Alle nach Zürich! Den rechten Aufmarsch verhindern!

Die antifaschistische Demo vom 12. Februar in Basel wird verschoben! Wir rufen alle dazu auf an diesem Tag gemeinsam nach Zürich zu fahren! Das ist eine Reaktion auf den Aufmarsch von organisierten Neonazis am 22. Januar in Bern. Dass Rechtsextreme als Spitze einer grossen Demonstration durch eine deutsch-schweizer Innenstadt laufen konnten, muss uns ein Alarmsignal sein: Verteidigen wir die Strassen gegen den rechten Vormarsch und brechen die Dynamik der Faschist*innen!

Für den 12. Februar wird nun zu einer Coronademo auf Zürich mobilisiert und es muss damit gerechnet werden, dass Neonazis versuchen werden ihren Auftritt zu wiederholen. Der Aufruf wurde auch bereits von Neonazis aus dem Umfeld der Hammerskins geteilt. Rechtsextreme Strukturen sind seit langem in den Coronademos involviert. Und genauso lange haben antifaschistische Recherchegruppen darauf hingewiesen. Nazis nahmen kontinuierlich an den Demos teil, machten ihre Propaganda und integrierten sich in die Organisationsstrukturen.

Nun setzen sie sich offen an die Spitze. Was in Bern passierte, fand in exakt gleicher Form zuvor in anderen europäischen Städten statt. Es ist klar zu sehen: Neonazis und sogenannte „Identitäre“ haben in den letzten Monaten ihre Vernetzung auf ein neues Niveau gebracht und es gelingt ihnen sich der diffusen Anti-Massnahmenbewegung als entschlossene Spitze aufzusetzen.

Diese Erfolgsmomente von faschistischen Gruppen bedeuten, dass sie noch mehr Zulauf haben und nach weiteren solchen Momenten streben werden. Besonders gefährlich dabei ist, dass es im Kontext eines allgemeinen gesellschaftlichen Rechtsruckes stattfindet. Wir wissen, dass in den Coronademos nicht einfach alles Nazis mitlaufen. Aber die rechtsextremen Umtriebe wurden nun zu lange toleriert. Wir sagen: Keinen Schritt weiter!

Sorgen wir gemeinsam dafür, dass unsere Strassen nicht nochmals zur Bühne für Neonazi-Propaganda werden! Haltet euch auf dem Laufenden, genauere Infos folgen.

Basel, Bern, Zürich und überall: unsere Quartiere, unsere Strassen – Nazifrei!

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Jetzt ist Schluss! Kein Nazi Aufmarsch in St. Gallen

Kein Fussbreit dem Faschismus! Nicht in St. Gallen und auch sonst nirgends. Wir sehen uns auf der Strasse! Am 05.02.22 mobilisieren wir zu einer antifaschtischen Gegenkundgebung nach St. Gallen! Kommt bunt, laut und bringt eure Freund*innen mit.

Am Samstag, dem 22.01.2022 setzten sich Faschist*innen an die Spitze der coronaleugnenden Demonstration in Bern. Den Coronaleugner*innen fiel nichts besseres ein als ihnen zu folgen. Es handelt sich dabei um die grösste Mobilisierung organisierter Faschist*innen der jüngeren Geschichte in einer schweizer Stadt. Im Umfeld der nationalistisch und antisemitisch aufgeladenen Stimmung fühlen sie sich offensichtlich wohl und akzeptiert. Hier finden ihre kruden Theorien nährhaften Boden.

Aus den selben Kreisen, die in Bern die Demonstration angeführt haben,wird am 05.02.2022 nach St. Gallen mobilisiert. Nun gilt es für uns Antifaschist*innen zu handeln. Zu lange haben wir zugesehen, wie sich «Junge Tat» und Konsorten Woche für Woche im öffentlichen Raum inszenieren können.

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Antifa in die Offensive!

Am Samstag setzten sich die Faschisten von der Jungen Tat an die Spitze der Coronademo in Bern. Dass Rechtsextreme als Spitze einer grossen Demonstration durch eine deutsch-schweizer Innenstadt laufen können, ist eine Neuheit. Wir müssen das als Signal verstehen, die Strassen gegen den rechten Vormarsch zu verteidigen und die Dynamik der Faschist*innen zu brechen.

Rechtsextreme Strukturen sind seit langem in den Coronademos involviert. Und genauso lange haben antifaschistische Recherchegruppen darauf hingewiesen. Die Junge Tat beispielsweise agierte seit Monaten als Teil der Sicherheitsstruktur der Coronademos und koordinierte sich dabei auch mit Massvoll. Nazis nahmen kontinuierlich an den Demos teil, machten ihre Propaganda und integrierten sich in die Organisationsstrukturen.
Früh haben sie erkannt, dass die Coronademos ein fruchtbarer Boden für sie ist. Es war nur eine Frage der Zeit, bis aus dem mehr oder weniger verdeckten agitieren, ein Führungsanspruch entsteht. Was in Bern am Samstag passierte, fand in exakt gleicher Form zuvor in anderen europäischen Städten statt. Es ist klar zu sehen: Neonazis und sogenannte „Identitäre“ haben in den letzten Monaten eine gefährliche Dynamik entwickelt. Sie bringen ihre Vernetzung auf ein neues Niveau und es gelingt ihnen sich der diffusen Anti-Massnahmenbewegung als entschlossene Spitze aufzusetzen.
Diese Erfolgsmomente von faschistischen Gruppen bedeuten, dass sie noch mehr Zulauf haben und nach weiteren solchen Momenten streben werden. Besonders gefährlich dabei ist, dass es im Kontext eines allgemeinen gesellschaftlichen Rechtsruckes stattfindet. Ein Grund für dieses Erstarken ist auch die Passivität von links. In einer massiven, vielschichtigen Krise ist es bisher kaum gelungen, revolutionäre linke Perspektiven auf die Tagesordnung zu setzen. Das müssen wir ändern!
Bringt euch in die Mobilisierung ein! Wir brauchen jetzt eine starke antifaschistische Bewegung! 

Quelle: https://baselnazifrei.info/blog/antifa-in-die-offensive

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Krokodilstränen des Kapitals

Weltwirtschaftsforum: Westliche Staatschefs beklagen zunehmende Ungleichheit. Ausbeutungs- und Abschottungskurs gegen Ärmste wird fortgesetzt

Düstere Töne gab es zum Abschluss der Onlineversion des Weltwirtschaftsforums, die am vergangenen Freitag anstatt in Davos in den virtuellen Räumen des Internets zu Ende ging. Über die fortdauernde Covid-19-Pandemie hatten die Teilnehmer debattiert, über den Klimawandel und über die gefährlich eskalierenden politischen Spannungen zwischen den westlichen Mächten und Russland. »Wir sehen Herausforderungen zunehmen«, zählte Klaus Schwab, der 83jährige Gründer des Weltwirtschaftsforums, auf, »von Unterbrechungen in den Lieferketten über tektonische Verschiebungen auf den Arbeitsmärkten bis zu Inflationswerten, die bei Politikern und Privatpersonen gleichermaßen Sorgen wecken«. Führende Politiker von Chinas Präsident Xi Jinping über Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) bis zu US-Finanzministerin Janet Yellen hatten sich eine Woche lang mit unterschiedlichen inhaltlichen Schwerpunkten zur »Lage der Welt« geäußert. Das Resultat, so klang es bei Schwab recht eindeutig durch: besorgniserregend.

Da war zum einen die wachsende Ungleichheit zwischen Reich und Arm, die UN-Generalsekretär António Guterres bereits am ersten Tag des Weltwirtschaftsforums beklagt hatte. Guterres hatte nicht nur darauf hingewiesen, die Impfquoten in den wohlhabenden Staaten seien »schändlicherweise« um ein Vielfaches höher als auf dem afrikanischen Kontinent. Er hatte auch erwähnt, dass 80 Prozent der Mittel, die weltweit zur wirtschaftlichen Erholung nach der Covid-19-Pandemie bereitgestellt worden seien, in entwickelten Industriestaaten zur Verfügung stünden: Die ärmeren Länder seien auch diesbezüglich enorm benachteiligt; sie verzeichneten zur Zeit das geringste Wachstum seit Jahrzehnten und müssten zudem verzweifelt versuchen, sich »mit beklagenswert unzulänglichen nationalen Haushalten« aus der Krise herauszuarbeiten. Die Welt könne es sich »nicht leisten, die Ungleichheiten und Ungerechtigkeiten zu wiederholen, die weiterhin Dutzende Millionen Menschen zu einem Leben in Not, Armut und schlechter Gesundheit verdammen«, mahnte Guterres: »Wir können nicht weiterhin Mauern zwischen den Besitzenden und den Nichtbesitzenden errichten.«

Ob der UN-Generalsekretär damit auch die EU gemeint hatte, die – wie die Vereinigten Staaten – Mauern, pardon: Grenzzäune gegenüber Elendsflüchtlingen aus drei Kontinenten baut? Wie auch immer: Die EU schottet sich mit aller Kraft nach außen ab. Sie hortet zwar ohne Ende Impfstoffe, die in den ärmeren Ländern fehlen, erweckte aber in den Onlineauftritten etwa von EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und EZB-Präsidentin Christine Lagarde dennoch nicht den Eindruck, als liefe für sie alles rund. Lagarde etwa äußerte sich zu den heftig gestiegenen Energiepreisen und zur Inflation: Sie teilte mit, in der EZB gehe man »davon aus, dass sich die Energiepreise im Laufe des Jahres 2022 stabilisieren« und »die Inflationsraten allmählich zurückgehen« würden. Allerdings räumte sie unumwunden ein, all dies sei »mit großer Unsicherheit behaftet«. Von der Leyen wiederum äußerte sich zu einem Bereich, der der Industrie Bauchschmerzen bereitet: zur Produktion von Halbleitern, an denen starker Mangel herrscht, und dies ganz besonders in der EU. Anfang Februar will von der Leyen einen »European Chips Act« vorstellen, um Abhilfe zu schaffen: »Bis 2030 sollte ein Fünftel der weltweiten Mikrochipproduktion in Europa erfolgen.« Sehr erfolgreich war die EU mit derlei Ankündigungen zuletzt nicht.

Neben den eskalierenden Spannungen mit Russland, die immer wieder thematisiert wurden, schienen auch die Spannungen zwischen dem Westen und China immer wieder durch. Chinas Präsident Xi hatte gleich am ersten Tag der Veranstaltung für Offenheit geworben – nicht nur in der Weltwirtschaft, sondern auch in der Politik: Es gelte, die »Kalter-Krieg-Mentalität abzulegen und friedliche Koexistenz zu suchen«, hatte er betont. Ironischerweise beklagte am letzten Tag der Veranstaltung auch ein Politiker die Spannungen, der sie wie kaum ein zweiter in den vergangenen Jahren forciert hat: Australiens Premierminister Scott Morrison. Morrison, der sein Land seit Beginn der Trumpschen Angriffe gegen Beijing immer wieder als Rammbock für allerlei Aggressionen gegen China zur Verfügung gestellt hat, jammerte mit Blick auf chinesische Gegenmaßnahmen, Australien habe »an unseren Werten festgehalten«, obwohl dies »nicht ohne Kosten« vonstatten gegangen sei. In den nun entstandenen Auseinandersetzungen gewinne wohl niemand. »Die Welt kann es sich nicht erlauben, in diese Richtung zu marschieren.« Seltsame Klage: Morrison hätte die Abkehr vom großen Konflikt mit Beijing schließlich selbst in der Hand.

Ein wenig positivere Perspektiven sagte zumindest Chido Munyati, ein Afrikaexperte des Weltwirtschaftsforums, überraschenderweise dem afrikanischen Kontinent voraus. Zwar ist die Versorgung mit Covid-19-Impfstoffen dort zur Zeit desolat, die Pandemie dürfte noch gravierende Schäden in Afrika anrichten, doch für die Zeit danach gab sich Munyati überraschend optimistisch. Nicht nur wachse die Wirtschaft in Afrika mit aktuell rund 3,8 Prozent deutlich schneller als etwa in Südasien (1,2 Prozent) und in Lateinamerika (0,9 Prozent). Es komme hinzu, dass die afrikanische Bevölkerung schneller als diejenige aller anderen Kontinente wachse. Während weithin – so auch in Europa – die Arbeitsbevölkerung schrumpfe, nehme sie in Afrika zu. Munyati zog aus dem Wachstum von Wirtschaft und Bevölkerung die Hoffnung, beides könne »dem Kontinent eine größere Rolle in der globalen Politik und in der Weltwirtschaft verschaffen«. Auch wenn man skeptisch sein mag: Es gibt immerhin Hoffnung.

Quelle: https://www.jungewelt.de/artikel/419109.davos-krokodilstr%C3%A4nen-des-kapitals.html

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Velo Ride gegen Rechts

Samstag 22. Jan um 14.00 Uhr / Falkenplatz / Bern
Velodemo gegen rechts


Am 22.1. wird um 14:00 Uhr haben mehrere rechtsradikale Gruppierungen zu einer Kundgebung gegen die Coronamassnahmen in Bern aufgerufen. Wie schon in der Vergangenheit beobachtet, eignen sich in diesem Rahmen rechtsradikale Gruppierungen wie die Männer WG, die junge Tat und die Nationale Aktionsfront, den Diskurs an, rekrutieren Neuzuläufe und versuchen den gesellschaftlichen Diskurs nach rechts zu verschieben. Auch die genannten Guppierungen haben am 22.01. zu der Kundgebung in Bern aufgerufen.

Das werden wir nicht tolerieren und sagen am Samstag den 22. Jan um 14.00 Uhr eine Velodemo gegen rechts ab dem Falkenplatz an.

Seid pünktlich, kommt in Bezugsgruppen, mit Maske und haltet Abstand!

!!!BÄRN BLIBT NAZIFREI!!!

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Kill-Erdogan-Prozess

(gefunden auf: killerdogan.ch)

Fast 5 Jahre nachdem das „KILLERDOGAN Transparent“ in Bern für weltweite Aufmerksamkeit sorgte, stehen im Januar 2022 vier Personen vor Gericht. Sie sollen – so der Vorwurf der Staatsanwaltschaft – irgendwie in Verbindung mit entsprechendem Banner stehen und sollen nun wegen „Aufruf zu Verbrechen und Gewalttaten“ (Art. 259 StGB) verurteilt werden.

Die Ermittlungen zogen sich lange hin, doch die Direktion für Völkerrecht des Aussendepartements erinnerte die Berner Staatsanwaltschaft in regelmässigen Abständen daran, dass der türkische Staat von der Schweiz Verurteilungen verlange.

„Da diese Handlung sowohl von türkischen Behörden als auch von der Öffentlichkeit genau beobachtet wird, werden wir es sehr begrüssen, wenn Sie uns mitteilen würden, wie weit diesbezüglich Vermittlungen stehen, ob die Täter schon identifiziert werden konnten und ob zur Zeit jemand interniert worden ist oder nicht“

– Ilhan Saygili, Botschafter der Republik Türkei am Bern 31.03.2017 an die Staatsanwaltschaft Bern

„Herr K möchte sich erneut nach dem aktuellen Stand des Verfahrens […] erkundigen. Herr K erklärt seine erneute Anfrage mit dem bevorstehenden Staatsbesuch von Bundesrat Ignazio Cassis“

– Aktennotiz bezüglich eines Anrufes von Herr K., EDA, am 3.6.2019

„Frau H. Nimmt Bezug auf die bisherige Korrespondenz mit mit Herrn K. Und erklärt, wonach der Druck gegenüber dem EDA bzw. Der internationalen Beziehung zwischen der Schweiz und Türkei betreffend die vorliegende Angelegenheit zunehmend sei.“

– Aktennotiz bezüglich eines Anrufes von Frau H. EDA, 15. Juli 2020

Und so verschickte die Staatsanwaltschaft Strafbefehle, gegen welche selbstverständlich Einsprache erhoben wurde. Das Regionalgericht lässt den Papierverschleiss ansteigen und will diesen Fall nun am 18. und 19. Januar 2022 verhandeln.

Begegnen wir der Repression mit einem kämpferischen politischen Prozess!
Lasst uns sagen, was gesagt werden muss!

– Das Unterstützungskomitee

18. JANUAR 2022, 7:30 AMTSHAUS BERN, PROZESSAUFTAKT
Besammlung vor dem Gericht mit Kaffe und Gipfeli

19. JANUAR 2022, 12:00 RESTAURANT SOUS LE PONT
Kurdisches Mittagessen im Restaurant Sous le Pont in der Reitschule Bern, danach Urteilsverkündung im Amtshaus.

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Trumps Miliz steht bereit

Die US-Strafverfolgung geht weiterhin gegen rechtsextreme Organisa­tionen vor, die am Sturm auf das Kapitol beteiligt waren. Ans Aufgeben denken diese Gruppen keineswegs.

Knapp Jahr nach dem Angriff auf das US-Kapitol in Washington, D.C., sind insgesamt 725 Menschen wegen an jenem Tag verübter Straftaten angeklagt worden. Das gab die Staatsanwaltschaft des District of Columbia Ende vergangenen Jahres bekannt. Bei den Gerichtsprozessen – es geht um Einbruch in ein öffentliches Gebäude, Gewalt ­gegen Polizisten, das bewaffnete Eindringen in ein abgesperrtes Gebiet und ähnliche Delikte – wurden immer mehr Details darüber bekannt, welche bedeutende Rolle rechtsextreme Or­ganisationen, die planvoll und organisiert vorgingen, an jenem 6. Januar 2021 spielten. Zahlreiche Mitglieder der zwei am engsten mit dem Angriff verbundenen rechtsextremen Gruppen, der sogenannten Proud Boys und der Milizorganisation Oath Keepers, sind im vergangenen Jahr verhaftet worden.
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Die Proud Boys, ein rechtsextremer Verbund »westlicher Chauvinisten«, wie sie sich selbst nennen, hat die Strafverfolgungen seit dem 6. Januar zunächst in eine Krise gestürzt. Henry »Enrique« Tarrio, der Anführer der Proud Boys, wurde bereits zwei Tage vor dem Angriff auf das Kapitol verhaftet. Derzeit sitzt er eine 155tägige Haftstrafe ab, unter anderem wegen des Besitzes von zwei Munitionsmagazinen. Sein Führungsanspruch wurde in Frage gestellt, nachdem Anfang des Jahres im Laufe eines Gerichtsprozesses bekannt geworden war, dass er ein »ergiebiger« Polizeiinformant gewesen sei, wie es sein damaliger Anwalt ausdrückte. Tarrio kündigte an, die Führung der landesweiten Organisation abzugeben und sich auf seine örtliche Abteilung in ­Miami zu konzentrieren. Er wolle anderen Proud Boys helfen, sich in der Lokalpolitik zu engagieren und für politische Ämter zu kandidieren.

Angeklagt sind die Organisationen Proud Boys und Oath Keepers unter anderem wegen Verletzung des so­­­-ge­nannten Ku Klux Klan Act, der 1871 erlassen wurde, um schwarze US-­Bürger vor Mobgewalt zu schützen.

Vier weitere führende Mitglieder der Proud Boys, darunter Joe Biggs und Ethan Nordean, bekannt als »Rufio Panman«, sind bereits seit März inhaftiert. Das Verfahren gegen sie soll im kommenden Mai beginnen. Eine Freilassung auf Kaution hatte ein Bundesrichter im April mit der Begründung abgelehnt, ihre Taten hätten »die Existenz unserer Republik selbst bedroht«.

Am 22. Dezember bekannte sich erstmals ein Mitglied der Proud Boys in ­einem Gerichtsprozess wegen seiner Beteiligung am Angriff auf das Kapitol für schuldig. Dem 35jährigen Matthew Greene aus Syracuse, New York, drohten 25 Jahre Gefängnisstrafe, doch kann er, weil er mit der Staatsanwaltschaft kooperierte und gegen seine Komplizen aussagt, mit nur vier Jahren Haft rechnen. Greene war unter den Ersten, die am 6. Januar in das Kapitol eindrangen, und arbeitete ­dabei eng mit seinen mutmaßlichen Komplizen Dominic Pezzola und William Pepe zusammen, die im vergangenen Januar zu den Ersten gehörten, die angeklagt wurden. Pezzola hatte schon am 6. Januar Bekanntheit erlangt, als ein Video im Internet zirkulierte, das den »bärtigen Proud Boy« zeigt, wie er ein Fenster des Kapitols einschlägt.

Auch viele Mitglieder der Oath Keepers, einer lose organisierten Gruppe, die sich als Miliz versteht und der vor allem aktive oder ehemalige Polizisten oder Soldaten angehören, wurden im vergangenen Jahr verhaftet. Bereits im März waren zwölf von ihnen wegen Verschwörung und Eindringens ins Kapitol angeklagt worden. Die Angeklagten standen am 6. Januar in engem Kontakt mit dem Gründer der Organisation, Stewart Rhodes, und versammelten sich mit ihm und anderen Mitgliedern, unmittelbar nachdem sie das Kapitol wieder verlassen hatten. Rhodes selbst ist zwar bislang nicht wegen Straftaten am 6. Januar angeklagt, doch wurde er Ende November vom zuständigen Untersuchungsausschuss des US-Kongresses vorgeladen.

Ebenfalls zu den Oath Keepers gehören Joshua James aus Alabama und ­Robert Minuta aus New York, die am 5. Januar als persönliche Bodyguards Roger Stones (siehe Seite 4) fungiert hatten, und bereits im März verhaftet wurden. Auch andere der angeklagten Mitglieder der Oath Keepers hatten an jenem Tag für Stone gearbeitet oder ihn bei vorherigen sogenannten »Stop the Steal«-Demonstrationen geschützt, bei denen zum Kampf gegen den angeb­lichen Betrug bei der Präsidentschaftswahl aufgerufen wurde. Stone ist ein langjähriger Berater Donald Trumps und hatte diese Rolle bei dessen Präsidentschaftswahlkampf 2016 auch offi­ziell inne. Die Proud Boys sehen Stone als einen der ihren an. Bereits 2018 veröffentlichten sie ein Video, in dem Stone den Schwur der Gruppe rezitierte und sich zum »stolzen westlichen Chauvinisten« erklärte.

Am 14. Dezember gab die Staatsanwaltschaft des District of Columbia bekannt, dass nun auch Anklage in einem Zivilprozess gegen die Organisationen Proud Boys und Oath Keepers ­erhoben werde. Beiden Gruppen wird vorgeworfen, gemeinsam »den geplanten Angriff ausgeheckt, bekannt gemacht, finanziert und für ihn rekrutiert« zu haben. Angeklagt sind sie ­unter anderem wegen Verletzung des sogenannten Ku Klux Klan Act, der 1871 erlassen wurde, um schwarze US-Bürger vor Mobgewalt zu schützen.

Dennoch führen beide Organisationen ihre Arbeit fort. Einige Experten gehen sogar davon aus, dass die Proud Boys durch die große Medienaufmerksamkeit, die sie seit dem vergangenen Wahlkampf erhalten, ihre Mitgliederzahl erhöhen konnten. Unter anderem versuchen sie, sich in lokalpolitischen Kulturkampfaktivitäten des republikanischen Milieus einzubringen – bei öffentlichen Treffen von lokalen Schulbehörden oder Bibliotheken beispielsweise. US-Konservative nutzen solche Bühnen, um auf aggressive Weise gegen Inhalte in Schulen und Bibliotheken zu protestieren, die gegen Rassismus gerichtet sind oder für LGBT-Rechte eintreten.

Auffällig war der hohe Anteil aktiver oder im Ruhestand befindlicher Angehöriger von Polizei und Militär unter denen, die das Kapitol angriffen. Am 17. Dezember warnten drei US-Generäle im Ruhestand in einem Gastbeitrag in der Washington Post davor, dass ein möglicher erneuter Coupversuch, beispielsweise nach der Präsidentschaftswahl im Jahr 2024, mehr Aussicht auf Erfolg haben könnte, weil im Militär die Gefahr »eines totalen Auseinanderbrechens der Befehlsketten nach parteipolitischen Linien« bestehe.

Quelle: https://jungle.world/artikel/2022/01/trumps-miliz-steht-bereit

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Neustart 22

Hast du die guten Vorsätze fürs neue Jahr schon gefasst?Wie wäre es mit mehr Aktivismus?Komm zur Sitzung am 9.1. um 14 Uhr im RäZeL Horwerstrasse 14 Luzern mehr Infos: www.neustart.tk

Bitte weiterleiten

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Gemeinsam kämpfen – antifaschistisch und revolutionär!

Wir leben in einer Zeit von schweren Krisen. In diesem Kontext findet ein Rechtsruck statt: Regierungen werden autoritärer und die Justiz repressiver. In der Bevölkerung breitet sich rechtsradikales Gedankengut aus. Beziehen wir Stellung dagegen. Lasst uns die antifaschistische Bewegung stärken und aufbauen! Denn wir brauchen sie jetzt dringend.

Die Mauern um Europa werden höher. Zäune werden weiter ausgebaut, Drohnen zur Überwachung der Grenzen eingesetzt, Pushbacks durchgeführt – von Frontex oder auch von faschistischen Milizen. Auch innerhalb Europas verschärfen sich Bedingungen für Migrant*innen. Die Struktur und die Gesetze nicht nur der Schweizer Migrationspolitik sind auf Abschreckung und Abschiebung ausgelegt. Gewalt, in psychischer und physischer Form ist stützender Teil davon. Hinter den Mauern von Bundesasyllagern sind asylsuchende Menschen vom Rest der Gesellschaft isoliert und Einschüchterungen, Schikanen, Überwachung und Druck ausgesetzt. Diese massive rassistische Gewalt kostet zehntausende Menschen das Leben und drückt Millionen in die Prekarität. Doch gesellschaftliche Solidarität bleibt weitgehend aus. Im Gegenteil normalisieren sich rassistische, entmenschlichende Diskurse, während gemäss UNO-Zahlen so viel Menschen vor Krieg und Gewalt auf der Flucht sind, wie nie zuvor.

Im Zuge der Proteste gegen die staatlichen Corona-Massnahmen haben rechte Netzwerke an Stärke gewonnen. An verschiedenen Demonstrationen waren Neonazis an der Spitze beteiligt. Es gibt eine gefährliche Verbindung von diffusen Verschwörungserzählungen und bestehenden rechten Strukturen. Dabei muss eine Kritik an der staatlichen Krisenverwaltung keineswegs mit Verschwörungsmythen, der Leugnung von Corona oder Nationalismus einhergehen. Doch linke Stimmen waren in dieser Zeit viel zu leise.

Das zu einer Zeit, in der für die meisten Lohnabhängigen die ökonomische Unsicherheit zugenommen hat, während Grosskonzerne mitten in der Krise Milliardenprofite einfahren. Der gleiche Staat, der uns permanent zur „Solidarität“ ermahnt, zwingt dem Gesundheitssektor neoliberale Sparmassnahmen auf und blockiert die Aufhebung der Patente, um die Profite der Pharmakonzerne zu schützen. Die Impfung bleibt somit vielen Weltregionen kaum zugänglich.

Weil es unter kapitalistischen Bedingungen für die gesellschaftlichen Widersprüche keine Lösungen gibt, wird schlicht die Repression verschärft. Gerade auch in der Pandemie wurden Polizei- und Überwachungsgesetze ausgedehnt und die Strafverfolgung von Protesten intensiviert. Nachdem es versäumt wurde durch Information und einfache, zugängliche Angebote eine hohe Impfquote zu erreichen, wurde versucht durch das Zertifikat den Druck zu erhöhen. Problematisch dabei ist auch, dass wir uns daran gewöhnen uns gegenseitig zu kontrollieren und überall auszuweisen.

Doch wir erwarten von diesem Staat auch keine Hilfe in den aktuellen und zukünftigen Krisen. Wir müssen unsere eigenen gesellschaftlichen Kräfte aufbauen. Und das geschieht ja auch bereits vielerorts: Die globale feministische Bewegung, die sich gegen den Staat und dessen patriarchalen Strukturen organisiert; die widerständige Organisierung von Migrant*innen in Europa oder die zunehmenden Proteste gegen die Klimazerstörung, um nur einige zu nennen.

Der aktuelle Rechtsrutsch ist real und wir müssen ihn ernst nehmen. Doch wir dürfen uns nicht entmutigen lassen! Im Gegenteil, nehmen wir die zahlreichen Krisen als Anlass unsere Organisierung und Vernetzung voranzutreiben und eine solidarische Perspektive auf die Tagesordnung zu setzen! Lasst uns gemeinsam am 12.02.2022 auf die Strasse gehen und ein starkes antifaschistisches Zeichen setzen!

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Nur geträumt? Leider nicht!

Selbst der Weltretter James Bond hat das vergangene Jahr nicht überlebt. Dafür sind Abba auferstanden. Und Nena ist als Impfgegnerin in der Timeline aufgetaucht. Ein Rückblick auf 2021.

Quelle: https://jungle.world/artikel/2021/51/nur-getraeumt-leider-nicht

Die krassesten Bilder des Jahres kamen 2021 weder aus Hollywood noch aus Babelsberg. Es waren die Aufnahmen vom Sturm aufs US-Kapitol am Tag der Heiligen Drei Könige. Vor allem der Qanon-Jünger Jake Angeli in seinem surreal-karnevalistischen Aufzug, irgendwo zwischen Mad Max und Jamiroquai, ließ dem Publikum weltweit den Atem stocken: Geschieht das gerade wirklich?! Ist dies das Ende der Welt?! Das Ende Amerikas?! Anzeige

»There once was a ship that put to sea / The name of the ship was the Billy of Tea«, lauten die ersten Zeilen des aus Neuseeland stammenden Walfängerlieds »Soon May the Wellerman Come«, das in der Version des britischen Sängers Nathan Evans etwa zur selben Zeit auf Tiktok einen unfasslichen Hype auslöste und im Januar die europäischen Radiocharts dominierte. Statt packender Live-Events gab’s also wenigstens ein unwirkliches Medienprogramm: Willkommen im Popjahr 2021, in dem James Bond nach zigfach verschobenen Kinostarts in dem Film »Keine Zeit zu sterben« antrat, um genau dies zu tun. Hasta la vista, Daniel Craig!

Wem Danger Dan nicht gefiel, der hing stattdessen womöglich in Michael Wendlers Telegram-Gruppe ab. Der Schlagerstar folgte anderen Chef­schwurblern wie Xavier Naidoo auf ihrem Weg in den kompletten Irrsinn.

Hi Corona, this is Nano

Ein raffiniertes Nanorobotervirus aus russischer Produktion zwingt den infizierten James Bond dazu, sich von Frau und Tochter fernzuhalten, weil der Kontakt mit dem Erreger für die beiden tödlich wäre. Och nee, schon wieder so ein doofes Virus mit nervtötendem Maßnahmenkatalog! Auch der 80jährige (Schwieger-)Vater, mit dem die Autoren dieser Zeilen im Herbst endlich mal wieder ins Kino gehen durften, meinte, die Bond-Filme seien früher viel lustiger gewesen, worauf die Tochter der Verfasser nur die Augen verdrehte und entgegnete, dass die Streifen damals nicht witziger, sondern einfach nur mega­sexistisch gewesen seien.

Die überzeugendste Action-Heldin des Jahres war sowieso eine Frau: Natasha Romanoff alias »Black Widow«. Der Mavel-Film startete im Sommer nach etlichen Anläufen im Kino sowie bei jenem kostenpflichtigen Streaming-Portal, das in diesem Jahr Filmklassiker wie »Das Dschungelbuch« wegen rassistischer Stereotype hinter eine Kindersicherung verbannte. The times they are a-changing.

Viele Teenager fühlten sich in den Blockbuster-tauglichen Gefühls­welten von Olivia Rodrigo, Billy Eilish oder Lana Del Ray (mit gleich zwei Alben) gut aufgehoben. Dabei mussten die Teens auf Discord oder Twitch auch noch die komplette Gamer-Welt im Auge behalten.

Die von Scarlett Johansson dargestellte Natasha, bislang nur sexy Sidekick im Marvel-Universum, erhielt endlich ihre eigene Geschichte. Als Mitglied einer herrlich dysfunktionalen Schläfer-Familie legte sie gemeinsam mit ihrer vermeintlichen Schwester Yelena (großartig: Florence Pugh) ihrem Peiniger das Handwerk. Die »Schwarzen Witwen« wurden wie eh und je von den Russen unfreiwillig zu Kampfmaschinen herangezüchtet. Klar, von wem sonst?!

Davon abgesehen überzeugte Regisseurin Cate Shortland mit einem mehr als blendend aufgelegten Cast, bondwürdigen Action-Szenen und staubtrockenem Humor. Merksatz: »The best part of my life was fake and none of you told me.«

Hello again

Ähnlich erging es womöglich der britischen Soulsängerin Adele. Zwischen ihrem vorigen Album »25« und dem neuen Album »30« hat sie eine Scheidung durchlebt und lässt uns alle daran teilhaben.

Den Auszug aus dem gemeinsamen Haus hat im Video zur ersten Single-Auskoppelung mit dem Titel »Hello« Xavier Dolan gefühlvoll inszeniert. Über 500 000 Schallplatten hat Sony Music allein für die Startauflage von Adeles viertem Studioalbum gepresst. Das sorgte für weiteren Produktionsstau in den hoffnungslos überlasten Presswerken. Der Absatz von Vinyl hat sich während der Pandemie weltweit tatsächlich mehr als verdoppelt! Der mittlerweile im Homeoffice sein Dasein fristende Mensch hat anscheinend verstärkt Lust auf analoge Kontemplation. Da passt es, dass Adele bei Spotify bewirkt hat, den Zufallsabspielmodus als Standardeinstellung bei Alben zu eliminieren.

Die Werke werden also wieder automatisch in der von den Künstlerinnen und Künstlern festgelegten Reihenfolge abgespielt. Das hilft gegen das ungute Gefühl, schon wieder weiterskippen zu müssen. Schließlich erscheinen täglich 60 000 neue Tracks! Das macht locker 22 Millionen Songs im Jahr. Gerade mal zehn davon gehören zum neuen Album »Voyage« von Abba, die 2021 das Pop-Comeback des Jahrtausends für sich beanspruchten. Live soll es, falls die Pandemie es irgendwann wieder zulässt, zu Hologramm-Auftritten kommen – eine interessante Verknüpfung von Retromanie und Zukunftsvision.

Das könnte man auch über die phantastische Serie »Wanda Vision« sagen: Realitätsmanipulationsmeisterin Wanda und ihre große Liebe, der ultraschlaue Android Vision, nahmen uns mit auf einen atemberaubenden und zuweilen irre komischen Ritt durch die US-amerikanischen Sitcoms der vergangenen Jahrzehnte. Eingespielte Lacher inklusive.

In Popdeutschland durfte man sich über das Album eines Künstlers aus Fleisch und Blut freuen: »Alles von der Kunstfreiheit gedeckt« von Danger Dan. Vor allem das juristisch-abgeklärte Titelstück, in dem der Bruce Hornsby des Deutschrap seine Gewaltphantasien in Richtung Kubitschek, Gauland und Co. artikuliert, war zumindest einen Moment lang ein medialer Triumph über Neonazideutschland. Noch nie waren sich Slime und Randy Newman so nahe. Anzeige

Wem Danger Dan nicht gefiel, der hing stattdessen womöglich in Michael Wendlers Telegram-Gruppe ab. Der Schlagerstar folgte anderen Chefschwurblern wie Xavier Naidoo auf ihrem Weg in den kompletten Irrsinn.

»Pure Vernunft muss diesmal siegen« – das selbstironische Posting der Gruppe Tocotronic im Zuge einer Impfkampagne – erreichte über die eigene Bubble hinaus wohl leider kaum jemanden.

Bereits 2020 ließ die Hamburger Power-MC-Lady Shirin David einen gemeinsamen Track mit Xavier Naidoo ob seiner Coronaleugnung aus dem Internet löschen. Hat auch nichts genützt. Im November dieses Jahres veröffentlichte sie mit »Bitches brauchen Rap« ein Album gegen Machos und Peniswahn im deutschen Rap-Mainstream. Apropos Rap-Game: Kanye West brach mit seinem neuen Album »Donda« mal wieder alle Streaming-Rekorde.

Überhaupt gab es neue Rekorde aus Virtualien zu vermelden: unser schönes neues Leben zwischen Inzidenzwerten, Klickzahlen und Kontoständen.

Und zwischendrin taucht ausgerechnet Nena in der eigenen Timeline auf. Sie hatte bei ersten möglichen Konzerten unter 3G- und AHA-Bedingungen ihr Publikum dazu aufgerufen, sich tunlichst nicht an die Vorgaben zu halten, und fiel später in den sozialen Medien äußerst unangenehm auf. Nur geträumt?! Leider nicht.

Helge Schneider, der zu Beginn der Pandemie verkündet hatte, unter solchen Bedingungen nicht aufzutreten, tat es im Juli dann doch, brach sein Konzert in Augsburg jedoch wieder ab. Die geplante Tour danach fiel auch aus: »Helge Schneider sagt Strandkorbkonzert ab«, so lautete eine beliebte Sommer-Schlagzeile 2021.

Die wenigen kleinen Konzerte, die von Sommer bis Herbst unter 3G-Bedingungen stattfinden durften, waren oft so aufregend wie ein Besuch des ZDF-Fernsehgartens. Das Clubpublikum saß mit Maske und viel Abstand im Discolicht, während die PA-Lautsprecher nur auf halber Lautstärke dröhnten. Zwischendrin zog man kurz den Schnutenpulli runter, um mit schlechtem Gewissen von seinem Bierchen zu nippen. Ohne staatliche Subventionen hätte keines dieser Konzerte überhaupt jemals stattfinden können, aber die Bazooka des Finanzministers hatte Power! So wurden 2021 nicht nur unzählige Album-Produktionen, sondern auch viele Live-Konzerte unter der Flagge »Neustart Kultur« gefördert. Zu den erhofften Neustarts kam es aber leider nie. Immerhin sorgte das Erreichen des Bonus-Levels »2G+« für ein paar Wochen für Hoffnung.

Veranstaltungen mussten trotzdem weiter abgesagt oder verschoben werden – kein Wunder bei komplett unterschiedlichen Regeln in nahezu jedem Bundesland. Das brachte alle Booking-Agentinnen und Konzertveranstalter an den Rand des Wahnsinns. Dagegen galt in diesem Land bis Ende November an den vielen anderen Arbeitsplätzen nicht mal die 3G-Regel, und die Menschen aus weiter florierenden Branchen im Freundes- und Bekanntenkreis verabschiedeten sich im Sommer im bumsvollen Flieger in den wohlverdienten Erholungsurlaub nach Griechenland oder Kroatien. An dieser Stelle auch nochmal ein großes Dankeschön für eure tollen Bilder auf Instagram und Co.!

Bingewatching und Arthouse-Glotzing

Einige Menschen entkamen der Pandemierepublik Deutschland in diesem Jahr jedoch nur noch auf Laptop oder Leinwand. Chloé Zhaos hochgelobter und mit Preisen überhäufter Roadmovie »Nomadland« mit einer großartigen Frances McDormand in der Hauptrolle und phantastischen Landschaftspanoramen war dafür ein Paradebeispiel. Der hauptsächlich mit Laiendarstellern gedrehte Film über die Arbeitsnomaden, die seit der großen Rezession 2007 in den USA zwischen Amazon-Lager und Burgerbratbuden durch das Land pendeln, wirkte zwar auf den ersten Blick beinahe dokumentarisch, letztlich wurde das Leben der Wanderarbeiter jedoch zu sehr romantisiert.

Weitaus realistischer als »Nomadland« war die Netflix-Miniserie »Maid«, die auf dem gleichnamigen autobiographischen Roman von Stephanie Land beruht: Eine junge Frau flieht mit ihrer Tochter aus einer toxischen Beziehung und strampelt sich fortan als unterbezahlte Putzfrau ab, um sich und ihr Kind vor einem Leben auf der Straße zu bewahren. Dennoch hat sie kaum eine Chance, dem Teufelskreis der Armut zu entkommen.

Stream des Geldes

Um die Perspektivlosigkeit ging es auch in der vielleicht erfolgreichsten Serie des Jahres: »Squid Game« von Hwang Dong-hyuk. Nach der Serie »Haus des Geldes«, deren endgültiges Finale soeben erschienen ist, warf Netflix somit eine weitere Produktion auf den Markt, die dem kollabierenden Kapitalismus den Spiegel vorhält – und macht damit unfassbar viel Kohle. Derweil diskutieren Schulpsychologen immer noch, ob Grundschulkinder Spiele aus der ultra­brutalen Serie, die eigentlich erst ab 16 freigegeben ist, auf ihrem Schulhof nachstellen dürfen. Jugendgefährdende Netflix-Serien?! Das hat gerade noch gefehlt.

Uneingeschränkt zu empfehlen ist Dennis Villeneuves düster-melancholische Neuverfilmung von »Dune«. Der Regisseur hat aus dem als unverfilmbar geltenden Romanstoff, an dem bereits David Lynch 1984 grandios gescheitert ist, ein überwältigenden Science-Fiction-Epos geformt: Das Publikum wird im ersten Teil einer geplanten Trilogie auf den trostlosen Wüstenplaneten katapultiert, wo Hans Zimmers bombastischer Soundtrack ihm gewohnt zuverlässig das Hirn wegbläst. Wir haben statt des Erlösers Paul Atreides jetzt immerhin Karl Lauterbach.

Pegel der Liebe

Manch einer floh in diesem Jahr gern in den privaten Rausch, genau wie ein paar Lehrer im gleichnamigen Film von Thomas Vinterberg.

Long-Isolation-Drinks genehmigte man sich im Pandemiejahr auch gern zu »Summer of Soul«. Questlove, der Drummer von The Roots, stellte den großartigen Musikfilm über das weitgehend unbekannte New Yorker Festival »Black Woodstock« von 1969 fertig. Unfassbar, dass man das Material der spektakulären Auftritte von Bands wie Sly & The Family Stone, dem blutjungen Stevie Wonder, Gospelkönigin Mahalia Jackson und vielen anderen über 50 Jahre nicht anfasste.

Des Weiteren konnte man sich im 2G-Home-Entertainment mit mittlerweile unzähligen Premium-Abos Musikfilme über die Sparks, Velvet Underground und sogar eine sechsstündige Beatles-Doku, kuratiert von Peter Jackson, ansehen und -hören.

Bei so viel Musik aus vergangenen Tagen und Marvel-Popcorn blieb kaum mehr Zeit für musikalische Neuentdeckungen aus Indiehausen. Dabei gab es unfassbar viel zu entdecken! Allein hierzulande: Sophia Kennedy begeisterte mit ihrem zweiten Album »Monsters«, ebenso das Dream-Pop-Kollektiv »Die neue Leichtigkeit« mit diversen Singles und EPs. Albertine Sarges legte ein kunstvolles Debütalbum vor. Im ­angelsächsischen Raum gab es ein Postpunk-Update von Dry Cleaning, The Weather Station brachten ihr Album »Ignorance« heraus. Und das Popduo Dumbo Gets Mad hatte mit »Things Are Random and Time Is Speeding Up« nicht nur den genialsten Albumtitel des Jahres parat. Auch nicht schlecht gewählt war der Titel »Sprechfunk mit Toten« für die Cosmic-Disco-Kraut-EP von Hildegard Von Binge Drinking.

Viele Teenager fühlten sich in den Blockbuster-tauglichen Gefühlswelten von Olivia Rodrigo, Billy Eilish oder Lana Del Ray (mit gleich zwei Alben) gut aufgehoben. Dabei mussten die Teens auf Discord oder Twitch auch noch die komplette Gamer-Welt im Auge behalten. Im real HipHop brauchte es 2021 eigentlich nur das kunstvoll verschachtelte neue Album von Little Simz, um irgendwie mitzureden zu können: »Sometimes I Might Be Introvert«.

Das aufregendste Stück Popmusik stammte hingegen von Sarah Brand, einer Soziologin mit Hang zum absurden Popexperiment. Ihr Song »Red Dress« ist dermaßen kunstvoll daneben gesungen, dass sie das Lebensgefühl 2021 wunderbar auf den Punkt gebracht hat – die schleichende Missstimmung und den Realitätsverlust an allen Fronten.

Mutationen

Eine deprimierende Parabel auf unsere Zeit war auch die Kriminalkomödie »I Care a Lot«, für die die Hauptdarstellerin Rosamund Pike Anfang des Jahres zu Recht einen Golden Globe gewann. Die von ihr verkörperte Blondine im Stil Alfred Hitchcocks ergaunert sich die Vormundschaft für betuchte Senioren, um sie nach Strich und Faden auszunehmen.

Doch es geht auch anders. Das zeigt die Indie-Regisseurin Kelly Reichardt in einem der besten Filme des Jahres: »First Cow«. In dem Antiwestern freunden sich zwei ungleiche Männer an und setzen der brutalen Realität dieser Ära Freundlichkeit und solidarisches Verhalten entgegen. Ein nachdenklich stimmendes Drama zur Zeit.

Vom neuen Hype um Non-Fungible-Tokens (NFT) wollte Quentin Tarantino profitieren und unveröffentlichte Szenen aus »Pulp Fiction« als digitale Sammelobjekte verscherbeln. Aber seine Filmproduktionsfirma leitete rechtliche Schritte dagegen ein. Andere hatten mehr Glück und konnten Musikvideos und GIFs als Originaldateien verkaufen. Der Kapitalismus mutiert also nicht weniger schnell als das Coronavirus.

Ein paar Dateien hätte man durchaus auch aus dem etwas zu lang ­geratenen Film »Drive My Car« von Ryūsuke Hamaguchi herausschneiden können. Das Drama basiert auf einer Kurzgeschichte von Haruki Murakami: Ein trauernder Theaterregisseur und seine traumatisierte Chauffeurin stellen sich in einem knallroten Saab den Schatten ihrer Vergangenheit. Im dahingleitenden Beichtstuhl hören sie sich Aufnahmen der verstorbenen Frau des Regisseurs an, die für ihren Mann Anton Tschechows berühmtes Drama »Onkel Wanja« auf Band gesprochen hat. Der Schlüsselsatz im vierten Akt lautet: »Man muss etwas tun!«

Wohl wahr. Insgeheim hatte man ja gehofft, dass sich demnächst irgendein Marvel-Held um all die irdischen Probleme kümmern würde. Schade. Zum Trost kann man immer noch »Barn«, das neue (!) Album von Neil Young and Crazy Horse, anhören und frisch geboostert in den Schlusschor einstimmen: »Don’t Forget Love!«

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