Erfolgreiche Black Lives Matter Demonstration in Luzern

700 Personen nahmen am Samstagnachmittag an einer Black Lives Matter Demo in Luzern teil.



Der Umzug startete um 14:30 Uhr auf dem Bahnhofplatz mit 300 Personen und zog danach durch die Zentralstrasse, Winkelriedstrasse und den Hirschgraben Nach einer Ansprache beim Regierungsgebäude führte die Demonstration durch die Bahnhofstrasse zurück zum Bahnhofplatz, wo die Demo nach etwa einer Stunde endete.

Menschen mussten weggeschickt werden

Auf Grund der aktuellen Covid 19 Situation waren an der Demonstration nur 300 Personen zugelassen. Die Organisatoren sind überwältigt von der Solidarität der Luzerner Bevölkerung. Zahlreiche Menschen mussten vom Besammlungsplatz weggeschickt werden. Sie wurden dazu ermuntert mit ihren Schildern an einem anderen Ort in der Stadt auf das Anliegen aufmerksam zu machen. Unterwegs bekundeten zahlreiche Zuschauer*innen immer wieder ihre Zustimmung zur Demonstration. Viele schlossen sich spontan dem Umzug an, so wuchs die Demo immer weiter

Solidarität und die Schweiz im Fokus

Nebstdem die Demonstrant*innen ihre Solidarität mit den weltweiten Protesten bekundeten, machten sie auch auf Missstände in der Schweiz aufmerksam. Racial Profiling, Nachteile auf dem Wohn- und Arbeitsmarkt, Polizeigewalt und Alltagsrassismus wurden thematisiert. Als Racial Profiling bezeichnet man das Agieren der Polizei anhand von Kriterien wie ethnischer Zugehörigkeit, Religion oder nationaler Herkunft und nicht anhand konkreter Verdachtsmomente. Mindestens 18 Personen wurden in den letzten 20 Jahren bei Polizeikontrollen oder in Haft in der Schweiz getötet. Um ihnen und allen anderen durch die Polizei getöteten Menschen zu gedenken wurde am Schluss eine Schweigeminute gehalten.

Der Protest ist nicht zu Ende

Die Demonstrant*innen wollen weiter kämpfen. Sie wollen den Rassismus beenden. Das dies mit einer einzelnen Demo nicht geschafft ist, ist den Organisator*innen klar. Sie wollen deshalb weiter aktiv bleiben und auch in der Zukunft Protestaktionen organisieren.

Quelle: www.resolut.tk

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Black Lives Matter Demo in Luzern am 13.6.20

Am kommenden Samstag organisiert die Aktivist*innen Gruppe RESolut zusammen mit dem Eritreischen Medienbund und Einzelpersonen eine Black Lives Matter Demo in Luzern.



Nach Protesten in den USA, auf der ganzen Welt und in zahlreichen Städten in der Schweiz, wird nun auch eine Demo in Luzern stattfinden. Wir solidarisieren uns mit den Protesten in den USA und gehen auch gegen strukturellen Rassismus und rassistische Polizeigewalt in der Schweiz auf die Strasse. Die Demo in Luzern soll bewilligt stattfinden, so können alle mitlaufen. Die Organisator*innen haben dazu ein Bewilligungsgesuch und ein Corona-Schutzkonzept eingereicht. Ein Gespräch mit der Stadt sei positiv verlaufen. Um sicherzustellen, dass nicht mehr als 300 Personen teilnehmen, wird der Besammlungsplatz abgesperrt und Zutrittskontrollen durchgeführt. Ausserdem müssen die Teilnehmer*innen ihre Kontaktdaten angeben um die Rückverfolgbarkeit zu gewährleisten.
Die Demonstration wird sich um 14:00 Uhr auf dem Bahnhofplatz besammeln. Die Route führt anschliessend durch die Neustadt und endet wieder auf dem Bahnhofplatz.

Paradoxe Situation für die Organisator*innen
Normalerweise würde man mit möglichst vielen Teilnehmenden ein Zeichen setzen. An der Demo am Samstag dürfen jedoch nicht mehr als 300 Personen teilnehmen. «Aufgrund der aktuellen Covid-19 Situation bitten wir interessierte Menschen, People of Color den Vortritt zu lassen und die Demo wieder zu verlassen, sollten mehr als 300 Personen zur Besammlung kommen» sagt eine Veranstalterin. Solidarität könne man mit einem Transparent oder einem Plakat immer und überall zeigen.

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Die Sprache derer, die nicht gehört werden

Nach dem gewaltsamen Tod von George Floyd werden die Vereinigten Staaten von ausgedehnten »riots« erschüttert.

Es sind die schwersten Unruhen in den Vereinigten Staaten seit 1968. Am Wochenende kam es in US-amerikanischen Großstädten erneut zu heftigen Protesten wegen des Todes von George Floyd. In zahllosen Städte, beispielsweise Minneapolis, Washington, Miami, Detroit, Chicago, New York und Los Angeles, fanden riots statt, es gab Verletzte und erhebliche Sachschäden. CNN zufolge verhängten mindestens 40 Städte nächtliche Ausgangssperren, mindestens 15 der 50 Bundesstaaten mobilisierten demnach die Nationalgarde. Anzeige


In den Tagen zuvor waren die Demonstrationen noch friedlich verlaufen. Tausende marschierten wegen des gewaltsamen Todes von George Floyd, einem unbescholtenen Bürger und Vater zweier Töchter. Am Abend des 25. Mai hatte eine Polizeistreife auf den Hinweis reagiert, Floyd habe versucht, in einem Laden mit Falschgeld zu bezahlen. Einer der Beamten, der 44jährige Derek Michael Chauvin, gegen den bereits 18 offiziell eingereichte Beschwerden vorlagen, drückte Floyd zu Boden und stemmte mehr als acht Minuten lang sein Knie gegen dessen Genick. Eine Handykamera filmte das Geschehen. Es ist zu sehen, wie Floyd um sein Leben fleht. »Ich kann nicht atmen«, sagt er mehrmals, doch vergeblich. Ein Krankenwagen brachte den reglosen Mann ins nahegelegene Hennepin County Medical Center, wo er für tot erklärt wurde.

Erstmals seit 1992 sind in der Innenstadt von Los Angeles wieder Panzerfahrzeuge und Soldaten zu sehen. Die schrillen Sirenen und lauten Rufe in der Nacht sind bis in die frühen Morgenstunden zu hören.

Floyd war 46 Jahre alt. Er war Afroamerikaner, Chauvin ist Weißer. Die Tötung Floyds war der neueste Gewaltakt auf einer langen, unrühmlichen Liste von Übergriffen. »Es ist eine Liste, die mehr als 400 Jahre zurückgeht«, sagte der demokratische Präsidentschaftskandidat Joe Biden bei einer Videoansprache am 29. Mai. »Schwarze Männer, Frauen, Kinder – die Ursünde dieses Landes beschmutzt unsere Nation noch heute.« Jene »Ursünde«, die systematische Diskriminierung von Afroamerikanern, nahm 1619 ihren Anfang, als die ersten afrikanischen Sklaven nordamerikanischen Boden betraten. Mit dem Ende des amerikanischen Bürgerkriegs 1865 endete die Sklaverei, doch im selben Jahr wurde auch der Ku-Klux-Klan gegründet. Vom Ende des Bürgerkriegs bis 1950 wurden in den USA über 4 000 Lynchmorde dokumentiert. In den sechziger Jahren kam es dank der Bürgerrechtsbewegung zu wichtigen Reformen wie dem Civil Rights Act von 1964, doch auch heute noch leidet die schwarze Minderheit unter behördlicher Willkür, weil die Machtstrukturen von der weißen Mehrheitsgesellschaft geprägt sind. Besonders gilt dies für die Polizei. Berüchtigt war beispielsweise Daryl Gates, von 1978 bis 1992 Polizeichef von Los Angeles. 1982 sagte er in einem Interview, dass Afroamerikaner vor allem deshalb im Würgegriff von Polizeibeamten ums Leben kämen, weil ihr Körperbau »anders« sei als bei »normalen Menschen«. Es waren Gates und sein Amtsvorgänger William Parker, die das Los Angeles Police Department stark militarisierten und die Polizei mit Panzerfahrzeugen und Helikoptern in beziehungsweise über der Stadt patrouillieren ließen. Parker und Gates schufen ein Modell, dem fast alle US-amerikanischen Großstädte bis heute folgen.

1991 verprügelten im kalifornischen Simi Valley vier Polizeibeamte den schwarzen Bauarbeiter Rodney King mit Schlagstöcken, sie wurden im folgenden Jahr von einem Geschworenengericht freigesprochen. Auch der Angriff auf King war auf Video festgehalten worden. Die Diskrepanz zwischen dem Freispruch und der Brutalität der Tat – 33 Schläge und sieben Tritte – war klar erkennbar. So kam es nach dem Freispruch in Los Angeles zu den schwersten Unruhen in der Geschichte der Stadt, über 60 Menschen kamen zu Tode. In den Folgejahren kam es zu einer weitreichenden Polizeireform, heutzutage untersteht die Polizei von Los Angeles einer zivilen Aufsichtskommission.

Doch viele der Probleme bestehen weiterhin, auch in anderen Städten. 2014 wurde in New York City der 43jährige, asthmakranke Eric Garner von einem Beamten des New York Police Department erwürgt; die Anwendung des Würgegriffs war im Vorjahr verboten worden. Vor seinem Tod sagte auch Garner: »Ich kann nicht atmen.« Das zuständige Gericht beschloss, keine Anklage zu erheben; 2019 wurde der betreffende Beamte allerdings aus dem Polizeidienst entlassen. Bei einer Verkehrskontrolle außerhalb von Minneapolis erschoss 2016 ein Polizist den 32jährige Philando Castile vor den Augen seiner Freundin Diamond Reynolds und deren vierjähriger Tochter. Reynolds filmte die Sekunden nach der Tat mit ihrem Handy und veröffentlichte das Video auf sozialen Medien, doch der Täter wurde später freigesprochen. Dass solch schwere polizeiliche Übergriffen seit der Prügelattacke auf Rodney King 1991 so viel Protest nach sich ziehen, liegt auch an der wachsenden Verbreitung von Videotechnik. Damals war die Aufnahme eines Amateurfilmers im Fernsehen zu sehen gewesen, mittlerweile schaffen die Allgegenwart von Handykameras und die Verbreitung von Aufnahmen im Internet eine neue Art von Transparenz – zumindest geschehen viele dieser ­Taten also nicht mehr unbemerkt von der Öffentlichkeit.

Es gibt auch Bemühungen, belastbare Statistiken zu erstellen. Die Ergebnisse sind erschreckend: Afroamerikaner werden im Durchschnitt 2,5 Mal häufiger von der Polizei getötet als Weiße, wie aus einer gemeinsamen Studie der Rutgers University, der Washington University, der University of Michigan und des St. Louis Department of Sociology hervorging. Die konservative Zeitschrift National Review berichtete am 31. Mai, dass sich vor allem Polizeigewerkschaften gegen jede Form von Transparenz sträubten. So unterliegen beispielsweise die bereits erwähnten 18 Beschwerden, die gegen Derek Chauvin vorliegen, einer Vertraulichkeitsvereinbarung, die die Polizei von Minneapolis mit der zuständigen Gewerkschaft getroffen hat.

Nur wenige Fälle polizeilicher Gewalt kommen tatsächlich vor Gericht, und selbst dann ist es schwierig, eine strafrechtliche Verurteilung zu erwirken, wie die Nachrichtenagentur Reuters am 8. Mai berichtete. Die Gerichte müssen in solchen Fällen die Frage stellen, ob die Beamten bei ihrer Gewaltanwendung wissentlich und vorsätzlich gegen den vierten Zusatzartikel der Verfassung verstoßen haben, der die Bürger vor staatlichen Übergriffen schützt. Falls das Gericht das verneint, erhalten die angeklagten Beamten automatisch eine »eingeschränkte Immunität«, die sie vor weiteren Klagen schützt. Seit der Grundsatz der eingeschränkten Immunität 1967 erstmals rechtskräftig angewandt wurde, hat er Tausende Beamte vor strafrechtlicher Verfolgung geschützt. Kein Wunder, dass die Anzahl tödlicher Übergriffe durch Polizisten immer weiter zu steigen scheint. Dem Online-Projekt »Fatal Encounters« des Journalisten D. Brian Burghart zufolge, der Zwischenfälle dieser Art seit 2000 akribisch katalogisiert, droht das Jahr 2020 in Hinblick auf tödliche Polizeigewalt das blutigste seit Beginn der Dokumentation zu werden; bis zum 1. Juni wurden 819 polizeiliche Tötungen registriert. Das Vertrauen in den Rechtsstaat ist erschüttert. »Ich möchte endlich Taten sehen«, sagte Tera Brown, die Cousine von George Floyd, der New York Times. »Das war eindeutig Mord.«

Als die Staatsanwaltschaft in Minneapolis am Donnerstag voriger Woche bekanntgab, gegen Chauvin keine Anklage zu erheben, entlud sich die geballte Wut. In Minneapolis stürmten Protestierende ein zuvor evakuiertes Polizeirevier und brannten es nieder. Am Freitag wurde Chauvin zwar doch noch verhaftet, die Unruhen waren aber nicht mehr aufzuhalten. Zahllose Demonstranten strömten durch die Großstädte der Vereinigten Staaten. Im Lafayette Square, einem Park in Washington, D.C., kam es wiederholt zu Auseinandersetzungen mit der Polizei. Das Weiße Haus, das sich direkt neben dem Park befindet, unterliegt einer Absperrung. Als Protestierende sich Freitagabend vor dem Weißen Haus sammelten, brachten Geheimdienstmitarbeiter Präsident Donald Trump in den unterirdischen Bunker, der zuletzt bei den Terrorangriffen vom 11. September 2001 genutzt worden war. Von dort twitterte er eifrig.

Auch in anderen Städten herrscht der Ausnahmezustand. In Los Angeles wurde eine Ausgangssperre verhängt, Bürgermeister Eric Garcetti hat am Samstag den Einsatz der Nationalgarde autorisiert. Erstmals seit 1992 sind in der Innenstadt wieder militärische Panzerfahrzeuge und Soldaten zu sehen, die in den Straßen patrouillieren. Die schrillen Sirenen und lauten Rufe der Nacht sind bis in die frühen Morgenstunden zu hören. Eine Apple-Filiale wurde geplündert. Den teuren Rodeo Drive in Beverly Hills schützt eine Polizeiabsperrung. Der Schlachtruf der Demonstranten ist: »Ich kann nicht atmen.«

In der US-amerikanischen Linken ist eine heftige Debatte darüber entbrannt, inwieweit solche riots politisch sinnvoll sind. »Amerika muss erkennen, dass solche Unruhen nicht aus dem Nichts entstehen«, sagte der Bürgerrechtler Martin Luther King Jr. in einer Rede im April 1967. »In unserer Gesellschaft gibt es weiterhin Bedingungen, die ebenso energisch verurteilt werden sollten wie die Unruhen. Letztlich ist ein Aufstand die Sprache derer, die nicht gehört wurden.«

Quelle: https://jungle.world/artikel/2020/23/die-sprache-derer-die-nicht-gehoert-werden

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Trump heizt Riots an

US-Präsident provoziert und diffamiert Proteste gegen rassistische Polizeigewalt. Einsatzkräfte lassen Taten folgen



Inmitten der sozialen Spannungen in der Coronakrise gerät US-Präsident Donald Trump angesichts der sich mittlerweile über fast die gesamten Vereinigten Staaten ausbreitenden Proteste gegen rassistische Polizeigewalt offenbar immer mehr in Bedrängnis. Darauf deuten zumindest seine aggressiv-martialischen Statements, mit denen er die Situation im Land immer weiter anheizt. Neben dem Ruf nach »Law and Order« (Recht und Ordnung) forderte Trump am Sonntag (Ortszeit) die Bürgermeister und Gouverneure der Demokratischen Partei dazu auf, eine »härtere Gangart« zu fahren. »Diese Leute sind Anarchisten. Ruft jetzt die Nationalgarde. Die Welt schaut zu und lacht euch aus.« Auch die Verantwortlichen für die Proteste hat der Präsident längst ausgemacht, weshalb er ebenfalls am Sonntag und wieder über Twitter erklärte, »die Antifa« als Terrororganisation einstufen zu wollen.

Am Sonntag war es den sechsten Tag in Folge zu Protesten in praktisch allen Großstädten der USA gekommen. Auslöser für die Wut ist der Tod des schwarzen US-Bürgers George Floyd durch den Übergriff eines weißen Polizisten in Minneapolis im US-Bundesstaat Minessota, der vergangenen Montag den Mann minutenlang mit dem Knie in seinem Nacken zu Boden gepresst hatte, bis dieser erstickte. Zwar wurde der Beamte mittlerweile verhaftet und soll am 8. Juni vor Gericht aussagen. Unter dem Motto »No justice – no peace« (Keine Gerechtigkeit – kein Frieden) haben die Proteste mittlerweile jedoch eine eigene Dynamik entwickelt.

Wie der TV-Sender CNN berichtete, haben bereits 15 der insgesamt 50 US-Bundesstaaten sowie der Hauptstadtbezirk Washington die Nationalgarde gegen die Protestierenden mobilisiert. Mindestens 40 Städte verhängten zudem nächtliche Ausgangssperren, darunter auch Washington D. C. Trotzdem kam es in der Nacht auf Montag auch dort zu Protestaktionen unter anderem in direkter Nähe des Weißen Hauses, die teilweise in Auseinandersetzungen mit den Einsatzkräften mündeten. Aus Angst vor den aufgebrachten Massen hatte sich Trump laut einem CNN-Bericht bereits am Freitag in seinen Bunker geflüchtet.

Während die westlichen Regierungen zu den Vorkommnissen schweigen, meldete sich am Montag ein Sprecher des chinesischen Außenministeriums zu Wort. Wie Xinhua berichtete, erklärte Zhao Lijian: »Wir verfolgen die jüngsten Entwicklungen rund um den Tod von Herrn Floyd.« Zudem forderte er die US-Regierung dazu auf, die Menschenrechte zu wahren.

Das forderten am Wochenende auch zahlreiche Gruppen in anderen Ländern. So zogen am Sonntag mindestens 1.500 Menschen durch Berlin, nachdem sich bereits am Sonnabend Tausende vor der US-Botschaft versammelt hatten. Auch in anderen europäischen Städten wie London, Madrid, Barcelona oder Kopenhagen forderten Protestierende ein Ende der rassistischen Polizeigewalt.

Quelle: https://www.jungewelt.de/artikel/379359.proteste-gegen-rassismus-trump-heizt-riots-an.html

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Covid-19, Klassengesellschaft und anarchistische Selbstreflexion

Quelle: https://www.ajourmag.ch/covid-19-klassengesellschaft-und-anarchistische-selbstreflexion/

Wie kämpfen? Diese grosse Frage bringt die Corona-Krise mit neuer Dringlichkeit aufs Parkett. Gastautor M. Lautrèamont hat sich dazu grundsätzliche Gedanken gemacht und unterzieht einige aktuelle Erscheinungen des Linksradikalismus der Kritik.

Das Erstaunen war gross, als Anfang Mai 2020 in den Medien die Nachricht kursierte, dass in Genf 2500 Menschen stundenlang im Regen ausharrten, um kostenlose Lebensmittelpakete zu erhalten. Armut und Prekarität hierzulande? Das passt doch nicht ins Selbstbild der modernen Schweiz! Es sollte nicht das letzte Mal sein, dass in Genf so viele Leute anstanden und auch in Zürich und Basel sind mit dem Fortschreiten der ökonomischen Krise immer mehr Leute auf kostenlose Grundnahrungsmittel und Hygieneartikel angewiesen. Es ist kaum verwunderlich, dass aus dem bürgerlichen Lager die Bilder der kilometerlangen Menschenschlange kleingeredet wurden. Die noch miserablere Lage in anderen Ländern diente als willkommener Relativierungsfaktor.    

Selbst der Nachklang all jener Stimmen von Aktivist*innen und marginalisierten Menschen, die seit Jahren versuchen mit dem ideologischen Selbstbild des Wirtschaftsstandorts Schweiz zu brechen, schien im Strudel der sozialen Medien ungehört zu verhallen. Dass diejenigen Leute, die keine Aufenthaltsbewilligung haben oder dazu gezwungen sind, sich im Billiglohnsektor zu verdingen, am härtesten von den wirtschaftlichen Einbrüchen betroffen sein würden, war zu erwarten. Meist sind es migrantische Frauen – egal ob in einem formellen oder informellen Arbeitsverhältnis. Dass bürgerliche Politiker*innen die elende Situation so vieler Menschen relativieren, ist ebenfalls nicht überraschend. Überraschend ist einzig die Passivität der Linken und der Anarchist*innen. Auf analytischer Ebene erfassen sie zwar meistens die soziale Dimension der Corona-Krise, doch auf praktischer Ebene scheinen sie, mit einigen Ausnahmen, vollkommen gelähmt – und das nicht nur aufgrund der staatlichen Lockdown-Massnahmen.

Selbstreferenzieller Aktivismus

Es ist klar, dass die momentane Lage den Radius widerständiger Aktionen reduziert. Da sich aber eine ökonomische Krise anbahnt, täten Linke und Anarchist*innen gut daran, sich auf kommende Kämpfe vorzubereiten und die eigenen theoretischen und praxisbezogenen Mängel zu reflektieren. Die missliche Lage der selbsternannten Revolutionär*innen hierzulande hat Programm, weil die linksradikale und anarchistische Szene jahrzehntelang durch einen selbstreferenziellen Aktionismus gekennzeichnet war. Durch das momentane Ausbleiben einer revolutionären Massenbewegung und die Unmöglichkeit eines Aufstands sieht sich die revolutionäre Aktivist*in einmal mehr auf sich selbst und ihre Szene zurückgeworfen. Die Aufrechterhaltung dieser festgesetzten Rolle – die an ein radikales Auftreten, spezifische sprachliche Ausdrücke und ritualisierte Aktionsformen gekoppelt ist – wird im schlimmsten Fall zur identitätsstiftenden politischen Praxis und dreht sich nur noch um sich selbst. Dabei stellt sich die Frage, ob eine emanzipatorische politische Praxis den eigenen politischen Zusammenhang (egal ob Affinitätsgruppe oder grössere Organisation) oder die Bedürfnisse unserer Klasse ins Zentrum stellen sollte. All diese Einwände sind nichts Neues, doch sie sollten immer wieder aufgegriffen werde, solange die Probleme, auf die sie zielen und aufzeigen, bestehen. Denn der selbstreferenzielle Aktivismus ist Symptom einer Selbstisolation im Szenekuchen.

Selbst das, was als Theorie und Analyse begriffen wird, fungiert meist als Legitimationsideologie für die eigene Praxis und Selbstisolation. Während der selbstreferenzielle Aktionismus die Theorie als Legitimierung des eigenen Handelns missbraucht, rechtfertigen die Intellektuellen ihr Nichtstun mit Theoriearbeit. Wer sich nicht in die identitätsstiftende und spektakuläre Welt des Aktivismus stürzt, richtet sich eine kleine intellektuelle Nische ein, in der die Resignation mit einer Zurückweisung jeglicher Praxis einhergeht. Was schliesslich bis zu einer merkwürdigen Nachahmung des so verteufelten Akademismus führen kann. Wenn Intellektuelle um ihrer Intellektualität willen über die verallgemeinerte Misere des Kapitalismus sinnieren, scheinen sie eine radikale und sozial-revolutionäre Perspektive zu verteidigen. Ihre Kritik bleibt indes idealistisch, weil ihr jeglicher praktischer Handlungshorizont abhanden kommt oder gar nie anvisiert wurde.

So schwadronieren Aktivist*innen und Intellektuelle von der sozialen Revolution, als wäre sie ein rein voluntaristischer Akt der selbsternannten Revolutionär*innen. Diese sollen durch Handlungen oder Ideen, den revolutionären Geist der Arbeiter*innenklasse entfachen. Der holländische Rätekommunist Cajo Brendel kritisierte Ende der 1970er Jahre solche Positionen, als er festhielt, dass nicht diejenigen die Gesellschaft revolutionieren, die «nicht müde werden von einer sozialen ‹Revolution› zu reden», sondern jene, «welche bloss ihre materiellen Interessen verteidigen, ohne überhaupt eine Revolution zu beabsichtigen.»

Die Lage des hiesigen linksradikalen und anarchistischen Milieus ist zwar alles andere als vielversprechend.  Aber wir müssen uns fragen: Wann soll es gelingen, die staaten- und klassenlose Gesellschaft international wieder als realistisches Ding der Unmöglichkeit zu positionieren, wenn nicht zu Zeiten, in denen selbst in der befriedeten Schweiz die Klassenwidersprüche in aller Deutlichkeit an die Oberfläche katapultiert werden?

Relativierungen und Ausnahmezustand

Selbstverständlich werden aus der aktuellen chaotischen Lage nicht automatisch emanzipatorische Kämpfe entstehen und die Gefahr, dass autoritäre und nationalistische Positionen noch mehr Aufschwung erhalten, ist gross. Es besteht auch die Möglichkeit, dass viele Leute sich vermehrt mit «Vater Staat» identifizieren, der seine «hilfsbedürftigen Bürger*innen» vor dem Virus und dem damit verbundenen wirtschaftlichen Einbruch schützt. Passiv zu bleiben wäre aber ein grosser Fehler. Um über revolutionäre Interventionsmöglichkeiten nachzudenken, ist allerdings eine kritische Auseinandersetzung mit fragwürdigen gegenwärtigen Analysen unentbehrlich. Ansonsten leidet darunter auch die emanzipatorische Praxis.  

Ende März dieses Jahres publizierte die Zeitung Le Monde ein Interview mit dem italienischen Philosophen Giorgio Agamben, dessen Analyse zur Corona-Krise vielen anarchistischen Positionen ähnelt. Der 78-jährige Agamben schien sichtlich überfordert mit der aussergewöhnlichen Lage und hatte nichts Besseres zu tun, als die Pandemie kleinzureden und zu relativieren. Die Medien hätten Angst und Panik geschürt, das ganze Leben drehe sich nur noch um das blanke Überleben. Dies bilde einen perfekten Nährboden für den Autoritarismus im Namen der Gesundheit und der Sicherheit. Agamben ist zuzustimmen, dass die Eindämmungsmassnahmen einen autoritären Charakter haben. Genauso ist es Tatsache, dass Rechtsbeschränkungen schwer rückgängig gemacht werden können, sobald sie einmal implementiert worden sind. Doch die Pandemie als «Medienhysterie» zu bezeichnen und sie zu relativieren, indem sie implizit mit einer normalen Grippewelle verglichen wird und dabei auch noch eine pragmatische Abwägung zwischen bürgerlichen Freiheiten und der Gesundheit zu fordern, bedeutet, zu ignorieren, welche Konsequenzen unzähligen Lohnarbeiter*innen drohten.

Die einseitige Fokussierung auf das Vorgehen des Staates, abgekoppelt von wirtschaftlichen Prozessen, ist vor allem in anarchistischen Kreisen anzutreffen. Auch wenn eine Kritik des Agierens des Staates von enormer Wichtigkeit ist, wird durch eine einseitige Fokussierung auf diesen Aspekt nicht nur eine differenzierte Auseinandersetzung mit der aktuellen Lage vermieden, sondern die Pandemie selbst wird in postmodern anmutender Manier zu einem rein diskursiven Phänomen umdeklariert. Der argentinische Marxist Rolando Astarita fragt in diesem Kontext berechtigterweise: «Wenn alles eine ‹neoliberale Medienhysterie› ist, warum sollte man sich dann mit den materiellen, objektiven Bedingungen befassen, unter denen die Massen leben oder arbeiten und dem Virus ausgesetzt sind?»4

Auch der geforderte Pragmatismus Agambens konzentriert sich in diesem Sinne nur auf das Agieren des Staates, ohne zu beachten, dass im Umkehrschluss eine Zurückhaltung des Staates in Zeiten einer Pandemie einen grossen Teil der proletarisierten Massen dazu gezwungen hätte, die eigene Gesundheit – mehr noch als sonst – auf’s Spiel zu setzen. Arbeiter*innen in verschiedenen Ländern haben diese Gefahr erkannt und die Arbeit verweigert.

Eine Kritik an den staatlichen Massnahmen sollte es vermeiden, ins Fahrwasser der ewigen Apologet*innen des freien Marktes zu geraten, die im Namen der Freiheit ungeniert die Weiterführung der Ausbeutung fordern – egal was die gesundheitlichen Konsequenzen für die Arbeiter*innen sind: Wir sollen uns bis zum Umfallen als doppelt freie Lohnarbeiter*innen verdingen und unsere Gesundheit auf’s Spiel setzen. Das ist das blanke Überleben. Diejenigen hingegen, die vorübergehend von der Arbeit «befreit» sind, müssen um ihre Existenz bangen. Wer Glück hat, für den wird hierzulande Kurzarbeit angemeldet. Aber zwanzig Prozent weniger Lohn, ist für viele nur schwer zu verkraften. Im selben Zug fühlen sich viele, die bei vollem oder magerem Lohnausgleich zu Hause bleiben können, schlichtweg von der Gesellschaft ausgeschlossen, isoliert und überflüssig.

Wissenschaft und Gesundheit

Wie Tristan Leoni und Céline Alkamar in ihrem Artikel «Koste es, was es wolle. Der Virus, der Staat und wir» über die Situation in Frankreich schreiben – wo die staatlichen Massnahmen strenger sind als hierzulande – täten wir falsch daran, das staatliche Vorgehen im Zuge der Pandemie rein repressiv und machtpolitisch zu verstehen. Die gesundheitliche Dimension des ganzen Schlamassels darf nicht ausser Acht gelassen werden. Aus dem medizinischen Bereich wurden bereits vor dem Inkrafttreten der staatlichen Massnahmen in verschiedenen Ländern Stimmen laut, die eine möglichst schnelle und konsequente Einschränkung der wirtschaftlichen Normalität forderten. Aus Angst, den eigenen Wirtschaftsstandort zu gefährden, reagierten jedoch viele Staaten zunächst zögerlich. Das führte ironischerweise dazu, dass kurze Zeit später umso drastischere Massnahmen erforderlich wurden. Doch letzten Endes hatten die Massnahmen einen rationalen Kern: Auch in einer Gesellschaft ohne Staat, in einer vom Kapitalismus befreiten Gesellschaft, hätte man weitgehend auf Social-Distancing-Massnahmen zurückgreifen müssen, um die Pandemie einzudämmen. Die Massnahmen wären aber dann hoffentlich nicht von oben nach unten angeordnet worden und die physische Distanzierung wäre vermutlich an soziale Solidarität gekoppelt gewesen. Dies sei erwähnt, weil viele in ihrer Ablehnung gegen den Staat eine Anti-Haltung gegen die Eindämmungsmassnahmen einnehmen und das zugrundeliegende gesundheitliche Problem aus den Augen verlieren.

Dann gibt es noch diejenigen Anarchist*innen, die die Wissenschaft verteufeln (PDF) und dementsprechend praktisch alles, was Epidemolog*innen und Virolog*innen sagen, zurückweisen. Ihnen sei nur Folgendes gesagt: Aus meiner Sicht haben anti-wissenschaftliche Positionen zu diesem historischen Zeitpunkt mehr mit Verschwörungstheorien gemein als mit Bakunin. Dieser kritisierte zwar die unhinterfragte Autorität und Machtposition der Wissenschaft, gestand aber trotzdem ein, dass es Leute gibt, die in einem bestimmten Gebiet über mehr Wissen und Erfahrung verfügen als andere. Daraus folgt nicht, dass man sich unüberlegt der Expertise eines anderen zu unterwerfen hat, sondern, dass sich die eigene Position in der Auseinandersetzung mit Argumenten und verschiedenen Positionen entwickeln sollte. Eine Haltung, die davon ausgeht, dass alles, was nach institutionalisierter Autorität riecht, per se falsch ist, kann damit nicht begründet werden.

Aus meiner Sicht gehört also zu einer emanzipatorischen Praxis in Zeiten von Covid-19, die Pandemie nicht kleinzureden, die Verschlechterung der Lebensverhältnisse nicht zu ignorieren, kritisch gegenüber dem Vorgehen des Staates und seinen Institutionen zu bleiben, den Tod von Menschen nicht zu bagatellisieren und die Zwiespältigkeit der Forderung nach individueller Freiheit anzuerkennen – weil diese in der bürgerlichen Gesellschaft an die Freiheit des Marktes gekoppelt ist. Die Rückkehr zur wirtschaftlichen Normalität ist keine Freiheit.

Solidarität ist en vogue

Es käme einer Anmassung gleich, ein starres Konzept zu präsentieren, was aus sozialrevolutionärer Perspektive in diesem Moment zu tun ist. Doch einige der grundlegenden Säulen des Anarchismus in Erinnerung zu rufen ist essenziell: Selbstorganisation, gegenseitige Hilfe, Anti-autoritarismus und Solidarität. Die Frage ist nur, wie können diese Konzepte kombiniert werden, ohne Wohltätigkeitsarbeit nachzuahmen und wie kann daraus eine offensive Stärke entwickelt werden.

Es ist für Sozialrevolutionär*innen natürlich irritierend, zu sehen, wie die kleinen Ansätze von selbstorganisierter Solidarität, die Nachbarschaftshilfen, die Gabenzäune, die Essensausgaben, die Unterstützung für Geflüchtete oder arbeitsrechtliche Beratungen von Basisgruppen bis weit ins bürgerliche Lager hinein auf Sympathie stossen. Das sollte uns aber nicht davon abhalten, mit unseren Ideen, Praktiken und Analysen versuchen in verschiedenen solidarischen Zusammenhängen zu intervenieren und uns über die Szeneschranken hinaus zu vernetzen. Sobald es die Zustände ermöglichen, ist es selbstverständlich auch wichtig, sich kollektiv den öffentlichen Raum wieder zu nehmen und gegen die sich anbahnende Verschlechterung unserer Lebensverhältnisse zu mobilisieren. Doch auch eine breitere Vernetzung an den Arbeitsplätzen und in den Quartieren dürfte von Bedeutung sein, um die auf uns zurollenden sozialen Angriffe zu bekämpfen.

Wir müssen versuchen, unsere gesellschaftliche Rolle als atomisierte Subjekte aufzuheben und uns über unsere subkulturellen Schranken hinweg zu vernetzten und mit Leuten zu solidarisieren, die nicht zu unserem linksradikalen und anarchistischen Milieu gehören. Natürlich kann es mühsam sein, wieder Grundsatzdiskussionen führen zu müssen, doch um einen antiautoritären, feministischen und antikapitalistischen Pol mittel- bis längerfristig zu etablieren, sollten wir solidarische Beziehungen und Strukturen quer durch die Gesellschaft aufbauen. Das ist nicht zu verwechseln mit dem Aufbau von Massenorganisationen und dem damit verbundenen Zahlenfetisch. Denken wir etwa an die chilenische Revolte, im Zuge derer sich Territorialversammlungen im ganzen Land verbreiteten: In ihnen sind Koordinierungsinstanzen entstanden, durch die unsere Klasse ihre Bedürfnisse artikulieren und die Befriedigung derselben organisieren kann – von der Solidarität im Quartier in Form von Essensverteilung und Voküs bis zur kollektiven Verteidigung gegen Bullenangriffe.

Die kollektive Selbstorganisation ist aus meiner Sicht auch hierzulande essenziell, um aus der aktuellen defensiven Lage herauszufinden. Das entspricht leider oft nicht dem Selbstbild vieler selbsternannter Revolutionär*innen, die Revolution bloss als Aufstand, Strassen-Action, Heldentum und hollywoodeske Inszenierung von Radikalität verstehen, anstatt als einen Prozess, in welchem neue soziale Beziehungen etabliert werden müssen. Dass beispielsweise Basisarbeit in vielen Fällen viel wichtiger ist, als sich selbst beim Farbanschlag zu filmen, kommt einer Banalität gleich. Doch als neoliberale Subjekte sehnen wir uns nur allzu oft eher nach dem Spektakel, als nach der Überwindung der eigenen Atomisierung. Um Missverständnisse zu vermeiden: Das soll nicht heissen, dass ich Militanz ablehne. Die Kritik gilt lediglich einer unreflektierten und selbstreferenziellen Militanz. Einige Anarchist*innen haben das bereits vor mir schön auf den Punkt gebracht: «Das Problem ist, dass jene, die denken, dass sie weiter vorne stehen und radikaler sind als die anderen, dies aus einem bestimmten Grund tun. In diesen Fällen liegt der Grund im Gebrauch von gewissen Instrumenten: diejenigen, die reden, schwatzen bloss, diejenigen, die bewaffnet angreifen, agieren. All diese perfekten bewaffneten Kämpfer haben sich in ihre Instrumente verliebt. Sie lieben sie so sehr, dass die Waffen aufhören, solche zu sein. Sie werden zum Selbstzweck, sie werden zum Daseinsgrund. Sie wählen nicht die für den Zweck am besten geeigneten Mittel, sie verwandeln das Mittel zum Zweck an sich.»

Die Zeiten sind scheisse, aber auch zu scheisse um zu resignieren. Und genau in Zeiten wie diesen sollten wir nicht vergessen, dass die soziale Revolution ein realistisches Ding der Unmöglichkeit ist.

Fotos: Uve Sanchez / Unsplash

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Stoppt die rassistischen Übergriffe im Bässlergut

Wir haben heute Mittag vor dem Nölliturm in Luzern ein Transparent mit der Aufschrift «Stoppt die rassistischen Übergriffe im Bässlergut» aufgehängt.

Wir sind entsetzt über die körperlichen Übergriffe im Basler Asylheim Bässlergut, welche von der Rundschau und der WOZ aufgedeckt wurden und fordern eine unabhängige Untersuchung sowie die Freistellung prügelnder Securitas Mitarbeiter*innen. Ausserdem verlangen wir ein Ende der Lager-Politik und eine dezentrale Unterbringung von geflüchteten Menschen.

Mehr Infos:
https://www.srf.ch/play/tv/sendung/rundschau?id=49863a84-1ab7-4abb-8e69-d8e8bda6c989
https://www.woz.ch/2020/asylpolitik/tatort-besinnungsraum

RESolut.tk

Quelle: http://www.resolut.tk/

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Lancierung Petition: Evakuierung Moira

Am 11. Mai lancierte JUSO Stadt Luzern, zusammen mit Seebrücke Luzern, eine Petition, welche die Luzerner Kantonsregierung auffordert, sich beim Bund u.a. für die sofortige Evakuierung vom Flücht- lingscamp Moria in Griechenland stark zu machen. Gleichzeitig soll Bereitschaft signalisiert werden geflüchtete Menschen, auch im Kanton Luzern aufzunehmen.


In Camp Moria müssen zurzeit über 20’000 Menschen unter unmenschlichen Bedingungen leben. Auf 1’500 Menschen kommt ein Wasserhahn, sanitäre Infrastrukturen sind nur spärlich vorhanden und die Möglichkeit der Einhaltung von Hygienestandards ist unmöglich. Während wir Grosskonzerne retten und Millionenbeträge an Dividenden ausgeschüttet werden, verschlimmert sich die Situation in den Flüchtlingslagern auf Griechenland stetig. Solidarität in Zeiten von Corona wird grossgeschrieben. «Wir sitzen alle im gleichen Boot». Leider nein, wir kämpfen vielleicht gegen denselben Sturm an, aber im selben Boot sitzen wir nicht.

Am 18. Mai 20 wird, in der Sondersession des Kantonsrates, eine dringliche Motion der SP-Kantonsrä- tin Sara Muff behandelt, welche den Bund zum Handeln auffordert. Eine Vertagung oder Ablehnung dieser dringenden Motion erachten wir als äusserst bedenklich!

Die Schweiz verfügt über alle Möglichkeiten, sich daran zu beteiligen, eine humanitäre Katastrophe zu verhindern. Wir fordern eine klare Stellungnahme der Kantonsregierung und fordern diese auf, sich beim Bund für die sofortige Evakuierung einzusetzen.

Link zur Petition

Quelle: luzern.juso.ch

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Distanzlos gegen Coronaregeln

Proteste gegen Schutzmaßnahmen in mehreren Städten mit extrem rechter Beteiligung

Quer durch Deutschland ist am Wochenende gegen die Beschränkungen im Zuge der Coronakrise demonstriert worden – wobei zahlreiche Teilnehmer die Auflagen missachteten und den Mindestabstand von 1,5 bis zwei Metern nicht einhielten. Auf dem Alexanderplatz in Berlin kam es nach Polizeiangaben zu gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen Demonstranten und Einsatzkräften. Rund 1.200 Personen hatten sich demnach zu der nicht angemeldeten Demonstration versammelt. Mehrere Teilnehmer skandierten Parolen wie »Wir sind das Volk« oder »Freiheit, Freiheit«. Ein im Internet kursierendes Video zeigt Hendrik Sodenkamp, einen der Initiatoren der Berliner »Hygienedemos«, der sich auf dem Platz, zunehmend verzweifelt, über die Beteiligung von extremen Rechten beschwert – und damit bei anderen Teilnehmern auf Unverständnis stößt: »Ich habe einfach nichts mit Nazis gemein«, sagt er und bekommt zu hören: »Wir sind alle ein Volk«, und: »Dann geh doch weg hier.« Laut Polizei kam es auch zu Flaschenwürfen und Angriffen auf Beamte. 86 Personen wurden ­vorübergehend festgenommen.



In München versammelten sich nach Polizeiangaben rund 3.000 Menschen am zentralen Marienplatz, um gegen die Coronaauflagen zu demonstrieren. Da die Menschenmenge deutlich größer gewesen sei als die angemeldeten 80 Teilnehmer, sei die Einhaltung des Mindestabstands nicht möglich gewesen, teilte die Polizei via Twitter mit. Aufforderungen zur Auflösung kamen die Demonstranten jedoch nicht nach, der Einsatzleiter entschied sich dennoch gegen eine Räumung.

In München und Stuttgart fanden ebenfalls Großkundgebungen statt. Der Thüringer FDP-Chef Thomas Kemmerich nahm an einer Protestveranstaltung in Gera teil, an der sich nach Angaben des Mitteldeutschen Rundfunks (MDR) auch AfD-Vertreter beteiligten. Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) schrieb zu einem Foto, das Kemmerich in dem Protestzug zeigt: »Abstand halten oder Mundnasenschutzbe­deckung? – Fehlanzeige! Vorbildfunktion? – Fehlanzeige!«

https://www.jungewelt.de/artikel/378025.querfront-gegen-beschr%C3%A4nkungen-distanzlos-gegen-coronaregeln.html

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Die Polizei dreht frei am 1. Mai – Betroffene der Willkür berichten

Quelle: https://www.ajourmag.ch/polizei-dreht-frei-am-1-mai/

Die Meinungsäusserungs- und Versammlungsfreiheit sei auch am 1. Mai gewährleistet, hiess es noch am 30. April 2020 aus Bundesbern. So verkündete das Bundesamt für Gesundheit (BAG) im Tagesanzeiger: «Denkbar sind alle Formen von politischen Äusserungen, bei denen es zu keinen Menschenansammlungen kommt (beispielsweise Aufstellen von Plakaten im öffentlichen Raum).» Die Behörden hätten einen Handlungsspielraum, «insbesondere wenn sich nur einzelne Personen an einer Aktion beteiligen». Ganz anderer Meinung waren aber die Sicherheitsorgane verschiedener Schweizer Kantone und Städte. Sie genossen am 1. Mai ihren neuen Spielraum und schritten rigoros gegen jede Regung von Protest ein. Besonders aus den Städten Bern und Zürich erreichten uns Berichte von Repression und Willkürakten rund um den 1. Mai. Aktivist*innen wurden verhaftet, weil sie ein Transparent aufgehängt oder irgendwo ein Plakat mit Klebstreifen angebracht hatten. Fahnen und andere sichtbare politische Statements wurden konfisziert. Und im Knast wurden Verhaftete gedemütigt.

Dabei fällt auf, dass etwa in Bern bereits am 2. Mai 2020 ein völlig anderes Regime galt: Gut 300 Verschwörungstheoretiker*innen und Lockdown-Gegner*innen konnten auf dem Bundesplatz zwei Stunden lang ungestört und eng beisammen demonstrieren. Ganz anders die Linke tags zuvor: In Bern hielt die Polizei sogar einen 97-jährigen Eisenbähnler an, der mit seiner SEV-Gewerkschaftsfahne und einem Freund spazieren ging. Die Fahne wurde prompt konfisziert, die beiden Rentner verwarnt.

Ruhe sollte auch in Zürich die erste Bürgerpflicht sein. Das Aufhängen von Transparenten im öffentlichen Raum wurde zum kriminellen Akt und Robocops nahmen sämtliche Transparente, die sie entdeckten, gleich wieder ab. Kritik und Protest sollte unsichtbar gemacht werden. Bereits am frühen Morgen hielten etwa Vertreter*innen der gewerkschaftlichen Basisgruppe «Zürich bleibt öffentlich» und Arbeiter*innen des Gesundheitswesens vor dem Rathaus einige Reden – coronakonform in Kleingruppen und mit Abständen.

Doch schon nach kurzer Zeit löste ein Grossaufgebot der Polizei die Aktion auf und nahm sogar Verhaftungen vor. Dies mit Verweis auf die geltenden Hygienemassnahmen. Massnahmen, die die Polizist*innen im Unterschied zu den Protestierenden nicht einhielten. Im Verlauf des 1. Mai 2020 wurden in Zürich, wo die grüne Stadträtin Karin Rykart die Polizei anführt, 24 Personen verhaftet und 113 weggewiesen. Dabei kam es auch zu Prügelattacken auf kleinere Ansammlungen.

Ganz anders in Winterthur, wo es wie in der Nachbarsstadt zahlreiche Kleingruppen-Proteste gab, die Polizei aber kaum sichtbar war und völlig passiv blieb. In Basel wiederum war es sogar möglich, eine Distanz-Demonstration mit rund vierhundert Personen durchzuführen.

Kurzum: Der Auftritt einiger Polizeien am diesjährigen 1. Mai zeigt, wie selbstgefällig die Sicherheitsapparate agieren können. Öffnet sich ihnen ein Spielraum, nutzen sie diesen sofort aus und wenden neue Praktiken an, wie es ihnen gerade beliebt. Das zeigen deutlich die folgenden Erfahrungsberichte aus Bern und Zürich. Sie gehören zu einem Dutzend Zeug*innenaussagen, die das Ajour Magazin erhalten hat.

1) Transparent aufgehängt: Sechs Stunden in Isolationszelle und Verfahren wegen Verstoss gegen Sprengstoffgesetz

Milo*, aus Zürich:

«Um 10.30 Uhr wurde mein Kollege und ich von Polizisten angehalten. Sie verdächtigten uns, auf einer Fussgängerbrücke ein Transparent aufgehängt und dabei Rauchstäbe gezündet zu haben. Nach Sprüchen wie «Die passed ja gnau i oises Beuteschema» brachten sie uns auf den Posten St. Jakobstrasse/Zeughausstrasse. Dort sassen wir von 11.30 bis 17.30 Uhr. Und zwar jeweils alleine in komplett leeren Räumen. Mein Raum war übertrieben hell beleuchtet, so dass ich sogar dann geblendet wurde, wenn ich die Augen geschlossen hielt. Ganz unabhängig davon, was eine Person gemacht hat: Es ist nie gerechtfertigt, jemanden stundenlang so fertig zu machen. Nach zwei Stunden versicherten die Polizisten, dass es jetzt bloss noch zehn Minuten ginge. Es dauerte aber weitere zwei Stunden. Dann erneut: «Nur noch zehn Minuten.» Sie logen, ohne sich zu schämen. Erst nach dieser langen Zeit, haben sie uns verhört und versuchten unsere geschwächte Verfassung auszunutzen, um an Geständnisse zu kommen. Ihr absurder Vorwurf: Nichts weniger als «Verstoss gegen das Sprengstoffgesetz». Ausserdem haben wir bereits eine Busse von je hundert Franken erhalten, da wir während der Polizeikontrolle angeblich die Zwei-Meter-Regel nicht eingehalten hätten.

Hier sah die Zürcher Polizei ein Sprengstoffdelikt. Foto: Bewegung für den Sozialismus

Während den sieben Stunden in Polizeigewahrsam wurde mir die Einnahme meiner Medikamente verwehrt. Dies, obwohl ich drei Mal betonte, dass ich nun meine Medikamente brauche, die im konfiszierten Rucksack lagen, samt der ärztlichen Bescheinigung («Drei Mal täglich einnehmen»). Statt Medikamente gab es für mich eine Entnahme der Fingerabdrücke sowie eine schriftliche Aufforderung zur DNA-Probe. Wir sollen uns nun innert 14 Tagen melden, um einen entsprechenden Termin zu bekommen. Dabei gibt es von der Staatsanwaltschaft gar keine Anordnung hierzu.»

2) «Corona war nie ein Thema. Der Polizei ging es nur um unsere politischen Inhalte»

Carmen* und Isabelle*, aus Zürich:

Carmen: «Wir waren in einem Zweier-Grüpplein und einem Dreier-Grüpplein beim Goldbrunnenplatz spazieren. Und wir haben dann ein Ni-Una-Menos-Plakat mit Malerklebband an einem Hauseingang angebracht. Keine 3 Sekunden später waren wir umzingelt von drei Sixpacks. Robocops sprangen raus, umzingelten uns, und unterzogen uns einer Personenkontrolle. Dann haben sie unsere Rucksäcke eingepackt. Da fragten wir uns schon, was das nun wird. Bald war aber klar, dass sie uns verhaften wollten. Wir waren völlig perplex. Das kann doch nicht sein. Wir kamen uns vor wie im falschen Film, dass sie uns für das verhaften wollten – für das Malerklebband und das A4-Plakat, auf dem Anlaufstellen und Notrufnummern bei häuslicher Gewalt draufstehen.

Die Ni-Una-Menos-Aktivistinnen hängen mit Malerklebband ein Plakat auf. Das sei Sachbeschädigung, fand die Polizei.

Wir wurden dann alle fünf auf den Posten mitgenommen und es hat sich rausgestellt, dass jede von uns völlig unterschiedlich behandelt wurde von den Cops. Einige wurden befragt, andere nicht, einige wurden viel länger dabehalten als andere. Einigen haben sie am Schluss gesagt, dass sie alles fallen lassen werden, wiederum anderen haben sie gesagt, «ja, sie werden schon noch Post von der Staatsanwaltschaft erhalten» und sie würden einen Verzeig oder eine Busse erhalten. Ich habe dann auf meinem eigenen Rapport gesehen – weil der Bulle das Papier falsch hielt – was der Tatbestand ist, den sie uns vorwerfen:  Sachbeschädigung, unbewilligte Demonstration und Vermummung. Sachbeschädigung durch etwas Malerklebband? Unbewilligte Demonstration, weil wir zu dritt und zu zweit auf dem Trottoir gingen? Und Vermummung wegen eines farbigen Schals im Gepäck? Das ist doch völlig jenseits.

Harmlose beschlagnahmte Gegenstände: Polizei legt einen Böller hinzu.

Während der Verhaftung haben die Bullen einfach einen Gegenstand, der nicht uns gehörte – es sah aus wie ein Böller – vom Boden aufgelesen und in den Effektensack einer Freundin gesteckt. Die Freundin meinte dann: «Hey, das gehört nicht mir!» Sie meinten bloss: «Ah jaja, wir nehmen das dann nachher schon wieder raus». Wir wissen aber nicht, ob sie das dann tatsächlich wieder rausgenommen haben.

Das beschlagnahmte Corpus Delicti: Ein Plakat mit Anlaufstellen bei häuslicher Gewalt

Und dann sind wir für dieses Klebband in unserem Rucksack drei Stunden gefesselt in einer Garage der Bullen am Boden gehockt – wir mussten auf diesem kalten Boden sitzen. Andere mussten drei Stunden lang in einen Einzel-Warteraum. Die waren drei Stunden in diesen kleinen Räumen völlig abgeschnitten von allem und wussten nicht, was vor sich ging.

Demütigung mit offenem WC

Sehr unangenehm war auch, dass sie sich auf dem Posten weigerten, uns die WC-Tür zu schliessen. Die Türe war immer offen. Und man musste die Hosen runterlassen und dort aufs WC sitzen, währendem draussen Bullen hin und her liefen und neu verhaftete Leute reinbrachten. Eine Polizistin meinte: «Ihr seid ja sonst auch nicht so prüde.»

Während der ganzen Prozedur hat sich eindeutig gezeigt, worum es ihnen wirklich geht. Corona war nie ein Thema! Sie haben uns alle ohne Handschuhe, ohne Masken angefasst, kontrolliert, sie sind uns allen so nahe gekommen, als wir verhaftet wurden und es waren insgesamt fünf riesen Kastenwägen mit zwanzig Cops drin. Immer ging es bloss darum, dass wir politische Inhalte verbreitet haben. Sie haben offen gezeigt, dass sie Corona gar nicht wirklich interessiert.»

Isabelle*: «Ich – als eine der fünf Verhafteten – hatte eine heftige Panikattacke. Ich hatte Herzrasen, musste erbrechen und mir war sehr schlecht. Und der Typ nebenan, also der Bulle in der Garage, hat geraucht. «Tu nicht so hysterisch», sagten die Beamten, und «wir holen die Ambulanz dann schon, wenn du zusammenklappst». Irgendwann haben sie mich rausgeführt durch die Türe an die frische Luft und die anderen haben angenommen, dass ich nach Hause kann, weil es mir nicht gut geht. Und ich war dann aber letztlich die Person, mit der als einzige ein vollständiges Verhör gemacht wurde. Meine Situation wurde ausgenutzt. Alle Polizist*innen haben das ganz offensichtlich gesehen und realisiert.»

3) «Sie sagten, mein Freund und ich seien eine unbewilligte Demonstration»

Thomas*, aus Bern:

«Ich bin alleine mit einer eingerollten Fahne der Basisgewerkschaft Industrial Workers of the World (IWW) zum Rosengarten gegangen. Es wurde ja zu keiner Demo aufgerufen, sondern dass man irgendwann zwischen 16 und 18 Uhr die übliche Route läuft. Ich hatte um 16 Uhr mit einem Arbeitskollegen abgemacht. Der Rosengarten ist schon länger abgesperrt wegen Covid-19. Das hatte ich nicht mehr auf dem Radar. Als ich an der Bushaltestelle vorbeigekommen bin, hat mich ein Anruf des Arbeitskollegen erreicht, dass sie in der Innenstadt Demo-Sachen beschlagnahmen. Er sei durchgekommen und warte auf dem Bänkli im Aargauerstalden grad unterhalb des Rosengartens. Bei der Bushaltestelle im Rosengarten ist ein Freund, der seit Jahren Demos filmt, auf mich zu gekommen und hat erstaunt bemerkt: «di hei si düre gla?!» Er sagte mir, dass sie etwas weiter oben «grad vori» kontrolliert hätten und Schilder einkassiert und Leute weggeschickt. Ich lief dann alleine mit ausgerollter Fahne vom Rosengarten zum Aargauerstalden, dort wartete auf einem Bänkli mein Arbeitskollege, der sich mir anschloss. Wir liefen auf gleicher Höhe, hielten Abstand. Vor uns und nach uns waren andere bekannte Gesichter in Zweiergruppen und mit mindestens zehn Meter Abstand zueinander. Ohne Demomaterial. Wir spazierten auf dem Trottoir den Stalden runter. Kurz vor dem Bärengraben wurde unsere Zweiergruppe von drei Polizist*innen gestoppt. Diese wiesen gerade Leute, die uns entgegenkamen, darauf hin, dass die Demo verboten sei

Die Berner Polizei löst eine angeblich illegale Zwei-Personen-«Demonstration» auf. Wie den SEV-Gewerkschaftern im Bild erging es auch dem IWW-Gewerkschafter Thomas. Bild: Screenshot Tele Bern.

Dann sahen sie uns mit der Fahne. Personenkontrolle. Was wir hier machen würden, wir sagten nichts. Ausweise fotografiert. Die Fahne müsse beschlagnahmt werden. Die Demo sei verboten. Wir sagten, wir seien keine Demo, sondern zu zweit – sie sagten das sei eine verbotene Demo unabhängig der Anzahl Teilnehmer. Ich sagte, dann gehe es hier allein ums Prinzip. Und nicht um Massnahmen gegen Covid-19? Und dass das lächerlich sei. Der Polizist sagte nichts darauf. Sondern erklärte mir die Wegweisung. Sie waren freundlich, hielten aber den Abstand nicht ein und ich musste mit ihrem Kugelschreiber eine Quittung unterschreiben, damit ich die Fahne am Montag abholen kann. Wir wurden mündlich weggewiesen für 24 Stunden für die Demoroute, inklusive der ganzen Innenstadt mit Reitschule/Schützenmatte. Wir gingen dann mit dem Bus ins Quartier und trafen uns mit drei weiteren Leuten, die ähnliches erlebt hatten, und einer unentdeckt gebliebenen Fahne, um ein Bier zu trinken. Dort blieben wir unbehelligt.»

4) «Was tragen Sie da unter dem Arm?» – «Einen Karton.» – «Der ist verboten!»

Rebecca, aus Bern:

Verboten? Kinderwagen mit SGB-Plakat

«Meine Kollegin und ich laufen mit meinem Sohn, der im Kinderwagen sitzt, durch die Berner Altstadt. In der Kramgasse steigen plötzlich drei Polizisten aus einem Auto und halten uns an. Sie fragen meine Kollegin, was sie unter dem Arm trage. Sie antwortet: «einen Karton». Die Polizisten wollen den Karton sehen und teilen uns mit, dass dieser nicht erlaubt sei. Auch ein A4-Plakat des Schweizerischen Gewerkschaftsbunds (SGB), das vorne im Kinderwagen steckt, ist gemäss den drei Beamten zur Zeit verboten. Auf die Frage, warum wir solche Schilder nicht bei uns haben dürfen, heisst es, dass Kundgebungen verboten seien. Wir führen eine kurze Diskussion über Sinn und Unsinn dieser Massnahme und machen klar, dass wir uns nicht mit anderen Menschen treffen wollen. Das scheint den Polizisten nicht einzuleuchten und sie bestehen darauf, dass wir die beiden Schilder abgeben. Wir lassen uns für die konfiszierten Schilder eine Quittung ausstellen. Wir könnten diese am Dienstag abholen.»

5) «Mein Kind schrie zehn Minuten lang ununterbrochen»

Daniela*, aus Zürich:

«Wir, vier erwachsene Aktivistinnen und meine zweijährige Tochter, waren friedlich in Zürich unterwegs. Mit Abstand und Schutzmasken. Als wir um die Ecke bogen, wurden wir von Zivis abgefangen. Personenkontrolle. Ich gab meinen Ausweis ab und weigerte mich aber, die Musik abzuschalten, was die Zivilpolizistin schon sichtlich verärgerte. Sie forderte mich auf, an die Wand zu stehen. Mit dem Kind im Fahrradanhänger gehe ich Richtung Wand und bleibe aber leicht in Bewegung, weil ich mein Kind umsorgen musste (ich gab ihr eine Banane, denn sie hatte Hunger). Ich holte mein Handy aus dem Fahrradanhänger, woraufhin die Polizistin sofort auf mich zukam und mich energisch aufforderte, das Telefon wegzutun. Als ich dies nicht sofort tat, griff sie brutal nach mir und will mir das Telefon gewaltvoll aus der Hand reissen. Ich nehme das Telefon reflexartig zu mir und wehre mich. Ich schreie: «Keine Gewalt». Darauf hin folgt ein blinder Moment ohne Erinnerung, die Gewalt nimmt zu. Ich werde von der Polizistin weggezerrt und will zu meinem Kind, da es losschreit, weint und meinen Namen ruft. Es zerreisst mich, ich schreie laut (weiss aber nicht mehr was). Ich denke mir bloss: Was ist hier los? Ich bin doch friedlich hier! Das ist Willkür. Ich habe hier keine Rechte. Ich werde gewaltvoll in Handschellen gelegt, an das Polizeiauto gedrückt. Als mein Kind zehn Minuten ununterbrochen weinte (der Klang der Panik in meiner Stimme schien ihr Angst zu machen), wurde sie von einer Genossin ausser Sichtweite gebracht. Ich musste ca. 45 Minuten verharren, bis ich wieder mit meinem Kind in Kontakt treten darf. Ich bin wütend und habe Angst um die Kleine. Wenn sie mich mitnehmen, was passiert denn mit ihr? Wie konnte das passieren? Warum all diese Aggression?


Ein Mitgrund für meine Festnahme war, dass ich «vermummt» war. Ich trug eine Atemschutzmaske, um mich unter anderem vor der Polizei zu schützen, die keine trug und mir definitiv näher als zwei Meter kam. In meiner Wahrnehmung hatte mich auch die Zivilpolizistin bereits von Anfang an im Visier, da ich mit dem Fahrradanhänger mit der Musik und den Transparenten unterwegs war. Sie war auffallend gewaltvoll und kaltherzig, als müsse sie sich in diesem machoiden Konstrukt der Polizei als Frau besonders stark behaupten. Das macht mich aus feministischer Perspektive im Nachhinein besonders wütend.«

6) «Sie haben sich politisch betätigt!» – sechs IWW-Gewerkschafter*innen in Zürich verhaftet

Die Betroffenen schreiben uns:

«Am 1. Mai 2020 wurden sechs Mitglieder der Basisgewerkschaft Industrial Workers of the World (IWW) im Zürcher Niederdorf verhaftet und über mehrere Stunden festgehalten. Sie waren in Zwei-Meter-Distanz und in zwei Gruppen auf dem Weg zu einer Firma, in der ein Arbeitskampf tobt. Ziel: Mit Transparenten und Fahnen Solidarität zeigen.

Die sechs Personen bewegten sich um 13:45 Uhr auf den «Oberen Zäunen» in zwei Dreiergruppen von der Kirchgasse herkommend Richtung Blaufahnenstrasse, als die eine Dreiergruppe von hinten von zwei Polizisten eingeholt und aufgehalten wurde und gefragt wurde «Wo machen sie?» (sic). Der anderen Gruppe wurde mit einem Polizeifahrzeug der Weg abgeschnitten und die drei Personen wurden ebenfalls festgehalten. Auf die Frage nach den Gründen der Kontrolle wurde der einen Gruppe von einem Beamten etwas undeutlich mit Aussagen wie «Ja, erster Mai halt…» und «Sie wissen schon, warum» geantwortet, auf erneutes Nachfragen dann immer noch vage mit «Verstoss gegen die Covid-Verordnung» und, dass sich die sechs Personen «politisch betätigt» hätten und an einer unbewilligten Demo teilgenommen hätten. Es gäbe Videoaufnahmen. Auf den Hinweis, dass das Vorgehen der Beamten nicht im Sinne der Covid-Verordnung sei, wurde nicht geantwortet. Ebenfalls konnte keine Antwort darauf gegeben werden, was denn eine Demo sei und was nicht.

Polizei ohne Schutzmasken

Während des Wortwechsels zwischen Beamten und Verhafteten wurden die festgehaltenen Personen zu keinem Zeitpunkt dazu aufgefordert sich aufzulösen. Die vier Beamten kontrollierten Identität, Taschen und Rucksäcke. Mit Hilfe der inzwischen herbeigerufenen Verstärkung von zwei bis drei weiteren Einsatzteams wurden den IWW-Mitgliedern mit Kabelbindern die Hände hinter die Rücken gebunden. In zwei Kastenwagen wurden um kurz nach 14 Uhr je drei Personen in die Hauptwache der Stadtpolizei gefahren. Zu keinem Zeitpunkt haben die Polizist*innen Schutzmasken getragen oder den Abstand zu den Verhafteten versucht einzuhalten. Einzelnen wurde die Schutzmaske erst nach vermehrtem Kontakt mit Polizist*innen direkt vor dem Einsteigen in den Kastenwagen angezogen.

Was in Grenchen möglich war, wäre in Zürich mit Knast geahndet worden. IWW-Aktion in Grenchen am 1. Mai

Keine Kooperation? Strafe per Kabelbinder

Die Behandlung in der Hauptwache fiel sehr unterschiedlich aus. Alle sechs Personen wurden zunächst gefesselt im Kastenwagen (bis zu vierzig Minuten) und auf dem Boden einer Garage festgehalten, abfotografiert und danach für zwanzig bis neunzig Minuten in Einzelhaft festgehalten. Die Personen wurden auf eine Weise aufgefordert, ihre Fingerabdrücke abzugeben, die nicht klarmachte, dass dies nicht Pflicht ist. Personen die sich geweigert haben, ihre Fingerabdrücke zu geben, wurden für die Zeit in der Einzelzelle nicht von den Kabelbindern befreit, einer Person wurden die Kabelbinder um die Handgelenke hinter dem Rücken noch enger angezogen bevor sie in die Einzelzelle kam. Es wurde klargemacht, dass dies eine Konsequenz der Kooperationsunwilligkeit ist. Ausserdem hat sich die Polizei uns gegenüber mal wieder von der rassistischsten und sexistischsten Seite gezeigt und hat einzelne Mitglieder während der Verhaftung entsprechend beleidigt.

Willkür wohin das Auge reicht

Einzelne Personen wurden befragt, andere nicht. Die angedrohten Konsequenzen reichten von einem Bericht an die Staatsanwaltschaft und Anzeigen wegen Teilnahme an einer unbewilligten Demo, über Bussen wegen Verstosses gegen die Covid-Anordnung (100 Fr.) und Anschuldigungen wegen Gefährdung Dritter sowie geplanter Gewaltausübung. Alle bekamen ein Rayonverbot. Die erste Person wurde um 15:53 Uhr entlassen die letzten beiden Personen kurz vor 18 Uhr. Weitere IWW-Mitglieder, die in kleinen Gruppen unterwegs waren und zum Zeitpunkt der Verhaftung der sechs Personen offenbar zu weit weg waren, wurden später beim Central angehalten, kontrolliert und weggewiesen. Einem Mitglied wurde von der Polizei gesagt, dass sie jetzt ein Auge zudrücken würden und ihn deshalb nicht wie die anderen sechs Personen mit auf die Wache nähmen.»

7) «Die Polizisten waren respektlos» – Aktion von gewerkschaftlicher Basisgruppe unterdrückt

Hanna*, aus Zürich:

Als Mitarbeiterin einer NGO, die sich für prekäre Migrantinnen einsetzt, wollte ich am 1. Mai mit der VPOD-Gewerkschaftssekretärin für NGOs und mit zwei anderen Personen, die in NGOs arbeiten, mit einem Transpi in der Stadt präsent sein. Wir wollten eine kurze Rede halten. Ich habe mich dieser Aktion angeschlossen, um darauf aufmerksam zu machen, dass der Staat versagt und wir es sind, die Nothilfe leisten. Und es war mir wichtig, öffentlich zu zeigen, was wir bei unserer Arbeit in den letzten Wochen durchgemacht haben. Wir waren nur zu viert und mit Schutzmasken unterwegs, haben also die BAG-Auflagen eingehalten. Die Stadtpolizei hat das aber nicht toleriert und uns kontrolliert, durchsucht und wir alle haben ein 24-stündiges Rayonverbot für die Innenstadt erhalten. Ausserdem waren die Polizisten respektlos und hielten uns dreissig Minuten in aller Öffentlichkeit fest

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Medienmitteilung: 1. Mai Demo verschoben

Keine 1. Mai Demo Aufgrund des Corona Virus kann die für dieses Jahr geplante 1. Mai Demo vom Luzerner Gewerkschaftsbund und RESolut nicht durchgeführt werden. Stattdessen gibt es ein digitales Programm mit einem Online-Podium zum Thema Care Arbeit und die Corona-Krise von 20:00 bis 21:00 Uhr unter https://us02web.zoom.us/j/83450781676. Linke Organisationen rufen zur Demo am Tag X auf Dennoch habe die Corona-Krise gezeigt, wie dringend notwendig eine 1. Mai Demo sei. Deshalb ruft ein Bündnis, welches zurzeit aus RESolut, Luzerner Gewerkschaftsbund, Juso, Junge Grüne und Frauen*streik Komitee besteht, zur Demo auf sobald dies die aktuelle Lage wieder zulasse. Die Organisator*innen werden dazu mit der Stadt Luzern Kontakt aufnehmen, sobald ein Datum absehbar sei.
Alles verändern Die Organisator*innen wollen gemäss dem Motto «Alles verändern». In ihrem Aufruf fordern sie nicht nur mehr Lohn, Personal und Freizeit für die Pflege, sondern kritisieren auch «egoistische» Kündigungen im Gastro Bereich, «unhaltbare» Zustände auf dem Bau und Gewalt an Frauen. Ausserdem fordern sie sichere Fluchtwege nach Europa, keine staatliche Unterstützung für Abzocker und Umweltzerstörer sowie eine solidarische Gesellschaft.
Scharfe Kritik am Bundesrat Gleich in mehreren Punkten wird der Bundesrat kritisiert. Ein Dorn im Auge ist den Organisator*innen etwa, dass die Arbeitsbedingungen des Pflegepersonals verschlechtert worden seien, dass der Bundesrat zu wenig gegen Gewalt an Frauen unternommen und dass er es verpasst habe Menschen aus den Flüchtlingslagern rund ums Mittelmeer zu evakuieren.

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