Hassparolen in Warschau

Böllerschüsse hallen durch die Schluchten der Warschauer Wolkenkratzer. Bengalische Feuer lodern über den Köpfen der Masse. Zehntausende rechtsextreme Marschierer grölen “Polen, das sind wir!” und “Gott, Ehre, Vaterland”. Viele sind vermummt. In das Meer der weiß-roten Nationalflaggen mischen sich die hakenkreuzähnlichen Banner neofaschistischer Gruppen. Rechtsradikale Fußball-Hooligans verstärken sie. Am Himmel dröhnen die Rotoren der Polizeihubschrauber. Die Sicherheitskräfte halten sich im Hintergrund. Sie setzen auf Deeskalation. Vergeblich.

Am Montagnachmittag artet der “Marsch der Unabhängigkeit” am polnischen Nationalfeiertag wie in den Vorjahren in Straßenschlachten aus. Pflastersteine fliegen. Die Randalierer greifen Fotografen und jeden sichtbaren Zivilpolizisten an. Mindestens vier Polizisten wurden am Montag verletzt, als die Demonstranten mit Steinen warfen und Feuerwerkskörper zündeten. Nach Angaben eines Polizeisprechers wurden 30 Gewalttäter festgenommen. Die Polizei ging mit Wasserwerfern und Tränengas gegen die Randalierer vor.

Zwischen 50 000 und 100 000 Marschierer

Vor der Erlöserkirche setzen sie eine Skulptur in den Regenbogenfarben der Homosexuellen-Bewegung in Brand. Flaggen des historischen “Erzfeindes” Russland gehen ebenfalls in Flammen auf. Selbst als auf die russische Botschaft, die diplomatische Immunität genießt, Wurfgeschosse fliegen, lässt die Polizei die Randalierer gewähren. Es ist eine sichtlich fragwürdige Strategie. Die Stadt löst den Marsch am späten Nachmittag offiziell auf – ohne Effekt.

Der 11. November erinnert in Polen an die Republikgründung nach dem Ersten Weltkrieg. Traditionell locken Umzüge von Veteranen, fröhliche Feiern und das politische Gedenken Zehnttausende Menschen an. Innerhalb weniger Jahre jedoch haben nationalistische Gruppen „den Unabhängigkeitstag annektiert“, wie die Zeitung „Gazeta Wyborcza“ schon im Vorfeld der Krawalle vom Montag schrieb. Noch 2010 waren nur wenige Tausend Rechte aufmarschiert, 2012 bereits 20.000. Am Montag waren es nach unterschiedlichen Schätzungen zwischen 50.000 und 100.000 Marschierer.

Allein die Zahlen machen einen beunruhigenden Trend in Polen sichtbar. Am Ende des Krawallmarsches vor einem Jahr hatten mehrere rechtsextreme Gruppen die „Nationale Bewegung“ (RN) als Sammelbecken für alle „wahren Polen“ ins Leben gerufen. Zum RN gehören in vorderster Front die Allpolnische Jugend (MW) und das Nationalradikale Lager (ONR). Abseits hielt sich bislang die Nationale Wiedergeburt Polens (NOP), die sich am Montag aber dem Warschauer Marsch anschloss.

Vorbild ist der Antisemit Roman Dmowski

Ideologisch knüpft der RN an die Tradition der faschistischen Rechten der Zwischenkriegszeit an. Historisches Vorbild ist der Mitbegründer der Zweiten Republik Roman Dmowski, der nicht nur die nationale Wiedergeburt Polens nach jahrhundertelanger Fremdherrschaft forderte, sondern auch eine offen antisemitische Ideologie propagierte. RN-Chef Robert Winnicki erklärte kürzlich im Fernsehsender Polsat: “Die Zweite Republik ist an einer Überrepräsentation des Judentums in polnischen Lehranstalten zugrunde gegangen.” Niemand in der TV-Runde widersprach.

“Es besteht kein Zweifel, dass die Wirkung nationalistischer Ideen weit mehr als ein Randphänomen des politischen Spektrums ist”, erklärt der Warschauer Soziologe Rafal Pankowski mit Blick auf die extreme Rechte. Damit aber wird der RN zu einer Herausforderung für die nationalkonservative Partei PIS von Ex-Premier Jaroslaw Kaczynski. Sie deckt bislang im Parlament nahezu das gesamte rechte Spektrum ab – und so solle es auch bleiben, hat Kaczynski mehrfach betont.

Präsident Komorowski zeigt Gesicht

Der PIS-Chef ließ es sich vor einem Jahr nicht nehmen, die Gewaltexzesse der rechtsextremen Marschierer am Unabhängigkeitstag als versuchte “Invasion Warschaus” anzuprangern. In diesem Jahr jedoch zog die PIS, die immerhin rund ein Drittel der polnischen Wähler repräsentiert, ihre eigene Kundgebung auf den Sonntag vor. Der 10. des Monats erinnere zugleich an die Flugzeugtragödie von Smolensk, lautete die Begründung. Wahrscheinlicher ist, dass Kaczynski sich nicht zeigen lassen wollte, dass die Rechtsextremisten deutlich mehr Menschen auf die Straße bringen als seine Nationalkonservativen.

Die wenigen linken Gegendemonstranten, die noch 2011 das Gleichgewicht zu den Rechten gehalten hatten, wichen ebenfalls aus und versammelten sich diesmal am 9. November – angeblich zum Gedenken an die Reichspogromnacht in Deutschland. Gesicht zeigte dagegen am Montagmittag die Staatsführung um Präsident Bronislaw Komorowski bei einem eigenen “Marsch für ein unabhängiges Polen”. Komorowski rief seine Landsleute dazu auf, “Freude und Dankbarkeit für die Freiheit” zu zeigen, die Polen erlangt habe. Seine Worte verhallten jedoch am späten Nachmittag im Lärm der Böllerschüsse und der rechten Hassparolen.

Quelle: http://www.fr-online.de/politik/polen-faschisten–hassparolen-in-warschau,1472596,25005916.html

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Café Lagota am 17. November: Vortrag zum Thema Internetsicherheit

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“Wenn der Napf ein Peruaner wäre”

Infoveranstaltung zur Rolle von Schweizer Firmen im ausbeuterischen Bergbau in Peru.
Moderation: Jules Rampini und Susanna Anderegg von der Organisation “Bergbau Menschen Rechte”
Samstag, 9. November 2013, um 19.30 im Sentitreff, Baselstrasse 21, Luzern

Seit der Fusion von Glencore und Xstrata beherbergt die Schweiz einen der grössten Bergbaukonzerne der Welt. Die Rolle der Schweiz als Rohstoffdrehscheibe für die ganze Welt wird dadurch noch deutlicher.
Beim Gold ist diese Rolle besonders frappant: Über 60 Prozent der jährlichen Goldproduktion wird über die Schweiz gehandelt, zwei Drittel allen Goldes wird in der Schweiz raffiniert. Auf der anderen Seite, in Ländern wie Peru, wo viele solcher Rohstoffe gefördert werden, kommen die Menschen und die Natur dagegen zu kurz. Flüsse werden ausgetrocknet, Landschaften verschandelt und die Menschen, die sich wehren, kriminalisiert.

Die Organisation „Bergbau Menschen Rechte“ wurde im Februar 2013 gegründet. Sie unterstützt Menschen, die sich in Peru und andern Ländern für ihre Rechte im Zusammenhang mit dem Abbau, der Verarbeitung und dem Handel von Bergbauprodukten einsetzen. Mit der von Susanna Anderegg besetzten Fachstelle bietet sie in der Schweiz  Informations- und Bildungsveranstaltungen zur Problematik des modernen Bergbaus an und im Süden Workshops zur Stärkung von ländlichen Gemeinschaften für Verhandlungen mit Bergbau-Unternehmen.

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Strategien des Parteispiels

Die griechische Nazipartei »Goldene Morgenröte« versucht, den Fußball zu instrumentalisieren.

Ein sogenannter Facebook-Zwischenfall war wenige Tage vor der Ermordung des griechischen HipHop-Musikers und Antifaschisten Pavlos Fyssas Grund genug, für die meisten Fanclubs des griechischen Traditionsvereins PAOK Thessaloniki, sich gegen die Neonazi-Partei »Goldene Morgenröte« zu wenden. Ein im Internet veröffentlichtes Foto, das den albanischen PAOK-Spieler Ergys Kace in einem UÇK-Shirt zeigte, löste einen Skandal aus. Viele Fans verlangten jedoch eine interne Lösung des Konflikts und forderten die Isolierung des Spielers.

Kace bekräftigte mehrmals, dass er nicht gewusst habe, was für ein T-Shirt er trug. Die »Goldene Morgenröte« versuchte trotzdem, sein T-Shirt politisch zu instrumentalisieren. Dabei setzte die Partei auf einen diffusen Nationalismus. In einer Erklärung beschuldigt sie den Spieler, das Team und die Nation in den Schmutz zu ziehen. Wichtig sei die Solidarität mit denen, die in Kreisen der »Goldenen Morgenröte« als »unsere orthodoxen, serbischen Brüder« bezeichnet werden, und das nicht zufällig: Mitglieder der Partei waren im Jugoslawienkrieg auch als Freiwillige in der serbischen Armee an Kämpfen beteiligt.

Prominentes Mitglied der »Goldenen Morgenröte« und Abgeordneter des griechischen Parlaments: Ilias Panagiotaros

Prominentes Mitglied der »Goldenen Morgenröte« und Abgeordneter des griechischen Parlaments: Ilias Panagiotaros (Foto: PA / epa / Alkis Konstantinidis)

Auf die Aussagen der Neonazis folgen Protesterklärungen seitens der PAOK-Fanclubs. Der zentrale Fanclub Gate 4, der zu den bekanntesten Griechenlands zählt, setzte sich am stärksten gegen die Instrumentalisierung durch die Neonazis ein. Gate 4 berief sich auf die migrantische Tradition und die Geschichte des Vereins, die es der Partei verböten, sich in die ­internen Angelegenheiten von PAOK einzumischen und den Skandal zum Wählerfang zu nutzen. Auch PAOK-Fanclubs aus Deutschland äußerten sich zum Vorfall und versprachen Gate 4 ihre Unterstützung.

Am Mittwoch, dem 11. September, kam es zu einem Vorfall zwischen PAOK-Fans und Mitgliedern der »Goldenen Morgenröte« in der Innenstadt Thessalonikis. Etwa 50 Anhänger der Mannschaft fanden sich vor dem Büro der Partei ein, um ihrer Wut Ausdruck zu verleihen. Die Informationen zur Situation vor Ort sind widersprüchlich, die Rede ist von einer mit Pyrotechnik begleiteten Protestaktion, von einer Beschädigung der Eingangstür, aber auch von körperlichen Auseinandersetzungen mit Mitgliedern der Neonazi-Partei. Unverzüglich tauchten in der Gegend mehrere Einheiten der Polizei auf und nahmen ein paar Straßen weiter 46 Verdächtige in Gewahrsam. Am 9. Dezember soll es zum Prozess gegen alle Beschuldigten kommen, unter ihnen befinden sich auch zwei Minderjährige. Laut Aussagen des Anwaltskollektivs, das die PAOK-Fans vertritt, lauten die Anklagepunkte Verstoß gegen das Pyrotechnikgesetz und Landfriedensbruch. Skandalös sei, dass sich die Anklage vor allem auf die Aussage eines Mitglieds der »Goldenen Morgenröte« stütze, so die Anwältin Katia Tatzi. Zum Tatzeitpunkt war dieser Mann als Wachposten eingeteilt. Gegenüber den Ermittlungsbehörden gab er an, dass die Demonstranten Flaschen und Steine auf das Bürogebäude der Neonazi-Partei geworfen hätten. Selbst die Polizeieinheiten, die die PAOK-Fans in Gewahrsam genommen hatten, teilen diese Ansicht nicht, sie sprachen lediglich von einer »aufgebrachten Menschenmenge«. Aus den Akten gehe hervor, so die Anwälte weiter, dass die Beamten weder Flaschenwürfe noch Feuerwerkskörper bemerkt hätten. Die Aussagen der vor Ort eingesetzten Polizisten decken sich auch mit den Ermittlungen der Spurensicherung. Am angeblichen Tatort ließen sich lediglich zwei leere Bierflaschen in einer Plastiktüte und eventuelle Überreste eines Feuerwerkskörpers finden. Offen ist, ob die Vorwürfe angesichts dieser recht dürftigen Beweislage vor Gericht Bestand haben werden.

Die Initialen von PAOK stehen für Panthessalonikis Athlitikos Omilos Konstantinopoliton (Panthessalonikischer Sportvertein der Konstantinopler). Die Mannschaft wurde 1926 nach dem verlorenen Angriffskrieg Griechenlands von griechischen Flüchtlingen aus der Türkei gegründet. Damals war versucht worden, die »Megali Idea«, die »Große Idee« umzusetzen, alle Teile der ehemals griechischen Welt zu vereinigen. International fielen die PAOK-Fans zuletzt Ende August während der Champions-League-Qualifikation gegen Schalke auf: Als Schalke-Fans eine mazedonische Flagge zeigten, fühlten sie sich schwer provoziert und sorgten für all­gemeine Empörung unter den griechischen Fans in der Arena. Auf der anderen Seite bietet PAOK aber auch Platz für einen gewissen Regionalismus – man fühlt sich als ewiger Underdog gegenüber den drei Top-Teams aus der als korrupt geltenden Hauptstadt Athen. Diese eigentlich günstige Ausgangssituation auszunutzen, hat die »Goldene Morgenröte« bislang nicht geschafft, bis jetzt gibt sich die Mehrheit der Mitglieder der Fanclubs antifaschistisch oder apolitisch.

Seit ihrer Gründung Anfang der neunziger Jahre hat die Entwicklung einer rechten Subkultur und die Politisierung der Fußballfans höchste Priorität für die Goldene Morgenröte. Den Anfang ihrer Aktivitäten bildete die Gründung eines national gesinnten Fanclubs in den Fanreihen der griechischen Nationalmannschaft, die sogenannte »hellblaue Armee«, die sich bei Spielen mit nationalistischen Symbolen und Transparenten zeigte. Das prominente Parlamentsmitglied Ilias Panagiotaros, der am 28. September neben anderen hochrangigen Parteimitgliedern wegen Bildung einer kriminellen Vereinigung verhaftet wurde, führte diese Kampagne jahrelang an.

Erste Versuche, rechte Fanclubs zu etablieren, wurden bereits in den achtziger Jahren mit der Organisation NOPO (Nazi Organisation aller griechischer Fans) unternommen, besonders aktiv in den Reihen der Panathinaikos-Fans. Nach Informationen der antifaschistischen Journalistengruppe Ios sollte Anfang der neunziger Jahre, also bereits vor der Gründung der »hellblauen Armee«, dann eine neue NOPO entstehen. Heute beschränken sich die Aktivitäten größtenteils auf den Vertrieb von nationalis­tischen Fanartikeln übers Internet.

Ihren größten Erfolg feierte die »Goldene Morgenröte« im ersten Jahrzehnt des neuen Jahrtausends. Im September 2004, nach dem Erfolg der griechischen Nationalmannschaft bei der EM in Portugal und den olympischen Spielen in Athen, fanden die damals heftigsten Übergriffe gegen Migranten statt. Nach dem 2:1-Sieg der albanischen Nationalmannschaft gegen das griechische Team in einem Freundschaftsspiel feierten hunderte Albaner den Erfolg ihrer Elf in den Straßen Athens. Schnell sammelte sich ein Mob, der die albanischen Fans angriff und durch die Straßen jagte. Ähnliche Szenen ereigneten sich auch in anderen Teilen Griechenlands – auf der Insel Zakynthos wurde der Albaner Gramoz Palushi von griechischen Nationalisten erstochen. Die Verantwortlichen der damaligen rassistischen und nationalistischen Proteste werden erst heute, nach dem Mord an dem Antifaschisten Pavlos Fyssas am 18. September, als Mitglieder einer kriminellen Vereinigung angeklagt. Deren Verstrickungen mit den Behörden und ihre Gewaltbereitschaft schockierten die griechische Öffentlichkeit, und stoßen nun eine längst überfällige Debatte um ein Verbot dieser Parteiorganisation an.

Quelle: http://jungle-world.com/artikel/2013/43/48711.html

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Fahrradumzug am 26. Oktober

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Diverse Meldungen zu Rechtsextremismus und Rassismus in der Schweiz

Genf, 12. Oktober 2013

Rund fünfzig Personen besuchen einen Vortrag von Alexandre Gabriac, Anführer der in Frankreich verbotenen Jeunesses Nationalistes. Zuerst spricht Philippe Brennenstuhl als Präsident der Parti Nationaliste Suisse. Gemäss einem Bericht des Veranstalters Genève Non Conforme, habe Brennenstuhl die schweizerische Demokratie gegeisselt, diese sei durch die Banken und die internationale Finanz finanziert.

Göppingen/Basel, 12. Oktober 2013

Rund 150 Rechtsextremisten marschieren – trotz Gegenkundgebungen – durch die deutsche Kreisstädt Göppingen, nahe Stuttgart. Sie gedenken mit einer “Schweigeminute” des wenige Tage vorher verstorbenen Erich Priebke, einem NS-Kriegsverbrecher. Unter den Redners ist auch der Basler Philippe Eglin, einst Exponent der Partei National Orientierter Schweizer PNOS und verurteilt wegen Widerhandlung gegen die Rassismus-Strafnorm. Gemäss dem Bericht der Veranstatler habe Eglin Applaus erhalten “für seine komprmisslosen, ehrlichen Worte, in denen er hart mit der BRD ins Gericht ging”. Gemäss des Bericht eines “Zeit”-Journalisten äusserte sich Eglin antisemitisch, in dem von “ein paar wenigen Nasen” spraich, die “die ganzen Schulden auf der Welt kontrollieren”. (Unter Antisemiten ist “Nase” ein Codewort für Jude.) Bereits im vergangenen Jahr war Eglin an einer rechtsextremen Demo in Göppingen aufgetreten.

Bern, 11. Oktober 2013

Die “Berner Zeitung” berichtet über eine siebenköpfige Familie, die Anfang Juni 2013 in eine Altbauwohnung einziehen kann. Kurze Zeit später entschliesst sich die Mutter, die bereits vor zwölf Jahren zum Islam konvertiert war, in Zukunft auch ein Kopftuch zu tragen. Wenige Tage später erhält die Familie von der Verwaltung einen Brief, worin der Familie empfohlen wird, eine neue Wohnung zu suchen. Der Wohnungsvermieter erklärt: “Ich bekomme Telefonanrufe der Nachbarn, warum ich eine solche Familie für die Wohnung genommen habe.” Bei der Besichtigung habe die Frau kein Kopftuch getragen, “jetzt schon, ich fühle mich hintergangen”. Auch habe er bereits Absagen von Mietinteressenten bekommen, wegen der Mieterin und ihrem Kopftuch. Im Newsnet-Kommentarbereich äussern sich viele Schreiberinnen und Schreiber muslimfeindlich. Eine “Erika Holdener” schreibt: “Ich hoffe, dass ich niemals in meiner unmittelbaren Nachbarschaft kopftuchtragende Muslime ertragen muss. Jede Siedlung verliert mit denen an Attraktivität.” Nach Widerrede anderer Kommentatoren behauptet sie: “Tatsache ist nun einmal, dass die meisten Schweizer sich solch ein Umfeld nicht nur nicht wünschen, sondern sich verbieten.” Ein “Raphael Huwiler” schreibt: “Religiös motivierter islamischer Terror tötet jeden Tag Hunderte, wenn nicht Tausende. Deshalb ist es nicht mehr als Pflicht, sich den Tendenzen der Islamisierung Europas entgegenzustellen. Je mehr muslimische Kopftuchträger, desto weniger eigene Identität. Zum Glück wachen immer mehr Westeuropäer auf.” Immerhin gibt es auch viele Einträge, die den Islamophoben widersprechen.

Quelle: www.hans-stutz.ch

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Demo: Lampedusa ist unser internationaler Kampf!

Obwohl die Geschehnisse in Lampedusa und im Mittelmeer seit Jahrzehnten bereits Alltag sind, hat sich in der weltweiten Asylpolitik noch nichts geändert.

Wir können das nicht akzeptieren und wollen nun ein Zeichen setzen. Am Samstag, dem 19. Oktober um 19.00 Uhr versammeln wir uns auf dem Helvetiaplatz, um anschliessend zusammen in Form einer Solidaritätsdemonstration auf diese Missstände aufmerksam zu machen. Mit der Überzeugung „Lampedusa – Unser internationaler Kampf“ gehen wir auf die Strassen Zürichs und fordern einen humanitären und fairen Umgang mit Flüchtlingen.
Mit Lichtern (Kerzen, Laternen, Taschenlampen…) möchten wir den vielen Verstorbenen gedenken. Angesichts der ernsten Situation soll die Demo in friedlichem und ruhigem Rahmen verlaufen.

Die Kundgebung wird unterstützt von:
Solinetz Zürich, augenauf, Bleiberecht Bern, humanrights.ch – Menschenrechte Schweiz, Solidarité sans frontières, Schweizerische Beobachtungsstelle für Asyl- und Ausländerrecht, Zunder, Amnesty International Schweiz, Autonome Schule Zürich, Junge Grüne Zürich, Juso Kanton Zürich, SPAZ

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Pogrom in Moskau

Rußland: Neofaschistischer Überfall und Polizeirazzia gegen Migranten

Rund 1000 russische Faschisten haben am Sonntag auf einem von Migranten aus Zentralasien betriebenen Großmarkt im Moskauer Stadtteil Birjulowo ein Pogrom veranstaltet. Unter der Parole »Rußland den Russen« verprügelten sie Beschäftigte, warfen Rauchbomben, kippten Autos um und zerschlugen Fensterscheiben. Als die Polizei erschien, warfen die Faschisten Flaschen, Steine und Abfallkörbe auf die Beamten. Knapp 400 der Randalierer wurden festgenommen; auch die berüchtigte Sonderpolizei OMON war im Einsatz.

Am Montag morgen schob die Polizei dann eine Aktion gegen »illegale« Arbeitsmigranten nach. Im Umfeld eines anderen Großmarkts wurden nach Agenturmeldungen mindestens 1200 Migranten festgenommen; es seien Waffen und große Mengen an Bargeld sichergestellt worden, teilte die Polizei mit.

Auslöser der Randale gegen die Migranten war der Mord an einem jungen Russen am vergangenen Donnerstag. Er war von einem unbekannten Täter erstochen worden, als er seine Verlobte vor Belästigungen schützen wollte. Der Täter ist flüchtig; nach einem veröffentlichten Foto der Überwachungskameras wird vermutet, daß es sich um jemanden aus dem Kaukasus oder Zentralasien handeln könnte. Die Polizei hat für die Ergreifung des Täters die außerordentlich hohe Belohnung von einer Million Rubel (ca. 23000 Euro) ausgesetzt.

Der Anlaß für die Ausschreitungen ist aber im Grunde beliebig. In der russischen Hauptstadt herrscht seit Jahren ein Klima von Haß und Ausgrenzung gegen Migranten. Es hat mehrere Grundlagen: die tiefste ist die Verunsicherung der russischen Gesellschaft durch den tschetschenischen Separatismus und seine terroristischen Weiterungen. Diese Stimmung hat sich im Zuge des zweiten Tschetschenien-Krieges radikalisiert. Präsident Wladimir Putin schraubte durch rigoroses Vorgehen gegen wirkliche und vermeintliche Terroristen im Nordkaukasus seine Popularitätswerte nach oben; es ist Rußland aber nur oberflächlich gelungen, die Situation dort zu befrieden. Vor dem Hintergrund dieser Verunsicherung sind nach allen Umfragen die Bewohner der an Tschetschenien angrenzenden russischen Teilrepublik Dagestan von allen Migranten die unbeliebtesten.

Die zweite Ebene der Fremdenfeindlichkeit ist eine ins Rassistische transformierte soziale Verachtung von Migranten durch die Bewohner der vergleichsweise wohlhabenden russischen Hauptstadt. Vermutlich Hunderttausende – denn niemand zählt sie – Migranten aus dem Kaukasus und den ehemaligen Sowjetrepubliken Zentralasiens machen die Drecksarbeit als Straßenfeger, Putzhilfen, Bauarbeiter, Lastenträger usw. Sie verdienen auch für russische Verhältnisse extrem wenig, haben meist keinen legalen Aufenthaltsstatus und sind dadurch in besonderer Weise durch Arbeitgeber und Polizei erpreßbar. Daß manche auch in die Klein- oder größere Kriminalität abwandern, ist nicht erstaunlich. Da die Wohnverhältnisse der Migranten in überbelegten Wohnungen oder Kellerlöchern prekär sind, fällt es »weißen« Russen leicht, sich die Migranten als dreckig und verkommen vorzustellen, was wiederum die Verachtung potenziert. Auf der anderen Seite herrscht eine latente Furcht vor Migranten: seit Jahren werden die Russen mit einer familienpolitischen Daueragitation beschallt, wonach die »Slawen« ausstürben und die »Schwarzen« durch ihre höheren Geburtenziffern das Land zu majorisieren drohten. Der Rassismus von oben dieser Kampagne für mehr »russische« Kinder läßt gelegentliche Bekenntnisse von Politikern zu der Tatsache, daß Rußland ein Vielvölkerstaat ist, in den Hintergrund treten. Wahlen sind damit jedenfalls nicht zu gewinnen. Ebenso wenig mit einer geregelten Einwanderungspolitik, die Migranten einen gesicherten Rechtsstatus verliehe. Denn sie würde gleichzeitig deren ökonomische Diskriminierung erschweren und liegt so nicht im Interesse der Mehrheitsbevölkerung, ob diese nun Baufirmen betreibt oder nur eine billige Kinderfrau sucht. So kommt es, daß auch die liberale Opposition, die sich auf das gutsituierte großstädtische Bürgertum stützt, in der Migrationspolitik keinen Gegenstandpunkt zum Alltagsrassismus der kahlgeschorenen Jungs aus den Vorstädten entwickelt.

Quelle: http://www.jungewelt.de/2013/10-15/021.php

Rußland: Neofaschistischer Überfall und Polizeirazzia gegen Migranten

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Polizei ausser Kontrolle

Aktuelle und hängige Vorfälle in Winterthur, Zürich und Aarau zeigen: In der Schweiz sind Polizei- und Justizapparate auf Gemeinde- und Kantonsebene eng verflochten. Unabhängige Untersuchungsinstanzen für Gewalt von Polizeibeamten fehlen.

Treffen mit Angela D. in einer Parterrewohnung in einem Aussenquartier Winterthurs. Die Neunzehnjährige hat im Sommer die Matura gemacht und arbeitet derzeit als Praktikantin. Was sie nach dem Zwischenjahr studieren möchte, darüber hat sie sich natürlich Gedanken gemacht: Psychologie oder Fotografie. Am Abend des 21. September rückt ein Gummigeschoss einen dieser Berufswünsche in weite Ferne. Mit ihrem linken Auge wird sie nie mehr richtig sehen können.

Mit einer friedlichen Tanzdemo gegen die Stadtentwicklung Winterthurs und die Sparmassnahmen ein Zeichen zu setzen, fand sie originell. «Dass dem Spardiktat auch günstige Ferienprogramme für Kinder aus armen Familien zum Opfer fallen, finde ich daneben», sagt sie. Und so nahm sie zum ersten Mal in ihrem Leben an einer Kundgebung teil. Sie tanzte friedlich in der Menge auf dem Platz vor dem Salzhaus, als die Polizei gegen die Tanzdemo vorrückte (siehe WOZ Nr. 39/13). «Es waren vielleicht fünf Leute, die zwischen dem Polizeikordon und den Tanzenden standen und Zoff suchten. Die Polizei hätte die doch problemlos aus dem Verkehr ziehen können. Aber offensichtlich verstand sie diese Aktion als Signal, gegen uns alle vorzugehen. Sie spritzte mit dem Wasserwerfer direkt in den Soundwagen. Panik brach aus. Ich flüchtete mit meinen Freunden sofort Richtung Bahnhofplatz, es war der einzige mögliche Fluchtweg.» Aber der war ebenfalls abgeriegelt. Sie waren eingekesselt. Auch von dieser Seite rückte die Polizei vor. Also versteckte sich Angela D. zwischen zwei parkierten Autos.

Und dann geschieht, was sie nicht für möglich gehalten hätte: Ein Gummigeschoss prallt in ihr linkes Auge. Angela D. geht zu Boden und schreit. Das ist um 22.45 Uhr. «Ich stand unter Schock.» FreundInnen bringen sie zunächst in ein Gebäude. Ein Kollege ruft die Ambulanz. Die aber sagt, da sei wohl kein Durchkommen. Taxis und Busse sind keine zu finden in der abgeriegelten Innenstadt. Also machen sie sich zu Fuss auf ins Spital. Durch eine Polizeisperre kommt die schwer am Auge verletzte Frau nur mit Mühe, nachdem sich eine Kollegin lautstark für sie eingesetzt hat. Um 23.28 Uhr nimmt das Spital Angela D. auf. Am nächsten Tag wird sie ins Universitätsspital Zürich eingewiesen und fünf Tage später operiert. Der Sehkraftverlust auf dem verletzten Auge beträgt über achtzig Prozent. Der Sehnerv wird für immer geschädigt bleiben.

Stadträtin geht in Deckung

Und wie reagierten Polizeikommandant Fritz Lehmann und Stadträtin Barbara Günthard-Maier, die für den Polizeieinsatz verantwortlich sind, als die Medien über die schwere Verletzung der neunzehnjährigen Winterthurerin berichteten? Zunächst gar nicht. Es verstrichen zehn Tage. Polizeikommandant Lehmann behauptete gegenüber dem «Tages-Anzeiger», die Polizei habe erst mehr als eine Woche später davon erfahren.

Sehr früh davon erfahren haben muss jedenfalls Fritz Lehmanns Chefin Barbara Günthard-Maier. Florian S., ein Kollege von Angela D., hatte am Montag nach der Tanzdemonstration die Stadträtin per Facebook mit deutlichen Worten auf den Vorfall hingewiesen und ihr eine Fotografie vom verletzten Auge geschickt. Wie ein Screenshot belegt, wurde diese Nachricht auf Günthard-Maiers Account als gelesen zur Kenntnis genommen.

Die WOZ hätte die FDP-Politikerin gern mit diesem Sachverhalt konfrontiert. Michael Scholz, der stellvertretende Informationschef der Stadtverwaltung, wehrt ab: «Bis zum Abschluss von internen Untersuchungen werden sich weder Stadträtin Günthard-Maier noch die Polizei zu den Vorfällen um die Tanzdemo äussern.»

Die Stadträtin taucht ab, geht in Deckung. Dass ihr frühes Wissen um die schwere Verletzung der jungen Frau ebenfalls Gegenstand der polizeiinternen Untersuchungen sein wird, ist nicht anzunehmen.

Besuch vom Kommandanten

Als der Polizei allerdings zu Ohren kam, dass Angela D. Medien Interviews gab, meldete sie sich unverzüglich bei der Winterthurerin. Polizeikommandant Lehmann werde sie besuchen. «Er hat Schokolade mitgebracht, sich entschuldigt und gesagt, ein solcher Fall dürfe nicht passieren. Der Vorfall werde untersucht.»

Ein Interview mit dem Polizeikommandanten ist derzeit ebenfalls nicht möglich. Bianca Lussi, Mediensprecherin der Stadtpolizei Winterthur, bestätigt lediglich: «Es laufen bei den beteiligten Korps der Kantons- und Stadtpolizei polizeiinterne Untersuchungen. Vorderhand werden die Einsätze analysiert.»

Sofern Behörden Fehler begehen, besteht offensichtlich keine Verdunkelungsgefahr. Unabhängige Untersuchung? Fehlanzeige. Die Polizei untersucht sich vorderhand selbst. Sie und die zuständige Stadträtin stehen unter Druck. Nicht nur vonseiten der KundgebungsteilnehmerInnen. Deren Tenor lautet unisono: Der Einsatz sei provokativ und aggressiv gewesen und habe erst die Eskalation ausgelöst. Auch politisch wird Druck gemacht: Die SP bereitet einen Vorstoss im Stadtparlament vor, der die Veröffentlichung der Einsatzpläne fordert. Das sagt Winterthurs Juso-Präsident Nyima Tsering. Ausserdem sorgt die (bewilligte) Kundgebung «Freiräume statt Albträume» am kommenden Samstag, 12. Oktober, dafür, dass die Sache nicht unter den Tisch gekehrt wird. Mit Konzerten, Reden und einer Kollekte für Angela D. Als Organisatorin zeichnet die Juso. Sie fordert als Konsequenz aus der Eskalation den Rücktritt von Stadträtin Günthard-Maier und Polizeikommandant Lehmann.

Während des Polizeieinsatzes an der Tanzdemo Ende September wurden vier KundgebungsteilnehmerInnen verletzt, neben Angela D. erlitten zwei junge Männer ebenfalls Verletzungen im Augenbereich, ein Juso-Mitglied verbrachte wegen einer Gehirnerschütterung einige Tage im Spital, ein Polizist wird auf einem Ohr taub bleiben, unter den Verletzten befindet sich auch ein Feuerwehrmann.

Angela D. hat sich einen Anwalt genommen. Sie möchte, dass der «unverhältnismässige» Polizeieinsatz lückenlos aufgeklärt wird und sie Schadenersatz erhält. Mit ihrem Anwalt bereitet sie eine Strafanzeige vor. Ihr Verhältnis zur Polizei, das vorher «neutral» gewesen sei, ist ein anderes: «Jetzt bin ich sehr misstrauisch.»

Asymmetrische Auseinandersetzung

Wer es mit Polizeigewalt zu tun bekommt und sich mit Strafanzeigen dagegen wehrt, hat einen schweren Stand. Denn wer Ordnungshüter anzeigt, legt sich in der kleinräumigen Schweiz auf Gemeinde- und Kantonsebene mit einem eng verflochtenen Apparat an. Es ist eine asymmetrische Auseinandersetzung. Untersuchungsrichterinnen, Staatsanwälte und Gerichte arbeiten eng mit der Polizei zusammen. Die Gewaltenteilung funktioniert wegen der Nähe und der personellen Verflechtung nur bedingt. Wenn, wie jetzt in Winterthur, der Polizeiapparat sich selbst untersucht, sind Absprachen vor der Beweisführung leicht möglich. Der Rechtsstaat, der das Individuum vor der Staatsmacht schützen sollte, stösst in solchen Fällen auf den unteren Ebenen der Justiz immer wieder an seine Grenzen (vgl. «Polizeilich geschützte FundamentalistInnen» im Anschluss an diesen Text).

Strafanzeigen gegen PolizistInnen sind selten von Erfolg gekrönt. Die Justiz behandelt solche Anzeigen bloss widerwillig. Nichteintreten und Einstellung der Verfahren sind häufig. Beispielhaft dafür steht der öffentlich gut dokumentierte Fall des Zürcher Pressefotografen Klaus Rózsa. Als er am 4. Juli 2008 einen Polizeieinsatz beim besetzten Hardturmstadion gegen ein Fest der BesetzerInnen dokumentieren will, hindert ihn die Polizei nicht nur bei seiner Arbeit als Journalist und verletzte damit die Pressefreiheit, sie unterzieht ihn unrechtmässig einer Personenkontrolle, verhaftet und verletzt ihn. Rósza erstattet Anzeige. Auch die Polizei zeigt den Fotografen an. Die Staatsanwaltschaft stellt das Verfahren wegen Amtsmissbrauch, Nötigung, Freiheitsberaubung und Körperverletzung ein. Das Bezirksgericht verurteilt Rósza hingegen wegen Gewalt und Drohung gegen zwei Stadtpolizisten und mehrfacher Hinderung einer Amtshandlung (weil er sich gegen seine Verhaftung wehrte).

Das Zürcher Obergericht hat das Urteil gegen Rósza kürzlich aufgehoben – die Personenkontrolle eines Journalisten bei seiner Arbeit sei «nicht angebracht» gewesen. Und auch das Bundesgericht hat in dieser Angelegenheit gesprochen: Es hat die Einstellung des Verfahrens gegen die Polizisten aufgehoben und die Staatsanwaltschaft angewiesen, entweder einen Strafbefehl zu erlassen oder die Untersuchungsergebnisse zu ergänzen und Anklage gegen die Stadtpolizisten zu erheben. Die Angelegenheit hat insgesamt fünf Jahre in Anspruch genommen – Klaus Rósza musste mehrere Zehntausend Franken aufbringen, um zu seinem Recht zu kommen.

Der Weg über die Gerichte steht formal allen offen. Aber BürgerInnen, die ihn einschlagen, sollten über gute AnwältInnen, Nerven, Zeit und ausreichend finanzielle Mittel verfügen – und bereit sein, bis vor Bundesgericht zu gehen. Ein hohes Abschreckungspotenzial für alle, die ihre Rechte wahren möchten. Das ist keine Einschätzung polizeifeindlicher Kräfte. Der Ausschuss gegen Folter der Vereinten Nationen forderte im Jahr 2010, «dass in jedem Kanton eine unabhängige Instanz geschaffen wird, die befugt ist, sämtliche Anzeigen wegen gewalttätiger Übergriffe oder Misshandlungen durch die Polizei entgegenzunehmen und die Vorwürfe rasch, gründlich und unparteiisch zu untersuchen». Eine Lösung wären SonderstaatsanwältInnen, die nicht mit dem Justizapparat vor Ort verbandelt sind. Geschehen ist seither in dieser Sache nichts. Immerhin gibt es in mehreren Kantonen und Städten parlamentarische Ombudsstellen, so in den Kantonen Zürich, Basel-Stadt, Baselland, Waadt und Zug sowie in den Städten Zürich, Bern, Winterthur und St. Gallen.

Eingeschränkte Bewegungsfreiheit

Grundrechte wie die Bewegungsfreiheit im öffentlichen Raum sind in der Schweiz längst keine Selbstverständlichkeit mehr, sobald sich die Obrigkeit gestört fühlt. Die vor allem von Freisinnigen angestossene Regulierungswut gegen die individuelle Freiheit (Videoüberwachung, Littering et cetera) schränkt schleichend die Grundrechte ein und tritt die Eigenverantwortung mit Füssen. So kann die Polizei mittlerweile in diversen Kantonen und Städten Rayonverbote und Wegweisungen gegen unliebsame Personen wie Randständige, Dealer oder Fussballfans erwirken. In der Stadt Zürich ist die Wegweisung seit ihrer Einführung im Jahr 2009 weit über zehntausend Mal verfügt worden. In neue Dimensionen stiess die Stadtpolizei Zürich am 1. Mai 2011 vor. Sie wies im Vorfeld des 1. Mai darauf hin, dass Personen, die sich im Gebiet Kanzleiareal/Helvetiaplatz aufhalten sollten, weggewiesen werden könnten. Und sie machte ihre Ankündigung wahr: Sie verhaftete unabhängig von einem allfälligen konkreten Vergehen präventiv über 500 eingekesselte Personen, hielt sie stundenlang auf dem Polizeiposten fest und erliess Wegweisungen und Rayonverbote. Stadtrat und Polizei erklärten ein ganzes Stadtgebiet zur Sperrzone. Das «Vergehen»: Aufenthalt in einer sogenannten Problemzone. Verhaftet wurden auch Personen, die sich einer Wegweisung nicht widersetzten.

Ein Dutzend Betroffene hat dieses Vorgehen nicht auf sich beruhen lassen und sich zu einem Kollektiv zusammengeschlossen. Die fünf Rekurse (drei gegen die Kantonspolizei, zwei gegen die Stadtpolizei) sind bisher von allen Instanzen abgewiesen worden, obwohl die Polizei keinem der Betroffenen ein Vergehen oder Gewaltbereitschaft nachweisen konnte: Das Verwaltungsgericht hat bereits drei Rekurse abgeschmettert, sie sind nun vor Bundesgericht hängig. Zwei Rekurse sind beim Statthalteramt Zürich hängig. Das Kollektiv kann auch finanziell auf breite Unterstützung zählen. Dank Soliaktionen und Zuwendungen von Organisationen musste es bisher keinen Franken aus der eigenen Tasche bezahlen. Mit diesen Rekursen möchte das Kollektiv im besten Fall erreichen, dass eine derartige Polizeistrategie bei ähnlichen Grossanlässen im öffentlichen Raum nicht mehr zur Anwendung kommen kann.

Quelle: http://www.woz.ch/1341/gewaltentrennung/polizei-ausser-kontrolle

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Communiqué zu den Protesten gegen die Piusbrüder in Aarau

Für den Samstag, 5. Oktober, mobilisierten die Piusbrüder für eine Kundgebung ihrer Kampagne «Ja zum Kind» in Aarau. Gegen die rechts-fundamentalistische Gruppierung innerhalb der katholischen Kirche und gegen den von ihnen propagierte Sexismus, die Homophobie und den Antisemitismus wurde Widerstand angekündigt. Dieser wurde jedoch von der Kapo in Zusammenarbeit mit der Stapo und der Bahnpolizei beinahe unmöglich gemacht.


Reaktionäre Hetze in Aarau

Unter dem Namen «Ja zum Kind» werden bereits seit sechs Jahren jährlich neun Kundgebungen in verschiedenen Schweizer Städten durchgeführt. Am 5. Oktober fand eine solche Kundgebung zum fünften Mal in Aarau statt. Die Kundgebungen diesen Jahres in Basel und Zürich wurden bereits gestört und auch der «Marsch fürs Läbe» in Zürich konnte dieses Jahr zum dritten Mal in Folge nicht ohne lautstarke Kritik über die Bühne gehen. Auch in Aarau kamen zahlreiche Menschen zur Igelweide, um die Piusbrüder nicht kommentarlos ihre reaktionären Positionen verbreiten zu lassen.

Die Piusbruderschaft, die regelmässig in einschlägig rechts-nationalistischen Medien zu Wort kommt, fordert einen autoritären Gottesstaat mit «christlicher Gesellschaftsordnung». Wie eine solche Gesellschaftsordnung auszusehen hat, beschreiben die Piusbrüder gerne und oft. Sie brauche – Zitat des deutschen Piusbruders Franz Schmidberger – «Männer, die Männer sein wollen, Frauen, die Frauen sind und Frau sein wollen, das heisst Gehilfin des Mannes und Mutter der Kinder». Dass eine solche Frau weder verhüten noch abtreiben darf, versteht sich laut den Piusbrüdern von selbst. Des Weiteren bezeichnen die Piusbrüder Homosexualität als «Moralische Umweltverschmutzung» und behaupten, dass jüdische Menschen Gottesmörder seien und auch heute noch für den Tod Christi zur Verantwortung zu ziehen wären. Das Phantasma einer Verschwörung des «Weltjudentums», welches Wirtschaft und Politik in ihrer Hand hätte, reiht sich bei manchem Piusbruder nahtlos neben Holocaustleugnungen und -relativierungen ein.

Kein Fussbreit den Abtreibungsgegner_innen

Ein Abtreibungsverbot, wie die Piusbrüder es fordern, wäre ein fataler Angriff auf die weibliche Selbstbestimmung. Ein solcher herrschaftlicher Zugriff auf den Frauenkörper sichert dem Staat bzw. der Gesellschaft die Kontrolle über die Reproduktion der Bevölkerung und zementiert Beherrschungsverhältnisse. Die Frau, die vom «lieben Gott» zugedachte Rolle als fürsorgliche Mutter gedrängt wird, die brav Zuhause bleibt, Familie und Manne ehrt sowie fleissig Kinder gebärt, würde in ihrer «christlichen Gesellschaftsordnung» so immer dem Manne untergeordnet bleiben. Ein Abtreibungsverbot, wie die «Lebensschützer» es fordern, schafft Abtreibungen nicht aus der Welt sondern kriminalisiert sie nur. Mögliche Folgen sind Pfuscherei, Selbstabtreibungen, Zwangsgeburten sowie massiver finanzieller und moralischer Druck auf die Betroffenen. Das Recht auf Abtreibung ist also nicht nur ein wichtiges Moment der weiblichen Selbstbestimmung; die Möglichkeit von medizinisch seriösen Schwangerschaftsabbrüchen und ideologiefreier Beratung bedeutet auch einen Schutz der körperlichen und psychischen Gesundheit von Frauen. Solche Machtausübungen folgen immer auch aus finanziellen Interessen und stehen im Kontext von heuchlerischen gesellschaftlichen Moralvorstellungen und sozialen Zwängen. Darum muss auch der Widerstand gegen die rechte Hetze ein Widerstand sein, der ums Ganze geht.

Wir lassen uns nicht einschüchtern!

In Aarau wurden schon am Mittag im Bahnhof, im Graben, um den Kasinopark und in der Igelweid Menschen kontrolliert. Obwohl bereits vor Beginn der Kundgebung Menschen, die aufgrund des Aussehens der «linken Szene» zugeordnet wurden, in Handschellen abgeführt wurden, fanden sich etwa 50-60 kritische Menschen neben der stationären Demonstration der Piusbrüder ein. Als dann kurz nach 15 Uhr ein Megafon auftauchte, um lautstark Kritik zu äussern, reagierten die anwesenden Polizist_innen äusserst agressiv. Ohne zu zögern und ohne die Auflösung der «unbewilligten Demonstration» zu fordern – die notabene noch nicht einmal formiert war – wurden Menschen verhaftet, die Parolen riefen. Auch Menschen, die durch das Verteilen von Flyern auffällig geworden sind, wurden abgeführt. Trotzdem war es möglich, die Kundgebung zumindest zeiweise durch Pfiffe, Rauch und vereinzelte Parolen zu stören.
Die anwesenden Piusbrüder und ihre Sympathisant_innen reagierten sichtlich genervt und die Polizei führte erneut Menschen ab. So wurden an diesem Nachmittag über 20 Personen verhaftet, die jedoch alle im Verlauf des Abends wieder entlassen wurden.
Die Menschen mussten in einem improvisierten Gewahrsam teilweise über eine Stunde ausharren, bis sie zur Einvernahme mussten. Einzelne Personen mussten in Einzelhaft und Handschellen darauf warten. Trotzdem war die Stimmung im Polizeiposten im Amtshaus überraschend gut und kämpferisch, auch wenn vereinzelt vielleicht Anzeigen wegen «Teilnahme an einer unbewilligten Demonstration» auf Menschen zukommen könnten. Falls dies geschehen sollte, kann mensch sich beim Antirep Aarau (antirepaarau[at]immerda[punkt]ch) melden, um Unterstützung zu bekommen.

Wir lassen uns von Repression nicht einschüchtern!
Gegen reaktionäre Ideen, Sexismus, Homophobie und Antisemitismus!
Für ein selbstbestimmtes Leben!

Quelle: http://ch.indymedia.org/de/2013/10/90578.shtml

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