise wurde damit noch zusätzlich verstärkt.

Allerdings hat das prozyklische Rating tatsächlich mit einem fundamentalen Problem zu tun: Die Kreditwürdigkeit einer Bank, eines privaten Unternehmens oder eines Staats hängt auch von Faktoren ab, die in der Zukunft liegen. Ob ein Kredit künftig ordentlich bedient werden kann, ist ungewiss, das Rating der Kreditwürdigkeit steht entsprechend auf wackeligen Füssen. Deshalb haben die wirren Änderungen des Ratings der Kreditnehmer einen tatsächlichen Grund, der die eklatanten Fehler und Manipulationen der Ratingagenturen entschuldigt.

Viertens sind Ratingagenturen mit dem internationalen Bankensystem verbandelt – und verhelfen diesem zusätzlich zu Profiten: Je schlechter das Rating, desto grösser das Risiko des Zahlungsausfalls. Somit kann der Risikoaufschlag auf den Zins und folglich die Rendite der Kreditgeber angehoben werden. Griechenland muss derzeit einen zweistelligen Zinssatz – rund zehn Prozent mehr als Deutschland – zahlen. Das ist die Garantie, dass ein hoch verschuldetes Land niemals aus den Schulden herauskommen kann. Die Staatspleite wird zum einzigen Ausweg.

Fünftens spielen die Ratingagenturen auch Geopolitik. Mit ihren Länderratings beeinflussen sie nicht nur den Wert der Staatsanleihen, sondern indirekt auch den Kurs der Währungen. Wenn der Euro schwächelt, erholt sich der US-Dollar. Und somit kann der Dollar weiterhin die Funktion als Währung spielen, in der die Ölrechnung bezahlt wird. Für die USA ist die Bezahlung in ihrer Währung zentral.

Die Ratingagenturen üben Funktionen eines Souveräns aus, ohne souverän zu sein. Sie gehören zur Gilde der neoliberalen Kurpfuscher. Ihnen muss die Lizenz entzogen werden.

Der Autor ist Ökonom und emeritierter Professor für Politikwissenschaft der Freien Universität Berlin.

Quelle: WOZ

Posted in Aus aller Welt, News | Leave a comment

Ein Gespräch mit einem ägyptischen Aktivisten

Quelle: http://uprising.blogsport.de/2011/08/01/ein-gespraech-mit-einem-aegyptischen-aktivisten/#more-625
Die ägyptische Revolution wurde von einer heranwachsenden Jugend getragen. Doch nur wenige Monate nach den turbulenten Geschehnissen im Frühjahr sind ihre Rufe bereits verhallt. Was ist aus ihnen geworden und was wollen sie nun, wo Mubarak aus dem Amt geworfen wurde? Um diesen Fragen nachzuspüren, trafen die Geschichts-Studenten Anton Lenz und Matthias Schultheiss den ägyptischen Aktivisten Mohammed in Alexandria.

Auf den Schultern eines stämmigen Ägypters sitzend, brüllt Mohammed eine der Parolen in das Megaphon in seiner Hand, wie sie 18 Tage lang in ganz Ägypten zu hören waren: „Irhal ya Mubarak – Verschwinde, Mubarak!“. Der Slogan wird von Tausenden von Ägyptern aufgegriffen, die mit ihm zusammen durch Alexandria ziehen. Das war am 25. Januar, am Anfang der ägyptischen Revolution.
Mohammed ist 22 Jahre alt und stolz auf dieses und weitere Videos, die er uns auf seinem Laptop zeigt. Wir sitzen in dem kürzlich eröffneten Zentrum der „Jugend für Gerechtigkeit und Freiheit“ in Alexandria, deren örtlicher Vorsitzender er ist. Die Bewegung, wie er sie nennt, gab es bereits vor der Revolution. Doch nie hatte sie so viele Anhänger und nie zuvor genossen diese so viele Freiheiten. In jeder größeren ägyptischen Stadt seien sie nun vertreten, sagt uns Mohammed.

Und tatsächlich, während wir sprechen, betreten immer wieder junge Ägypter und Ägypterinnen das frisch gestrichene und mit zahlreichen Stühlen bestückte Zentrum, setzen sich kurz zu uns, hören Mohammed zu, wie er uns von den politisch-linken Forderungen der Jugendgruppe erzählt, ergänzen ihn, und verschwinden wieder geschäftig in einen der anderen Räume. Für diese Art von Austausch hätten sie das Zentrum gegründet. Die Miete teilen sie unter den knapp 50 ständigen Mitgliedern auf.
Die Entfaltung dieser Jugendgruppe reiht sich damit in einen Politisierungsprozess ein, der ganz Ägypten erfasst hat. Die Politik hat den Fußball als wichtigstes Gesprächsthema in den Straßen und Cafes abgelöst. So berichtete Aljazeera kürzlich, dass knapp 80 Parteien dabei seien, ihre Zulassung für die Parlamentswahlen im September diesen Jahres zu beantragen. Bis zur Wahl könnten es 100 werden.

Aber sobald wir auf das zusprechen kommen, was Ägypten bevorsteht, verfinstert sich Mohammeds Miene. „Sie sind dabei, uns die Revolution zu rauben“, sagt er uns, und meint damit das ägyptische Militär. Seiner Meinung nach ist das Militär Teil des alten System unter Mubarak. Deshalb sei die Revolution bei Weitem noch nicht zu Ende, denn was brächten die errungenen Freiheiten, wenn sich an der sozialen Ungleichheit im Land bisher kaum etwas geändert hat. Immerhin wäre dies neben Freiheit und dem Rücktritt Mubaraks die wichtigste Forderung der Demonstranten gewesen. Weiterhin lebe ein Fünftel der Ägypter unterhalb der Armutsgrenze, ein weiteres Fünftel nur knapp darüber. Die „Jugend für Gerechtigkeit und Freiheit“ setze sich deshalb zunächst für mehr soziale Gerechtigkeit ein, wie es der Name der Jugendgruppe bereits nahe legt, und erst danach für Freiheit.

Ihre Forderungen vermischen sich mit genereller Kapitalismuskritik. Mohammed nennt sich Sozialist, seine politischen Ziele, wie ein Kündigungsschutz oder eine verbesserte soziale Absicherung, stehen dabei aber nicht grundsätzlich im Widerspruch zu einer sozialen Marktwirtschaft. Wir fragen ihn, was er von der aktuellen Debatte in Ägypten halte, ob zuerst die Verfassung verändert oder das Parlament gewählt werden solle. „Die Armen zuerst“, so sein kurzes aber klares Statement.

Solange das Militär nicht in einen Dialog mit der Jugend Ägyptens trete, werde sich nichts verändern. Schließlich seien 50 Prozent der Ägypter unter 35 Jahre alt. Um dieser Gruppe eine stärkere Stimme in der Politik zu geben, solle zum Beispiel das Mindestalter von Parlamentariern von 30 auf 25 Jahre herunter gesetzt werden. Denn auch wenn die linken Gruppierungen im Vergleich zu den Muslimbrüdern oder den Liberalen relativ schwach seien, ist sich Mohammed sicher, dass die Mehrheit der ägyptischen Jugend eigentlich die Ziele der Linken gut heiße – lediglich das politische Konzept dahinter sei ihnen fremd.

Dann wendet sich Mohammed wieder seinem Laptop zu und zeigt uns weitere Videos und Fotos von den Geschehnissen im Januar und Februar. Wir sehen lachende Gesichter, die ägyptische Fahne auf die Wangen gemalt. Riesige Menschenmengen feiern ausgelassen Mubaraks Rücktritt. Auch Mohammeds Gesicht hellt sich wieder auf.

Posted in Arbeitskampf, Aus aller Welt, News | Tagged , , , , , | 1 Comment

30.7. Basel: Kein Fussbreit den Faschisten!

Claraplatz (Basel), 30.7.11 14:00

Das Attentat des nationalkonservativen Anders Behring Breivik in Norwegen schockierte Menschen auf der ganzen Welt. Mindestens 76 Menschen verloren dabei ihr Leben. Bedauerlicherweise stufen die Medien dieses Massaker als Tat eines verwirrten und grausamen Einzeltäters ein. Doch sie muss im Zusammenhang von Gesellschaft und Politik betrachtet werden. Schliesslich bezog sich der Täter in seinem Manif…est auf erschiedene rechte Parteien und Persönlichkeiten Europas. Sie bildeten den ideologischen Nährboden für das Massaker!

Rechtsrutsch in Europa

In Europa fallen immer mehr Wahlen und Abstimmungen zugunsten von rechten und faschistischen Parteien aus. In verschiedenen europäischen Staaten gibt es faschistische Übergriffe und Verfolgungen durch uniformierte und militärisch organisierte Kampfgruppen. Rechtspolitiker wie Greet Wilders von der niederländischen PVV oder Rechtspopulisten wie Thilo Sarrazin erhalten europaweit Zuspruch. Die Parteien und Organisationen am rechten Rand vernetzen sich zunehmend, um besser länderübergreifend agieren zu können.

Rechte Politik in der Schweiz
Die rechten schweizer Parteien mit ihrer offen fremdenfeindlichen und antisozialen Propaganda sind ein Vorbild für rechte Kräfte in ganz Europa. Verschiedene rechte Gruppierungen – unter anderem die faschistische NPD in Deutschland – verwenden die gleichen Bilder und ähnliche Plakate für ihre Hetze. Die zunehmende Verarmung der breiten Bevölkerung wird von den Parteien oft mit der Zuwanderung erklärt. So verschafft das Spiel mit der Angst vor dem Fremden den Rechtspopulisten immer wieder Aufwind in Wahlen und Abstimmungen wie zum Beispiel beim Minarettverbot.

Spaltung der Arbeitenden
Die SVP als Partei, welche in Wahrheit die Interessen der Wirtschaftsmächtigen vertritt, versucht den Reichtum ihrer Lobby auf Kosten der Arbeitenden zu erhöhen. Dazu verdecken sie den eigentlichen Verteilungskampf zwischen den Besitzenden der Produktionsmittel und den Arbeitenden, und schüren stattdessen die Existenzangst und den Sozialneid zwischen denjenigen, die sowieso schon wenig haben. Fremdenfeindlichkeit wird so zum Mittel des Klassenkampfes von oben. Bei der zunehmenden Fremdenfeindlichkeit kann man die Schuld nicht einzelnen Gruppierungen zuweisen. Das Zusammenspiel aus Politik und Medien, vor dem Hintergrund der Verschlechterung der Arbeits- und Lebensbedingungen der letzten Jahre, ergibt jedoch eine explosive Mischung, die ein Klima der Angst schafft, und Gewaltausbrüche wie diesen in Norwegen begünstigen.

Für Rassismus, Nationalismus und Fremdenfeindlichkeit ist kein Platz und wir leisten aktiv Widerstand dagegen. Wir stehen ein für eine Welt in der die Arbeitenden und die Besitzenden der Produktionsmittel die selben sind, in der Herkunft, Religion und Aussehen keine Rolle spielen.

Stoppen wir den Wahnsinn bevor er noch weitere Opfer fordert!

Weg mit dem Konstrukt von Nation und Rasse
Für uns gibt es nur eins Klasse gegen Klasse!

Unterstützende: Bir-Kar, IDHF, IGIF, Neue PdA Basel, Revolutionärer Aufbau Basel, Revolutionäres Proletariat, Unia Jugend Nordwestschweiz, Young Struggle und Einzelpersonen

Posted in Antifa, Schweiz, Veranstaltungen | Tagged , , , , , | Leave a comment

Solidarität für Silvia, Billy und Costa

Solidarität für Silvia, Billy und Costa

In der Nacht vom 26.7.11 auf den 27.7.11 wurde in solidarität für Silvia, Billy und Costa der Bullenposten in Ebikon mit der Aufschrift “Freiheit für Silvia, Billy und Costa” verschönert

Im April 2010 wurden Silvia, Billy und Costa in der nähe von Zürich verhaftet. Ihnen wurd vorgeworfen gegen die Baustelle eines Nanotechnologie-Forschungs-Zentrum (IBM) einen Anschlag geplant zu haben. IBM als multinationale amerikanische Pionierin der Nanotechnologie, will durch die Miniaturisierung elektronischer Komponenten auf der nanometrischen Skala neue Schlachtfelder für den Kapitalismus ergründen.
Am 22.Juli 2011 wurden Silvia, Billy und Costa zu 3.4-3.8 Jahren Haft verurteilt. Dieses Urteil nehmen wir nicht einfach so hin.

WIR WERDEN KEINE RUHE GEBEN, BIS WIR OHNE KNÄSTE LEBEN!
FREIHEIT FÜR SILVIA, BILLY UND COSTA!
FREIHEIT FÜR ALLE GEFANGENEN!

Quelle: http://ch.indymedia.org/de/2011/07/82712.shtml

Posted in Luzern, News, Ökologie | Tagged , , , , , | Leave a comment

Der Attentäter und die Hassblogger

Er schrieb in rechten Blogs und war Mitglied bei den Rechtspopulisten: Der Mörder von Norwegen kam nicht aus dem “Nichts”, sondern aus der Szene der europäischen Multikulti-Hasser und Islamfeinde. Die beeilen sich nun zu versichern, dass Anders Breivik etwas falsch verstanden haben muss.

Als sich über die Medien die Nachricht über das grauenhafte Massaker auf der norwegischen Insel Utøya verbreitete, wurde schnell klar, dass der Täter wohl aus dem anti-islamistischen, stramm nationalistischen Lager kam. Seit Jahren hatte er seine publizistischen Spuren in etlichen einschlägigen Blogs und auf Web-Angeboten hinterlassen. Die Betreiber entsprechender Angebote gingen prompt zur Verteidigungshaltung über. Man distanzierte sich – nicht in der nationalistischen, anti-islamistischen Sache, wohlgemerkt, aber in Bezug auf die Wahl der Methoden.

Anders Behring Breivik, so die Botschaft, war wohl Anhänger der rechten Sache, hatte da aber etwas falsch verstanden. Bomben und Massenmord, so die Argumentation, gehörten nicht zum Instrumentarium, das man nutzen wolle, um die westliche Welt von Muslimen und überhaupt allem Andersartigen, von den “Multikulturisten” und “Kultur-Marxisten” zu befreien. Nationalisten und Christen, argumentierte da ein rechter Blogger, mordeten per definitionem keine Kinder, “schon gar nicht Kinder der eigenen Rasse”.

Das deutsche Polit-Blog Politically Incorrect, vom Verfassungsschutz als nicht rechtsradikal eingestuft, weil es pro-amerikanisch und pro-israelisch sei, berichtete über die Anschläge unter der Schlagzeile “Fall Anders B. eine konservative Katastrophe”. Das Massaker sei eine verheerende Katastrophe, die über Norwegen hereingebrochen sei. Den Angehörigen der Opfer gelte “unser Mitgefühl”. Klingt nach Unglück, Naturkatastrophe, Unfall – für so etwas kann gemeinhin keiner was, und im konkreten Fall sowieso nur der Täter selbst.

Eine “konservative Katastrophe” ist das Massaker für die rechten Blogger aber, weil die Verwechslungsgefahr so groß ist: Wo immer sich Breivik in der Szene schriftlich äußerte in den letzten Jahren, fiel er nicht als Fremdkörper auf. “Was er schreibt”, ist auch bei Politically Incorrect zu lesen, “sind großenteils Dinge, die auch in diesem Forum stehen könnten. (…) Ob Breivik an einer psychischen Krankheit leidet, die seither schlimmer geworden ist, entzieht sich unserer Kenntnis.”

Breiviks Ideologie hat Wurzeln

Auch bei Document.no, wo Breivik über Monate den direkten Kontakt und Austausch mit Verleger Hans Rustad suchte und rund 75 Beiträge postete, bemühen sich die Autoren, eine Grenze zwischen sich und Breivik zu ziehen. In Anbetracht der großen ideologischen Schnittmengen ist das offenbar nicht immer ganz einfach. Dass Breivik dort bereits am 8. September 2009 erstmals, und dann noch zweimal explizit sein nun in Umlauf gebrachtes Pamphlet angekündigt hatte, macht die Sache auch nicht leichter.

Zumal Anders Behring Breivik durchaus nicht der alleinige Autor dieses Konvolutes ist, das unter dem Titel ” 2083 – A European Declaration of Indepence ” nun im Sinne des Wortes zum Kreuzzug gegen den Islam in Europa aufruft. Hunderte von Seiten wurden von anderen rechten Bloggern verfasst, Breivik hat sie aus ihren Blogs kopiert. Dutzende Kapitel seiner Kampfschrift erschienen in den letzten Jahren in Blogs wie Gates of Vienna (GoV – “Tore von Wien”) oder The Brussels Journal, die zu seinen meistzitierten Quellen zählen. Breivik selbst bezeichnete die Ideologie, der er folge, als die “Vienna-Denkschule” – eine direkte Referenz an das GoV-Blog.

Eine andere Form rechter Radikalität

Es ist eine seltsame Szene, die ihren Ausdruck in solchen Blogs findet und in der sich Breivik bewegte: tatsächlich pro-westlich und ausgesprochen pro-amerikanisch, Israel freundlich zugetan, dagegen aber deutlich anti-muslimisch, aggressiv christlich und “wehrhaft”, “mono-kultistisch” und offen feindlich gegen alles, das liberal, links, “Multi-Kulti” und “internationalistisch” ist. Nazis verabscheut diese “patriotisch-nationalistische” Szene dabei, Sympathien und informelle Kontakte pflegt man hingegen mit der US-amerikanischen Tea-Party-Bewegung, zur FPÖ, aber auch in die rechte Fußball-Fan-Kultur der “Casuals” – und zur britischen “English Defence League” (EDL).

Die gilt zwar als militant und ultrarechts, kooperiert aber auch schon mal mit der unter Terrorverdacht stehenden Jewish Defence League (JDL) – undenkbar bei der “Konkurrenz” aus dem Neonazi-Lager. Das geht bis zu gemeinsamen Veranstaltungen und Demonstrationen. Die Allianzen in dieser Szene sind so überraschend wie eindeutig: Hauptsache, es geht gegen Muslime.

Die, so eine der zentralen Thesen, die die Autoren und Wortführer der Szene vertreten, seien gerade dabei, Europa durch eine Form des “demografischen Dschihad” zu übernehmen. Mit Statistiken, historischen Referenzen und gewagten Hochrechnungen liefern die Wortführer der Szene dem rechten Bodensatz und den rechtspopulistischen Multiplikatoren intellektuell klingende Begründungen für den radikalen Fremdenhass. Die Szene ist bestens vernetzt und breitet sich rapide aus: Breivik selbst will in den letzten Jahren am Aufbau eines norwegischen EDL-Ablegers mitgearbeitet haben, der Norwegian Defence League NDL.

Die distanzierte sich am Sonntag genauso von Breivik, wie dies die EDL tat, für die Breivik als “Berater” gearbeitet haben will: “Nur um das klar zu machen, niemand aus der Leitungsebene der EDL hat sich je mit diesem Idioten getroffen, mit ihm gesprochen oder von ihm gehört.”

Auf der Suche nach dem Weg in den Mainstream

Denn nichts ist der Szene so wichtig, wie sich als seriöse Strömung in ganz Europa zu etablieren. Sie versteht sich als “Anti-Dschihad”, als Gegengewicht. Sie strebt in die Medien, auf die Straßen, in die Parlamente. Auch Breivik engagierte sich in Norwegens rechtspopulistischer Partei Fremskrittspartiet. Die dürfte nun über seinen frühzeitigen Ausstieg erleichtert sein.

Denn Breivik verlagerte nach eigener Aussage seine politischen Aktivitäten bereits vor rund neun Jahren ins Publizistische – und Subversive. Bereits seit mehreren Jahren verbreitete er seine Ansichten über diverse rechte Blogs. Am Samstag führte das, vor allem aber seine ideologische Nähe zum vielleicht größten Star dieser Szene, zu einem bizarren Streit: Das ebenfalls rechte Blog LittleGreenFootball (im Szenenjargon nur LGF) brachte das Gerücht in Umlauf, Anders Breivik sei niemand anderes als der szeneweit bekannte Blogger Fjordman.

Der Streit tobt noch immer. Inzwischen hat sich Fjordman, bekannt für radikale, elegant formulierte lange Essays gegen Muslime, Liberale und “Multi-Kultis”, mehrfach zu Wort gemeldet. Seitdem steht nicht mehr der Vorwurf im Raum, er selbst sei der Massenmörder von Norwegen, sondern “nur”, dass er ein Brandstifter sei – Breiviks Inspiration.

Fjordman: der intellektuelle Stichwortgeber

Gegen diesen Vorwurf gibt es fast kein Argument, dafür hat Breivik gesorgt. Bereits 2009 versuchte Breivik, dessen E-Mail-Adresse schon damals year2083@gmail.com lautete, Fjordman direkt anzusprechen, und ihn für sein damals angeblich schon 1100 Seiten starkes Hasspamphlet zu interessieren. Der war an Breivik angeblich nicht interessiert; auch, weil der “sich in nichts von all den anderen unterschied” und nichts von sich gab, das er, Fjordman, in größerer Radikalität nicht auch schon “in der Kneipe” gehört habe.

Da hat der rechte Oberblogger etwas verpasst. Fjordman, Breiviks meistzitierte Quelle überhaupt, hätte sich mit Sicherheit in dem Machwerk wiedergefunden – und zwar im Sinne des Wortes: Er ist – möglicherweise ohne sein Einverständnis – der wichtigste Co-Autor der Kampfschrift.

Denn die ist keine Monografie Breiviks, nicht der politisch-literarische Erguss eines Irren, der offenbar über Jahre einen verheerenden Mordanschlag plante, sondern eine Art Collage: “2083” besteht zu großen Teilen aus Artikeln und Essays, die Breivik aus diversen “patriotischen”, “nationalen”, “konservativen” Blogs heruntergeladen hat. Fjordman ist tatsächlich der Verfasser von mehreren hundert Seiten dieses Konvoluts – insgesamt 38 Kapitel oder Unterkapitel sind von ihm. Sie passen sich nahtlos ein in dieses “Werk”, das die Europäer zum blutigen Anti-Dschihad aufruft, bis hin zum Märtyrertum.

Und zwar im Kampf gegen die, die in der verqueren Denke des Anders Behring Breivik verantwortlich zu machen sind für die angebliche Islamisierung Europas – alle, die nicht “national” sind.
In Breiviks Worten klingt das so: “Deshalb ist es in eurem Interesse, den Brüdern (…) dabei zu helfen, die Kultur-Marxisten und Multikulturisten hier in Europa zu besiegen. Reist hierher, überweist Gelder, gebt eure moralische Unterstützung, werdet selbst zu Märtyrern in diesem Kampf.”

So wie Breivik. Allein auf Utøya erschoss er 85 junge Menschen, die in seinem kranken Denken bekämpfenswerte “Kultur-Marxisten” darstellten. Er hat Jahre der Planung in diesen Mord investiert, und mehr als das. Breivik in seinem “2083”-Geschreibsel: “Dieses Kompendium zu schaffen hat mich insgesamt 317.000 Euro gekostet (…). All das ist aber kaum spürbar im Vergleich zu den Opfern, die ich gebracht habe, um dieses Buch in Umlauf zu bringen, für die eigentliche Marketing-Aktion.”

Zwei katastrophale, kaltblütige Anschläge, insgesamt 92 Tote, Hunderte für ihr Leben traumatisierte, teils verletzte Menschen: In den Worten des Täters eine “Marketing-Aktion”.

Von Frank Patalong

Quelle: http://www.spiegel.de/netzwelt/netzpolitik/0,1518,776275,00.html

Posted in Antifa, Aus aller Welt, News | Tagged , , , , | Leave a comment

Solidarität mit und Freiheit für Billy, Silvia und Costa

Das Trauma des Leidens unter der staatlichen Repression nahm für Billy, Silvia und Costa in der Schweiz am 15. April 2010 seinen Anfang. Seit sie durch die Polizei angehalten, von der Justiz monatelang (und nach wie vor) in Untersuchungshaft gesteckt wurden und seit die medialen, politischen und wirtschaftlichen Interessenskreise ihre bürgerlichen Muskeln spielen lassen, sehen sich unsere Kumpanen mit einer kalten, isolierten und von Schikanen durchtränkten Gefängnissrealität konfrontiert. Die Quälbarkeit der Körper und der Psyche, durch den Druck der Repression und der perfiden Gewalt durch das Knastsystem, lässt sich nicht verleugnen. Wer nun aber glaubt, dass der Kampf unserer drei anarchistischen Genossen deswegen gemildert wurde, ist sich der Stärke ihrer Überzeugungen und ihres Kampfes nicht bewusst.

Ihre momentane Situation, als Geiseln der demokratischen Herrschaft, mag für sie ein Zustand der Ausnahme sein. Eine Ausnahme jedoch, welche nur eine von vielen bitteren Ausläufern innerhalb eines Klimas des „permanenten Ausnahmezustands“ (Agamben) und der inner- und ausserstaatlichen Feindproklamationen ist. Dieser Ausnahmezustand ist Ergebnis des herrschenden (Sicherheits-)Paradigmas des Regierens. Er erlaubt es der Exekutive, dass Bestehende mit allen möglichen Mitteln zu Verteidigen und die Barbarei, also den Zustand der systembedingten Ausbeutung und Gewalt, in welchem es keine Freiheit gibt, aufrecht zu erhalten und immer weiter voran zu treiben.

Dabei war die WTC-Tragödie am 11. September 2001 willkommener Anlass, um neben den militärischen Raubzügen zur Aneignung der letzten Naturressourcen und der Erschliessung neuer Märkte auch gleich die Ausschaltung der restlinken und anarchistischen Opposition gegen den Neoliberalismus ideologisch zu forcieren. Auffallend dabei ist vor allem die zunehmende Kriminalisierung der Ökologie- und Tierbefreiungsbewegung. In Anlehnung an die antikommunistische Hysterie der 50er Jahre in den USA („Red Scare“) richtet sich nun „Green Scare“ gegen alle, die sich der Plünderung der Natur und lückenloser Verwertung der zur Ware erniedrigten Tiere in den Weg stellen. Dabei gilt es zu erkennen, dass die Ausbeutung von Mensch, Tier und Natur gerade durch die totalitäre Tendenz immer neu entwickelter Technologien (wie z.B. die Nanotechnologie) und die Unterdrückung der Individualität bzw. die Gleichschaltung aller, durch die ökonomisch-technische Gewalt, massiv vorangetrieben wird.

Wie schon Herbert Marcuse herausgearbeitet hat, gibt es keine Neutralität der Technik. Die technologische Gesellschaft ist ein Herrschaftssystem, welches bereits bei der Konstruktion der Techniken wirksam wird. „Nicht erst ihre Verwendung, sondern schon die Technik ist Herrschaft (über die Natur und über den Menschen)“.

In Anbetracht des bestehenden herrschaftlichen Diskurses, ist es aus revolutionärer Perspektive eine Notwendigkeit, sich mit den drei in Bellinzona angeklagten Anarchisten zu solidarisieren. Dabei geht es weniger um ihre Positionen, für welche sie einstehen, sondern um die Tatsache, dass wir alle mit einem System konfrontiert sind, welches uns zu vereinnahmen und zu brechen versucht. Ein System, welches uns permanent mit der Hand ins Gesicht schlägt und uns immer wieder einmal in den Lauf einer Waffe schauen lässt.

Der Prozess gegen Billy, Silvia und Costa fällt zeitgleich auf den 10-jährigen Todesstag von Carlo Giuliani, welcher am 20. Juli 2001 von einer ausser Rand und Band geratenen Staatsgewalt bei den Anti-G8-Protesten in Genua ermordet wurde.

Freiheit für Billy //
Freiheit für Silvia //
Freiheit für Costa //
In Gedenken an Carlo //

Quelle: http://anarchistische-aktion-zentralschweiz.over-blog.de/article-solidaritat-mit-und-freiheit-fur-billy-silvia-und-costa-79638319.html

Posted in Antirep, News, Ökologie, Schweiz | Tagged , , , , , , , , , , | Leave a comment

Vorkomnisse 16.- 17.07-Luzern

Und wieder Mal können Sie es nicht lassen. In Luzern scheinen ein paar polizeiliche Entscheidungsträger_innen an einem ernsthaften und sehr ausgeprägtem Machtgeltungssyndrom zu leiden.

Doch lasst uns am Anfang der Geschichte beginnen: Verschiedene lose Gruppierungen, mobilisierten dieses Wochenende zur 2tägigen Sauvage „free your bunker“ , auf der luzerner Allmend. Am Freitag Abend folgten rund 400 Personen diesem Aufruf. Bis auf einen kleinen Besuch, seitens einer Polizeistreife, welche sich schnell wieder aus dem Staub machte verlief der Abend ruhig. Auf dem Nachhauseweg, wurden mehrere Personen durch die Polizei kontrolliert.
Am Samstag Nachmittag kam dann hoher Besuch auf die Allmend. Ursi „cüpli-sozi“ Stämmer (Sicherheitsdirektorin Stadt Luzern) gefolgt von Beat „Video-Experte“ Henseler (Kommadant Luzerner Polizei) schländerten duch die Naherholungszone Allmend. Bei dieser Gelegenheit liessen sie verlauten, dass die Musik nur bis 1 Uhr geduldet wird. So weit schön und gut. Die beiden Turteltäubchen machten sich dann auch bald wieder Mal aus dem Staub und es wurde Abend in der Stadt.
Rund 200 Personen waren ausgelassen am Feiern, als rund 10 Zivilpolizisten der Kriminalpolizei, dafür sorgten, dass die Musik leiser gemacht wird. Dies liess die Stimmung jedoch auch nicht wirklich senken und so ging es nun, bei ein bisschen leiserer Musik, weiter. Es wurde jedoch auch damit begonnen, die Zufahrtsstrassen ein bisschen besser im Auge zu behalten…
Dies erwies sich als eine gute Idee. Gegen 01.20Uhr tauchten nämlich mehrere Fahrzeuge des Team“blue“ auf. In voller Kampfmontur und mit Gummischrott und Schlagstock (ach ne, stimmt ja..Mehrzwcckstock) bewaffnet, stiegen rund 50 Polizisten aus ihren Karren. Überraschender Weise, fühlten sich mehrere Partygänger_innen durch diesen Auftritt leicht provoziert. So entschied mensch sich, diese Raufbolde in Blau wieder nach Hause zu schicken. Die Beamten wiedersetzten sich jedoch diesen Anweisungen und umzingelnten die beiden Soundsysteme. Leider konnten sie Eines davon relativ schnell in ihre Fahrzeuge verladen. Die Situation beim zweiten Soundsystem spitzte sich nun zu. Mensch weigerte sich dieses auszuhändigen und leistete erfolgreich Widerstand. Rund 45 Minuten später, schienen die Damen und Herren in Blau genug von ihrem öden Job gehabt zu haben oder haben die an dem Machtgelungssyndrom erkrankten Personen diesen Abend bereits genug Befriedigung erhalten? Mensch kann diese Fragen nicht genau beantworten, fest steht nur, dass den anwesenden Personen zugestanden wurde, das Soundsystem selber abzuräumen und nicht zu konfiszieren. So konnte dieses kurze Zeit später weg gebracht werden. Nun machten sich die Bullen für den Rückzug bereit. Dieser wurde dann noch durch ein paar Äste und Getränkedosen begleitet.

Nicht erst seit diesem Vorfall hört Mensch in Luzerns Gassen die Leute munkeln, dass Super Bulle Henseler (Präsident der Konferenz der kantonalen Polizeikommandanten) eins an der Waffel hat. Der Infanterie-Oberst scheint mit etwas einfach nicht so recht klar zu kommen. Viellicht kann der Hobby CVP- Politiker nicht verkraften, dass er von seiner Fraktion nicht als Regierungsratkandidat auf die Liste genommen wurde. Vielleicht muss er diese Grosseinsätze einfach immer wieder durchführen lassen, dass er nicht vergisst wie sie gehen…Da drängt sich die Frage auf, ob Herr H. Diesem Job noch gewachsen ist?
Oder ist die Ursache für all diese Kinderspiele viel simpler? Sind Beziehungsprobleme die Ursache für diese machoiden Grosseinsätze?

Fragen um Fragen.

Quelle: http://ch.indymedia.org/de/2011/07/82571.shtml

Posted in Luzern, News, Squat the world | Tagged , , , , , , , | Leave a comment

Polizei löst autonome Zone in Luzern mit Gewalt auf

Hier der Artikel aus der Neuen Luzerner Zeitung:

Nachtruhestörer attackieren Polizeikräfte

Am Wochenende fanden auf der Luzerner Allmend Partys mit lauter Musik statt. Nach erfolglosen Appellen an die Organisatoren hat die Polizei am Sonntag, kurz nach Mitternacht die Musikanlage abgestellt. Bei der Aktion wurde die Polizei massiv angegriffen.

In den Nächten von Freitag auf Samstag und Samstag auf Sonntag wurden auf der Luzerner Allmend, im Bereich der Ruinen auf dem Armeeübungsgelände Partys organisiert. Die Musik, die über eine Verstärkeranlage abgespielt wurde, verursachte in mehreren Quartieren der Gemeinden Kriens und Horw sowie in der Stadt Luzern Nachruhestörungen, wie die Luzerner Polizei am Sonntag mitteilte. Bewohner der Wyssmatt/Sternmatt (Kriens), des Gebietes Biregg (Luzern und Horw) und des Quartiers Sonnenberg/Dattenberg (Kriens) beschwerten sich sowohl in der ersten als auch in der zweiten Nacht über die laute Musik.

Keine Verletzten, aber beschädigte Polizeifahrzeuge

Während die Polizei in der ersten Nacht erfolglos versuchte, die Nachruhestörungen mit Appellen an die Organisatoren zu beseitigen, griff sie nach erneute erfolglosen Appellen am Sonntag kurz nach Mitternacht ein, stellte die Musikanlagen sicher und löste die Party auf. An den Partys nahmen in beiden Nächten je rund 120 Personen teil. Bei der Aktion wurden die Mitarbeitenden der Luzerner Polizei massiv angegriffen. Es wurden keine Personen verletzt. An Fahrzeugen der Polizei kam es zu Sachbeschädigungen.

pd/zim

Posted in Luzern, News | Tagged , , , , , , , | Leave a comment