Café Lagota “Kaufen für die Müllhalde” am 30.6. im Romp

19h Türöffnung

19h30 Film “Kaufen für die Müllhalde”

anschliessend offener Austausch über das Containern

Datum: 30.6.13 im Romp

Posted in Schweiz, Squat the world, Veranstaltungen, Wirtschaftskrise | Tagged , | Leave a comment

Von Neonazis ermordet: Clément Méric, 18, linker Aktivist

Ein 18jähriger französischer Antifaschist starb vergangene Woche (Anm. der Red.: 5. Juni) im Pariser Krankenhaus La Pitié-Salpétrière unter den Schlägen von Neonazis. Er war am Mittwoch, den 05. Juni am Spätnachmittag in der Nähe des Saint Lazare-Bahnhofs von rechtsextremen Skinheads angegriffen und schwer verletzt worden. Am Mittwoch Abend wurde er für hirntot erklärt, am Donnerstag Nachmittag wurden die Apparate ausgeschaltet. Am darauffolgenden Tag ergab eine Autopsie, dass er nicht – wie zunächst vermutet – an seinem Sturz mit dem Hinterkopf gegen einen Pfosten gestorben war, sondern direkt an den Folgen der erlittenen Schläge. Die Schläge ins Gesicht hatten das Nasenbein getroffen, eine Gehirnerschütterung und Hirnbluten ausgelöst.

Bei dem Opfer handelt es sich um den 18jährigen Clément Méric, der vor kurzem aus Brest in die französische Hauptstadt gezogen war und an der politikwissenschaftlichen Hochschule Science-Po studierte. Nachdem er zuvor bei der anarcho-syndikalistischen Gewerkschaft CNT organisiert gewesen war, war er an der Hochschule als Mitglied der linken bis linksradikalen Studierendengewerkschaft SUD-Etudiants aktiv. Er war ferner Mitglied der linksradikalen ,Action antifasciste Paris-banlieue‘.

Den tödlichen Schlägen voraus ging ein Streit in einem Klamottenladen zwischen einer Gruppe aus vier jungen Antifas und einer zahlenmäßig ebenbürtigen Skinheads, bei denen die Ersteren die Naziskins stichelten. Es handelte sich um einen Sonderverkauf von englischer Markenkleidung, die sowohl bei Skins als auch bei manchen Antifas beliebt ist. Laut Aussagen von Verkäufern und Aufsichtspersonal äußerten sich die jungen Antifas abfällig über „die Nazis, die einkaufen gehen“ und versprachen ihnen, „am Ausgang auf sie zu warten“. Doch die Naziskins – von denen einer erwidert haben soll: „Er ist ein schmales Hemd, und provoziert uns!“ – riefen telefonisch Verstärkung herbei, die auch alsbald eintraf. Aufgrund der Überzahl der Naziskins ebenso wie aufgrund der soeben zitierten Äußerung ist klar, dass die Rechtsradikalen eine überaus klare körperliche Überlegenheit aufwiesen. Um kurz nach 18 Uhr fielen die tödlichen Schläge, und wie die Sonntagszeitung JDD berichtet, zogen die Naziskins nach vollbrachter Tat „frohen Gesichts von dannen, nachdem ihnen klar wurde, dass ihnen niemand folgte“ und „klatschten sich gegenseitig in die Hände, ungefähr als ob sie gerade gemeinsam ein Diplom erhalten hätten oder Ähnliches“.

Zu den Herbeigerufenen zählte der spätere Haupttäter, der 20jährige Angestellte im Security-Gewerbe Esteban Morillo. Er wurde in Spanien geboren, wuchs in einem Kaff in der Picardie namens Neuilly-Saint-Front (sic) auf und machte dort als Dorfnazi auf sich aufmerksam. Doch in den letzten zwei Jahren kam er nach Paris, wo er vom Dunstkreis von Serge Ayoub – Inhaber des rechtsextremen Veranstaltungsorts ,Le Local‘ im Pariser Süden, ehemaliger Skin-Anführer in den 1980er Jahren und jetzt Kopf einer Minipartei unter dem Namen ,Troisième Voie‘ (Dritter Weg) – angezogen wurde. Serge Ayoub nimmt auch des Öfteren an fraktionsübergreifenden rechtsextremen Mobilisierungen teil: von Veranstaltungen der Zeitschrift Synthèse Nationale (die u.a. mehrere Abspaltungen vom Front National wie ,Nouvelle Droite Populaire‘, ,Parti de France‘ und MNR vereinigt) wie am 11.11.2010 in Paris bis zur Jeanne d’Arc-Demonstration am 12. Mai dieses Jahres in Paris. Bei Letzterer handelt es sich nicht um den jährlichen Aufmarsch des Front National für Jeanne d’Arc (welcher immer am 1. Mai stattfindet), sondern um die alternativ dazu stattfindende Hardliner-Demonstration, deren Veranstaltern die Wahlpartei FN viel zu schlapp erscheint.

,Troisième Voie‘ verfügt über einen schlagenden Arm von geschätzten dreißig Mitgliedern unter dem Namen ,Jeunesses Nationalistes Révolutionnaires‘ (JNR); es handelt sich um eine Truppe, die u.a. die Ordnerdienste für die Kleinstpartei übernimmt. Der Haupttäter, ebenso wie einige andere Teilnehmer an der Schlägerei vom Spätnachmittag des 05. Juni, werden von Behörden und Medien als „mutmaßliche Sympathisanten der JNR“ dargestellt. Nicht unwahrscheinlich ist, dass sie auch Mitglieder der Schlägervereinigung waren – nur ist dies insofern schwer nachzuweisen, als die JNR über keinerlei formelle Struktur verfügen, wie Serge Ayoub selbst schadenfroh in mehreren Zeitungen erklärte. Der Haupttäter tauchte bei Facebook als ,Freund‘ von ,Troisième Voie‘ auf. Unterdessen hat Innenminister Manuel Valls – ebenso wie Premierminister Jean-Marc Ayrault – angekündigt, die Einleitung eines Verbotsverfahrens gegen die JNR (und eventuell andere Nazigruppen) zu prüfen.

Unklar ist zur Stunde, ob Morillo mit bloßen Händen zuschlug (wie er selbst behauptet) oder mit einem Stahlhandschuh als Schlägerwerkzeug, wie Zeugen angegeben haben. Bei ihm zu Hause wurde in jedem Falle ein Stahlhandschuh gefunden – dessen Besitz ist ihm also nachgewiesen, fraglich ist nur noch, ob er ihn am 05. Juni auch einsetzte. Bei einem anderen der Beteiligten, dem 25jährigen „Samuel“ (bislang ist nur sein Vorname über die Presse bekannt geworden), wurden zwei blutverschmierte Ringe gefunden, mit denen er zuschlug. Er hat inzwischen eingeräumt, dem Toten selbst Schläge zugefügt zu haben, und wurde in Untersuchungshaft genommen, ebenso wie Esteban Morillo. Drei weitere Teilnehmer, zwei männliche Naziskins und Morillos 32jährige Freundin „Katia“, wurden nach ihrer polizeilichen Vernehmung auf freien Fuß gesetzt, müssen jedoch mit einer Anklage rechnen. Estaban Morillo als Verursacher der tödlichen Schläge sitzt seinerseits in U-Haft. Der zuständige Untersuchungsrichter ermittelt derzeit wegen „fahrlässigen Totschlags“ (d.h. Körperverletzung mit unbeabsichtigter Todesfolge); seine Auffassung steht damit im Gegensatz zu jener der Staatsanwaltschaft, die ursprünglich erklärte, von „vorsätzlichem Totschlag“ auszugehen. Üblicherweise wird wegen des stärkeren infrage kommenden Delikts ermittelt, auf die Gefahr hin, dass die Straftat dann vor Gericht heruntergestuft wird. Möglicherweise geht der Untersuchungsrichter von Beweisproblemen bezüglich des Vorsatzes aus – Morillo selbst hat die Schläge zugegeben, aber verneint jegliche Tötungsabsicht. Allerdings dürfte die Benutzung von Stahlhandschuhen, sofern sie nachgewiesen werden kann, zumindest für einen strafrechtlichen ,dolus eventualis‘ (d.h. dafür, dass der Täter das Tötungsergebnis wissentlich in kauf nahm) sprechen. Ein solcher gilt im Strafrecht als Vorsatz.

Infolge des Todes von Clément Méric fanden in kürzester Zeit massive Protestdemonstrationen statt. Am Donnerstag Abend (06.06.13) fanden sich zunächst rund 300 engere politische Freundinnen und Freunde des Getöteten in der Nähe des Saint Lazare-Bahnhofs – und des Tatorts – ein. Anderthalb Stunden später fand eine breitere Kundgebung mit rund 5.000 Menschen bei Saint-Michel, d.h. im Pariser Stadtzentrum, statt. Die beiden Kandidatinnen der großen Parteien – sog. ,Sozialistische‘ Partei und UMP – für das Pariser Rathaus, Anne Hidalgo und Nathalie Kosciusko-Morizet, wurden durch Linksradikale an einer Teilnahme gehindert (worüber man wahrscheinlich ernsthaft diskutieren muss, was die Sinnhaftigkeit betrifft). In ganz Frankreich fanden zur selben Zeit Demonstrationen in sechzig Städten mit, inklusive Paris, insgesamt circa 15.000 Teilnehmer/inne/n statt. Zwei Tage später demonstrierten am Samstag Nachmittag erneut zwischen 4.000 (lt. Polizei) und 6.000 Menschen in Paris, und weitere 2.000 bis 3.000 in Toulouse und Nantes. Hinzu kamen kleinere Demos wie in Perpignan.

Am Abend des Montag, den 10. Juni findet am Sitz des Gewerkschaftsverbands Union syndicale Solidaires (dem auch die Studierendengewerkschaft SUD-Etudiants angehört, deren Mitglied Clément Méric war) ein Bündnistreffen statt, bei dem über weitere Aktionen beraten wird.

Quelle: http://www.trend.infopartisan.net/trd0613/t490613.html

Posted in Antifa, Aus aller Welt, News | Tagged , , , , | Leave a comment

Das Grauen von Genua

Juli 2001: Straßenschlachten beim G-8-Gipfel in Italien. Schläge, Tritte, Reizgas. Aber für das, was die Verhafteten dann erwartete, gibt es nur ein Wort – Folter

Der Gipfel der G-8-Staaten in Genua im Jahr 2001 wird für immer mit einem Wort verbunden werden: Gewalt. Gewalt auf den Straßen – und Gewalt im Gefängnis in Bolzaneto. Der Prozess um die Ereignisse dort ist noch nicht zu Ende – der Abschluss ist für den Frühsommer geplant. Das Urteil wird den Angeklagten persönliche Verantwortung und Strafen zumessen. Die Tatsachen aber, die während der Verhandlung rekonstruiert wurden, sind nicht mehr in Zweifel zu ziehen. Sie wurden gesichert, dokumentiert und bewiesen. Und sie zeigen, dass Italiens Demokratie drei Tage lang jene feine, aber unzerstörbare Grenzlinie überschritten hat, die Menschenwürde und Menschenrechte schützt.

Es gab an diesem Tag auch einen „Guten“ unter den Polizisten. Viele Gefangene erinnern sich an ihn. „Ein ganz junger“, um die zwanzig, ein Wehrdienstleistender vielleicht. Andere haben ihn etwas älter in Erinnerung. In den drei Tagen, als die Menschenrechte außer Kraft waren, gab es höchstens zwei mitfühlende Menschen in Bolzaneto, unter zig Polizisten, Carabinieri, Wächtern, Justizangestellten, Generälen, Offizieren, stellvertretenden Polizeipräsidenten, Ärzten und Krankenpflegern der Gefängnisverwaltung. So gut er konnte, zeigte der „gute“ Carabiniere den Häftlingen, wie sie die Arme zu senken, das Gesicht von der Wand zu drehen, sich zu setzen hätten. Er gab die Wasserflasche herum, es gab nur eine. Doch solche Pausen dauerten nur ein paar Minuten. Der erstbeste Offizier, der vorbeikam, brüllte den ungeschickt gutherzigen Carabiniere an, und die Folter begann von neuem.

Folter. Das Wort ist weder unangemessener noch überspannt. Zwei Verhandlungsjahre mit 45 Angeklagten in Genua haben dokumentiert, was während des G-8-Gipfels zwischen Freitag, dem 20. und Sonntag, dem 22. Juli 2001 in Bolzaneto in der Kaserne „Nino Bixio“ der mobilen Abteilung der Staatspolizei mit 55 „Verhafteten“ und 252 „Festgenommenen“ geschehen ist, mit Männern und Frauen. Alten und Jungen, mit Jugendlichen und einem Minderjährigen. Menschen von überall her und aus allen Berufen: Spanier, Griechen, Franzosen, Deutsche, Schweizer, Engländer, Neuseeländer, drei US-Amerikaner, ein Litauer. Die meisten Studenten, und Arbeitslose, Angestellte, Arbeiter, aber auch etliche Freiberufler. Die Staatsanwälte Patrizia Petruzziello und Vittorio Ranieri Miniati schreiben in ihrer Anklageschrift, dass „nur Vorsicht“ sie abhalte, von Folter zu sprechen. Man sei sicher „der Folter sehr nahe gekommen“. Aber die Anklage war hier machtlos, Sie musste in Straftatbestände und Strafen übersetzen, was sie von den Aussagen der 326 Zeugen im Gerichtssaal dokumentiert hat. In Italien gibt es Folter nicht als Straftat. Das Parlament fand nie Zeit – und sah sich zwanzig Jahre auch nicht in der Pflicht dazu – das Strafgesetzbuch an international gültiges Menschenrecht anzupassen, an die UN-Konvention gegen Folter, die Italien 1988 ratifiziert hat.

Die Kaserne von Bolzaneto ist heute nicht mehr die, die sie seinerzeit war. Mit großer Umsicht hat man die „Orte der Schande“ unsichtbar gemacht, sogar die Räume verändert und die Türen Richtung Stadt geöffnet, für Behörden, Bürger, Militär, Kirche. Sie sollte ein „Erinnerungszentrum für die Opfer die Übergriffe werden. Es gibt jetzt einen Spielplatz in jenem Innenhof, wo in zwei Reihen aufgestellte „Wärter“ neu ankommende Häftlinge bespuckten, beleidigten, ihnen auf die Köpfe schlugen, sie traten und mit Sprechchören empfingen wie „Wer ist der Staat? Die Polizei! Wer ist der Chef: Mussolini!“ oder „Willkommen in Auschwitz“. Wo das berüchtigte „Einschreibebüro“ war, steht jetzt eine Kapelle und in den Gängen, wo 2001 „Tod den Juden“ gebrüllt wurde, gibt es jetzt eine Bibliothek, die den Namen von Giovanni Palatucci trägt, dem letzten italienischen Polizeipräsidenten von Fiume (heute Rijeka in Kroatien, die Red.), der im KZ Dachau umgebracht wurde, weil er 5000 Juden vor dem Tod bewahrt hatte.

An diesem 20. Juli sah der Ort anders aus und die Luft war bleischwer. Hinter dem Kasernentor und dem weiten Innenhof werden die Gefangenen zu dem Fabrikkomplex getrieben, in dem die Turnhalle liegt. Es gibt drei oder vier Stufen und einen zentralen Korridor von fünfzig Metern Länge. Hier liegt die Olimpo-Garage. Vom Flur gehen drei Zimmer ab, eines links, zwei rechts, ein einziges Bad. Hier wird man identifiziert und fotografiert. Alle werden gezwungen ein Formular zu unterschreiben, dass man die Familie nicht habe anrufen oder einen Anwalt – bei Ausländern das Konsulat – kontaktieren wollen. Ausländern wird das Formular nicht übersetzt. Einer Frau, die protestiert und nicht unterschreiben will, zeigt man das Foto ihrer Kinder mit den Worten: „Die willst du also so bald nicht wiedersehen?“ Einer anderen, die sich auf ihre Rechte beruft, schneiden sie Büschel aus den Haaren. Auch H. T. verlangt einen Anwalt. Sie drohen, ihm „die Kehle durchzuschneiden“. M. D. steht vor einem Polizisten aus ihrer Stadt. Er spricht sie im Dialekt an, fragt, wo sie wohnt und sagt: „Weißt du was, ich werde bei dir vorbeikommen.“ Dann werden sie auf die Krankenstation geführt wo die Ärzte klären sollen, wer behandelt werden muss. In einer Ecke wird man erst einmal durchsucht. Was man bei sich hat, wird abgerissen und auf den Boden geworfen danach muss man sich ausziehen. Die Nackten müssen sich bücken „um Gegenstände in den Körperöffnungen festzustellen“.

Noch kann niemand sagen, wie viele Gefangene es in diesen drei Tagen gab – 55 „Verhaftete“ und 252 „Festgenommene“ sind ungefähre Zahlen. Die „Zeiten des Aufenthalts im Objekt“ sind besser bekannt: Durchschnittlich zwölf Stunden für die, die das Glück hatten, am Freitag eingeliefert zu werden. Ab Samstag dauert die durchschnittliche Haftzeit – vor dem Transport in die Gefängnisse von Alessandria, Pavia, Vercelli, Voghera – 20 Stunden. 33 Stunden werden es am Sonntag, als nachts zwischen 1.30 und 3 Uhr die Leute aus der Diaz-Schule ankommen. Sie werden am Eingang zum Hof mit rotem oder grünem Filzstift auf der Wange gekennzeichnet.

Im Prozess hat sich herausgestellt, dass die Justizvollzugsbeamten einen Slang für die „schikanöse Körperhaltungen beim Warten“ haben: Der „Schwan“ – breitbeiniges Stehen mit erhobenen Armen, das Gesicht zur Wand – wird an diesen heißen Tagen im Hof stundenlang erzwungen, während man auf die „Aufnahme“ wartet. Wenn die Stufen im Vorzimmer genommen sind, heißt es in den Zellen und der Sporthalle weiter warten, wenn möglich in schlimmeren Varianten dieser Stellung. Auf Knien in Richtung Wand, die Hände hinter dem Rücken mit Schnüren gefesselt oder in der „Ballerina“-Position, auf Zehenspitzen. In den Zellen werden alle geschlagen, mit Schlagstöcken auf die Seite, es setzt Schläge auf den Kopf, der Kopf wird gegen die Wand geschlagen. Alle werden gedemütigt, die Frauen mit einem „Bis heute Abend ficken wir euch alle“, die Männer mit „Bist du schwul oder Kommunist?“ Andere werden gezwungen, wie Hunde zu kläffen, wie Esel zu schreien oder „Hoch der Duce“ oder „Es lebe die Gefängnispolizei“ zu rufen. Einige werden mit nassen Lappen geschlagen, einige auf dem Rücken liegend, die gespreizten Beine nach oben, mit einer Salami auf die Genitalien. G. werden dabei die Hoden verletzt. Einige werden mit Reizgas besprüht. Einigen wird die Milz zerquetscht

I. M. T. wird in der Diaz-Schule festgenommen. Man setzt ihm ein Barett mit einer Sichel und einem Penis anstelle des Hammers auf. Sobald er versucht, es abzunehmen, schlagen sie ihn. B. B.s Kopf schlagen sie gegen das Fenstergitter, ziehen ihn aus, befehlen ihm, zehn Kniebeugen zu machen, während sie weiter auf ihn einprügeln. S. D. werden die Hoden gequetscht, er wird auf die Füße geschlagen. A. F. wird gegen eine Wand gedrückt und angeschrien: „Du Sau, du musst allen einen blasen.“ S. P wird in einen anderen, leeren Raum gebracht und muss sich dort ausziehen, in Fötusposition legen und aus dieser Position heraus dreißig Sprünge machen, während zwei Polizeibeamte ihn schlagen. J. H. wird im Flur verprügelt, man stellt ihm ein Bein und bespuckt ihn. Bei der Durchsuchung muss er sich nackt ausziehen und „seinen Penis heben, um ihn den Beamten am Schreibtisch zu zeigen“. J. S. fügt man per Feuerzeug Brandwunden zu.

Der Gang durch den Flur ist ein Spießrutenlaufen. Dort steht eine Doppelreihe grau-grün und blau Uniformierter, die prügeln und drohen. Im Krankentrakt ist es nicht besser. Dort finden die doppelten Leibesvisitationen statt, eine der Staatspolizei, die andere vom Gefängnispersonal. Die Häftlinge sind entkleidet. Die Frauen stehen lange nackt vor fünf, sechs Polizeibeamten. Vor ihnen, die höhnisch lachen, findet alle Aktionen statt. Sie sind demütigend. Die Staatsanwälte: „Piercings wurden brutal entfernt. Eine menstruierende junge Frau muss ihr Intimpiercing vor vier, fünf Personen entfernen.“ Während der Untersuchung hagelt es beleidigende Bemerkungen, Gelächter und Hohn. P. B., einem Arbeiter aus Brescia, droht man, ihn zu vergewaltigen. Während der Untersuchung findet man ein Präservativ bei ihm. „Und was machst du damit, die Kommunisten sind doch schließlich alle schwul?“ Eine Beamtin nähert sich und sagt: „Aber er ist hübsch, mit dem würde ich es machen.“ Die Frauen bleiben auf der Krankenstation länger als nötig nackt und werden gezwungen, sich drei- oder viermal um sich selbst zu drehen.

Am schlimmsten ist es in der einzigen Toilette. Sie hat einen Stehabort und wird zum Ort von Folter und Terror. Die Tür steht offen und die Häftlinge müssen sich vor ihrem Begleiter erleichtern. Einige der Frauen brauchen Binden. Als Antwort bekommen sie zerknülltes Zeitungspapier zugeworfen. M., eine Frau fortgeschrittenen Alters, zieht sich ein T-Shirt aus und „behilft sich so“. E. P. bekommt im Flur während des kurzen Gangs von der Zelle zur Toilette Hiebe, nachdem man sie gefragt hat, ob sie schwanger sei. Auf der Toilette wird sie beleidigt („Sau“, „Nutte“) sie drücken ihr den Kopf in die Toilette und sagen: „Was für einen schönen Arsch du hast“ und „Gefällt dir der Schlagstock?“ Wer im Saal ist, sieht die, die von der Toilette kommen. Alle weinen, einige haben Verletzungen, die sie zuvor nicht hatten. Folglich wollen viele nicht mehr fragen, ob sie zur Toilette dürfen. Sie machen sich in die Kleider, dort, in den Zellen, in der Sporthalle. Daraufhin werden sie im Krankenzimmer geschlagen, weil sie „stinken“, die Ärzte protestieren nicht.

Auch der leitende Arzt am Freitag wird „gestoßen und gedrängt“. Damit man ihn erkennen kann, erscheint er am nächsten Tag in Tarnhose und Shirt der Strafvollzugsbeamten, im Gürtel eine Pistole, die Füße in Springerstiefeln, dazu schwarze Lederhandschuhe. So macht er seine Arbeit. Die Gefangenen entlässt er mit den Worten „Der ist bereit für den Käfig“. Bei der Arbeit trägt er, wie die anderen auch, nie den weißen Kittel und er ist es, der eine persönliche Sammlung von Trophäen aus Sachen anlegt, die den Gefangenen abgenommen wurden: Ringe, Ohrringe, Ketten und „besondere Kleidungsstücke“. Er ist auch der Arzt, der L. K. behandeln soll. L. K. ist mit Gas besprüht worden, er spuckt Blut und wird ohnmächtig. Er wacht auf einer Liege auf, im Gesicht eine Sauerstoffmaske. Jemand zieht eine Spritze auf. Er fragt: „Was ist das?“ Der Arzt antwortet: „Vertraust du mir nicht? Dann stirb halt in der Zelle.“ G. A. lässt im San Martino gerade die Wunden behandeln, die er sich in der Via Tolemaide zugezogen hat, da wird er nach Bolzaneto gebracht. Als er ankommt, schlagen sie ihn gegen eine kleine Mauer. Die Beamten scheinen stark unter Adrenalin zu stehen. Sie sagen, ein Carabiniere sei tot. Ein Polizist nimmt seine Hand, drückt die Finger mit zwei Händen auseinander und zieht. Er zieht von beiden Seiten und reißt die Hand „bis zum Knochen“ auf. G. A. wird ohnmächtig. Auf der Krankenstation wacht er auf. Ein Arzt näht seine Hand ohne Betäubung. G. A. hat heftige Schmerzen. Er bittet um „etwas“. Sie geben ihm einen Lappen zum Draufbeißen. Der Arzt sagt ihm, er solle nicht schreien.

Nach Ansicht der Staatsanwälte „waren die Ärzte sich bewusst, was passierte, sie waren in der Lage, die Schwere der Ereignisse zu beurteilen, und sind nicht eingeschritten, obwohl sie dies hätten tun können. Sie haben es zugelassen, dass sich diese unmenschliche und herabwürdigende Behandlung auf der Krankenstation fortsetzte“.

Quelle: http://www.tagesspiegel.de/politik/das-grauen-von-genua/1196376.html

Posted in Antirep, Arbeitskampf, Gefangeneninfos, News, Wirtschaftskrise | Tagged , , , , , , | Leave a comment

Wie in Istanbul, so auch hier: Gummischrot und Wasserwerfer gegen friedliche Demo in Zürich

Mit Gummischrot und Wasserwerfer hat die Stadtpolizei Zürich am Sonntagabend eine spontane Protestdemo gegen die vom Schweizer Stimmvolk beschlossene Asylgesetzverschärfung verhindert. Dabei ging von den Demonstrierenden keinerlei Aggression aus. Die ASZ protestiert scharf gegen diese Verletzung demokratischer Grundrechte.

Circa 200 Personen versammelten sich am Sonntagabend friedlich auf dem Helvetiaplatz in Zürich. Sie protestierten gegen die vom Schweizer Stimmvolk mit erschreckender Deutlichkeit angenommene Asylgesetzverschärfung. Einmal mehr müssen die Asylsuchenden als Sündenböcke für alle möglichen sozialen Probleme herhalten. Schon bald sahen sich die Protestierenden von einem massiven Polizeiaufgebot umzingelt.

Gewalt gegen Personen und Sachen – durch die Polizei

Als sich der Demonstrationszug in Bewegung setzte, reagierte die Polizei sofort mit dem Einsatz von Gummischrot und Wasserwerfer. Mindestens zwei Personen wurden verhaftet. Die Protestierenden sammelten sich daraufhin wieder auf dem Helvetiaplatz und skandierten Slogans gegen die Polizei und die rassistische Migrationspolitik der Schweiz. Einige Polizisten schlugen währenddessen auf das den Protestierenden entwendete Soundsystem ein und zerstörten es. Dabei kam es während des gesamten Protests von Seiten der Protestierenden zu keinerlei Gewalt.

Taksim ist überall

Der Slogan „Taksim ist überall“, der weltweit an Solidaritätskundgebung mit den Protesten in der Türkei skandiert wird, hat sich heute in Zürich auf eine etwas andere Art bestätigt: Nicht nur in der Türkei, auch in der Schweiz geht die Polizei mit unverhältnismässiger Gewalt gegen friedliche Demonstrationen vor.

Beschneidung der Grundrechte

Der Polizeieinsatz von heute war fehl am Platz und total unbegründet. Zum wiederholten Mal in den letzten Monaten geht die Polizei auf äusserst repressive Weise gegen eine friedliche Demonstration vor und beschneidet so das Recht auf freie öffentliche Meinungsäusserung massiv.

Quelle: http://www.bildung-fuer-alle.ch/artikel/wie-istanbul-so-auch-hier-gummischrot-und-wasserwerfer-gegen-friedliche-demo-z%C3%BCrich

Posted in Antifa, Antirep, Ausschaffungsinitiative, News, Schweiz, Squat the world | Tagged , , , | Leave a comment

“Wir sehen die Stadt nicht als Dialogpartner”

Wie in Bern, so auch in Aarau? Am 8. Juni findet dort zum dritten Mal das «Nächtliche Tanzvergnügen» statt. Mitveranstalter K.* erklärt, dass die Party durchgeführt werden soll – auch wenn die Polizei eingreift.

Was tun Sie dafür, dass sich die Szenen von Bern in Aarau nicht wiederholen?
Wir suchen keine Konfrontation mit der Polizei. Wir haben eine Tanzdemo angekündigt und wollen auch eine durchführen. Wenn sich die Polizei zurückhält, sehen wir keinen Grund, warum es zu Ausschreitungen kommen soll. Wenn die Polizei aber einschreitet, werden wir versuchen, unsere Tanzdemonstration durchzusetzen.

Was heisst das?
Das will ich nicht genauer ausführen, weil es sehr situationsbezogen ist. Aber ich möchte betonen, dass wir von unserer Seite die Konfrontation nicht suchen. Wenn sich die Polizei uns nicht in die Quere stellt, dann sollte es keine Probleme geben.

Die Veranstaltung nennt sich «Nächtliches Tanzvergnügen». Das klingt harmlos und wenig politisch. Wofür gehen Sie auf die Strasse?
Wir wollen zeigen, wie wichtig autonome Freiräume sind und dass es immer weniger von ihnen werden. Das zeigt sich am Beispiel der Binz, die momentan geräumt wird. Wir kämpfen schon lange für ein autonomes Kulturzentrum in Aarau. Dieses Anliegen wird heruntergespielt, die Beteiligten werden kriminalisiert. Ausserdem wird der öffentliche Raum zunehmend privatisiert. Das «Nächtliche Tanzvergnügen» ist eine Möglichkeit, diesen Raum in Anspruch zu nehmen.

Stellen Sie konkrete Forderungen?

Ein autonomes Zentrum kann nur funktionieren, wenn es ohne städtische, wirtschaftliche oder religiöse Einflüsse umgesetzt werden kann. Die Stadt Aarau ist kein Gesprächspartner für uns, daher stellen wir auch keine Forderungen.
Die Stadt Aarau hat Sie zum Gespräch eingeladen. Niemand ist gekommen.
Lukas Pfister, der FDP-Stadtrat, hat vor einem Jahr gesagt, dass die Stadt kein Gesprächspartner für ein autonomes Zentrum sei. Wir haben also einen Konsens mit der Stadt, dass wir beide nichts miteinander zu tun haben wollen. Jetzt macht sich die Stadt halt Sorgen, aber mit Blick auf die Vergangenheit ist diese Angst unbegründet.

Wie der «Tanz dich frei»-Umzug in Bern ist auch das «Nächtliche Tanzvergnügen» nicht bewilligt. Warum haben Sie keine Bewilligung eingeholt?
Wir sehen die Stadt Aarau nicht als Dialogpartner, unter anderem weil sie immer wieder versucht, die Personen, die sich engagieren, zu kriminalisieren. Kurz bevor die Einladung der Stadt kam, hat der Kanton bekannt gegeben, dass man die Kosten vom «Nächtlichen Tanzvergnügen» des letzten Jahres auf die Veranstalter abwälzen will. 120’000 Franken! Da wären wir ja blöd gewesen, wenn wir da hingegangen wären. Unsere Erfahrungen zeigen ausserdem, dass sich Gespräche mit der Stadt und dem Kanton nicht lohnen.

Sie könnten gemeinsam für die Sicherheit aller Beteiligten sorgen.

Dafür gibt es keinen Grund. Wir haben schon viele unbewilligte Anlässe durchgeführt, ohne dass es zu Problemen gekommen wäre. Das Konzept hat sich für uns bewährt.

Es gab nie Ausschreitungen in den letzten Jahren?

Im letzten Jahr gab es eine kleinere Auseinandersetzung, einige FC-Aarau-Fans oder Hooligans haben Demonstranten angegriffen. Ansonsten gab es aber weder Sachbeschädigungen noch Ausschreitungen.

Wer sind die Veranstalter des «Nächtlichen Tanzvergnügens»?

Die Kampagne für ein autonomes Zentrum (KAZ) ist ein Zusammenschluss von mehreren Gruppierungen und Personen, die sich schon in der Vergangenheit für ein Zentrum eingesetzt haben, aber nicht so gut vernetzt waren. Nachdem die Ereignisse im letzten Sommer neue Dynamik in die Diskussionen gebracht haben, kam es zum Zusammenschluss.

Habt ihr den Berner «Tanz dich frei»-Umzug als Zugpferd genutzt?
Klar haben wir mehr Aufmerksamkeit erhalten, nachdem im letzten Jahr in Bern 20’000 Leute am «Tanz dich frei»-Umzug teilgenommen haben. Aber wir versuchen unser Ding zu machen. Ich bezweifle, ob die diesjährigen Ausschreitungen in Bern ein Vorteil für uns sind.

Waren Sie auch in Bern auf der Strasse?

Zu den Ereignissen von Bern will ich prinzipiell nichts sagen.

Sind die Veranstalter in Bern auch am geplanten Umzug in Aarau beteiligt?

Ich weiss nicht, wer kommen wird. Ob Berner, Zürcher oder Tessiner. Hoffentlich kommen die Leute von überall her.

Sympathisieren Sie mit den Veranstaltern aus Bern?
Wir vertreten die ähnlichen Anliegen wie die Berner und erklären uns solidarisch mit den Leuten von «Tanz dich frei».

Auch mit den Chaoten?
Dazu will ich nichts sagen.

Es ist das dritte «Nächtliche Tanzvergnügen» in Aarau. Im letzten Jahr kamen 2000 Personen. Wie viele Teilnehmer erwartet Sie am 8. Juni?
Keine Ahnung, das spielt auch keine Rolle.

Nicht nur der Name klingt harmlos, auch das Plakat sieht aus wie jedes andere Plakat, mit dem die Clubs um Gäste werben. Ist das Absicht?
Anders als bei einer Hausbesetzerparty kommen auch junge, normale Partygängerinnen. Die sind dann ganz erstaunt, dass sie für das Bier so viel bezahlen können, wie sie wollen. Trotzdem wissen alle, worum es uns geht. Wir nutzen die Strasse ohne Bewilligung, also ist das auch ein politischer Anlass.

K.* ist Mitglied der «Kampagne für ein Autonomes Zentrum» (KAZ), die das «Nächtliche Tanzvergnügen» organisiert. Die KAZ-Mitglieder bleiben gegenüber der Öffentlichkeit anonym

Aargauer Zeitung / 30. Mai 2013

Posted in News, Schweiz, Squat the world, Veranstaltungen | Tagged , , , | Leave a comment

Im Zweifel links: Im Zweifel zuschlagen

Wenn die Staatsmacht Demonstrationen gewaltsam auflöst, hat das vor allem einen Sinn: Der Protest soll kriminalisiert werden. Aber das funktioniert nicht mehr. In Frankfurt so wenig wie in Istanbul.

Am Wochenende kam es in Frankfurt zu gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen der Polizei und antikapitalistischen Demonstranten. Es gab laut Veranstaltern mehr als 200 Verletzte. Das sind weniger als in Istanbul, wo die Demonstrationen gegen den selbstherrlichen Premier Erdogan inzwischen mehr als tausend Verletzte gefordert haben sollen. Aber das Muster ist in beiden Städten dasselbe: Die Polizei knüppelt den bürgerlichen Protest nieder. Und es liegt die Vermutung nahe, dass auch das Kalkül der Polizei dasselbe ist: Die Bilder der Gewalt sollen die Demonstranten diskreditieren. Aber das funktioniert nicht mehr.

In Frankfurt trennte die Polizei 900 Menschen vom Zug der etwa zehntausend Demonstranten ab, noch bevor das Ziel erreicht war, die Europäische Zentralbank. Die Leute wurden umzingelt. Viele Stunden mussten die Bürger im Kessel ausharren. Die “Frankfurter Allgemeine Zeitung” schreibt: “Am Abend löste die Polizei die Veranstaltung schließlich auf, indem Hundertschaften in die Menschenmenge drängten und die Teilnehmer herauszogen.” Frankfurts Polizeipräsident Achim Thiel argumentiert mit einem Schulterzucken: Das Verhalten einiger “Störer” habe seinen Leuten keine andere Wahl gelassen, als die Demonstranten anzuhalten und ihre Identität festzustellen. Den gleichen Legalismus – und noch viel mehr Gewalt – führt auch Premierminister Erdogan ins Feld. Er müsse für seine Projekte nicht “einige Marodeure” um Erlaubnis fragen.

Die Frankfurter Polizei hatte sich schon 2012 im Kampf gegen die antikapitalistischen Proteste durch besondere Unverhältnismäßigkeit hervorgetan. Erst im Februar war bekannt geworden, dass das Land Hessen Teilnehmern der Blockupy-Proteste aus dem vergangenen Jahr je 500 Euro Schmerzensgeld zahlen musste, weil die Demonstranten zu Unrecht stundenlang in Gewahrsam genommen worden waren. Das Gießener Amtsgericht hatte die Polizei dazu verurteilt. Das war der deutsche Rechtsstaat in seiner ganzen Ehrfurcht gebietenden Effizienz. Die Leute wollen demonstrieren – der Staat unterbindet das. Die Demonstranten werden eingesperrt. Und nachher bekommen sie als Entschädigung dafür, dass man sie ihrer Grundrechte beraubt hat: Geld.

Jeder Widerstand ist dem Staat verdächtig

Alles im Rahmen des Gesetzes. Alles hat seine Ordnung. Aber das ist eine sonderbare Ordnung, die eine Bedrohung sieht, wo Menschen ihre Rechte wahrnehmen und ihnen diese dann abkaufen will. Weil man mit 500 Euro auch Grundrechte kaufen kann. “Antikapitalismus” schrieb die Polizei in Frankfurt im Jahr 2012 an die Stelle, wo auf dem Formblatt der “polizeiliche Anlass” zur Festnahme einzutragen ist.

Aber ganz gleich, ob der Staat die Demonstranten kauft oder verprügelt – er schätzt sie nicht. Er misstraut ihnen. Er diskreditiert sie. Der US-Ethnologe David Graeber hat beschrieben, wie die Globalisierungsgegner von Seattle wahlweise als Kinder reicher Eltern mit Treuhandfonds oder als gewaltbereite Chaoten verunglimpft worden waren. Jeder Widerstand ist dem Staat verdächtig. Dem Gesetz ist Folge zu leisten. Das Gesetz hat recht. Wer es ändern will, dem stehen die entsprechenden Verfahren zur Verfügung. Zwar ist das Recht auf Demonstration Teil des Verfahrens. Aber es ist ein widerwillig zugestandenes Recht. Es widerspricht der Ideologie des Gehorsams, die immer noch viel stärker ist als das Ideal der Verantwortung.

Dabei gilt für Frankfurt und für Istanbul: Die Staatsmächtigen irren, wenn sie meinen, dass die Bilder der Gewalt die Demonstrationen diskreditieren. Sie diskreditieren vielmehr den Staat, der die Gewalt auslöst, sie nicht unter Kontrolle bringt, sie am Ende selbst ausübt. Das Bild des aus beiden Augen blutenden damals 66 Jahre alten Ingenieurs Dietrich Wagner, der während der Demonstrationen zu Stuttgart 21 von einem Wasserwerfer schwer verletzt wurde, dürfte großen Anteil daran gehabt haben, dass der baden-württembergische Ministerpräsident Mappus sein Amt verlor.Die brutalen Bilder aus Istanbul beschädigen das Image der Türkei als wirtschaftliches Kraftzentrum der Levante. Und die Bilder der mit Pfefferspray schießenden Polizisten aus Frankfurt diskreditieren die gemeinsame europäische Währung, die immer mehr Menschen nicht als verbindendes, sondern als trennendes Element in Europa wahrnehmen.

Ein Staat, der seiner Demonstranten nur mit Gewalt Herr werden kann, verliert vor den Augen der Öffentlichkeit seine Legitimation. Der gewalttätige Staat ist der schwache Staat. In Frankfurt und in Istanbul.

Quelle: http://www.spiegel.de/politik/deutschland/augstein-kolumne-im-zweifel-zuschlagen-a-903393.html

Posted in Arbeitskampf, Aus aller Welt, News, Squat the world | Tagged , , , | Leave a comment

Für Polizeikosten bei Demos müssen nicht Veranstalter zahlen

Die Luzerner Regierung darf die Kosten von Polizeieinsätzen bei politischen Demonstrationen nicht auf die Veranstalter abwälzen. Das Luzerner Verwaltungsgericht gibt Kritikern Recht und hebt die entsprechende Verordnung auf. Sie schränke das Grundrecht auf eine freie Meinungsäusserung ein. Die Luzerner Regierung darf die Kosten von Polizeieinsätzen bei politischen Demonstrationen nicht auf die Veranstalter abwälzen. Das Luzerner Verwaltungsgericht gibt Kritikern Recht und hebt die entsprechende Verordnung auf. Sie schränke das Grundrecht auf eine freie Meinungsäusserung ein.

Gegen die Polizeiverordnung hatten sich Demokratische Juristen, SP, Grüne und Gewerkschaften vor dem Verwaltungsgericht gewehrt. Wenn die Veranstalter von Demonstrationen mit sehr hohen Kosten für einen Polizeieinsatz rechnen müssten, werde die verfassungsmässig garantierte Versammlungs- und Meinungsäusserungsfreiheit eingeschränkt, so ihre Kritik.

Das Luzerner Verwaltungsgericht gibt ihnen in seinem Urteil Recht: Solche Verwaltungsgebühren bei politischen Veranstaltungen, die den Grundrechtsschutz geniessen, seien «im Ansatz heikel» und könnten «die Grundrechtsausübung geradezu vereiteln». Das Gericht kritisiert insbesondere, dass die Verordnung nicht genau festlegt, wie hoch die Gebühren ausfallen können und wer genau die Gebühren bezahlen müsste. Damit werde der Abschreckungseffekt verstärkt.

Peter Wicki, Präsident der Demokratischen Juristen Luzern, freut sich über den Entscheid. Die zuständige Justizdirektorin Yvonne Schärli dagegen erklärt, sie sei nicht völlig überrascht. Die Regierung werde jetzt klären, ob es möglich sei, das Anliegen in ein verfassungskonformes Gesetz zu giessen oder ob man auf die Idee ganz verzichte.

Quelle: http://www.srf.ch/news/regional/zentralschweiz/fuer-polizeikosten-bei-demos-muessen-nicht-veranstalter-zahlen

Posted in Lagota, Luzern, News, Schweiz | Tagged , , , , , | Leave a comment

Communiqué zum Tanz Dich Frei 3 vom 25.5.13

Communiqué zum Tanz dich Frei 3 vom 25.5.2013

Bern lebt wieder! Im Zuge des Tanz dich Frei haben sich heute mehr als 10’000 Leute die Strassen Berns für eine Nacht zurückgenommen und sind dem Aufruf des Tanz dich Frei Drei gefolgt. Nach einem Warm-up beim Bahnhofplatz, setzte sich der Zug nach 20 Uhr in Bewegung.

Nachdem die Demo friedlich und auf geplanter Route loslief, wurde die Strasse auf der Höhe der kleinen Schanze von Feuerwehrautos und Sanität gesperrt. Diese räumten jedoch die Strasse und gaben die Route frei. Die Strasse zum Bundeshaus war frei, und der Zug setzte sich erneut in Bewegung. Ein paar Leute rüttelten im Vorbeigehen am Hochsicherheitszaun und filmten mit Handys das Geschehen. Darauf hin setzte die Polizei Pfefferspray ein und der Wasserwerfer wurde eingesetzt. Anschliessend wurde auch Gummischrot und Tränengaspetarden eingesetzt. Es wurden viele Menschen eingenebelt, Unschuldige gerieten in Panik, nicht wenige wurden verletzt. Dies führte bei vielen Teilnehmer_innen zu Wut und sie setzten sich zur Wehr.

Der Ausgang der Demo passt zu der Hetzkampagne von Reto Nause im Vorfeld, die eine bewusste Eskalation beinhaltete. Eine Hetzkampagne, die Angst machen sollte. Wo vor Massenpaniken gewarnt wurde. Nun hat die Polizei eine solche ausgelöst. Mit dem Einsatz von Tränengas Massenpanik verhindern zu wollen ist jedoch doof.

Die Ereignisse von heute Abend sind bedenklich, jedoch nicht unbedingt erstaunlich: So liess der Staat seine realen Absichten klar durchblicken: Der Schutz des Bundeshaus ist wichtiger als derjenige von tausenden von Menschen. Die Polizei nahm eine hohe Anzahl von Verletzten Personen in Kauf, um ein Gebäude zu schützen.

Die Menschen liessen sich von dieser Gewalt jedoch nicht beeinflussen und feierten friedlich auf der Schützenmatte weiter.

Mit der Veranstaltung wurde unter anderem auf die Stadtentwicklung aufmerksam gemacht:
Das Kernanliegen der aktuellen Stadtentwicklung ist es, der Entstehung einer A-Stadt entgegenzuwirken. Das heisst eine Stadt mit einem übermässigen Anteil an Armen, Alten, Arbeitslosen, Autonomen, Ausländer_innen, Asozialen und Anderen zu vermeiden.
Niemand fragt uns, ob diese Politik unseren Vorstellungen entspricht. Denn das tut sie nicht!
UNSER Problem ist, dass IHRE Aufwertungspolitik sich einzig und allein an den Bedürfnissen eines kleinen, wohlhabenden Bevölkerungsteils orientiert, denn nur Menschen mit Geld bringen die erwünschten Profite. All jene, die nicht zu dieser Schicht gehören, bleiben einmal mehr auf der Strecke. Der Nutzen ist nur einigen Wenigen vorbehalten, die Nachteile wirken sich aber im Alltag aller anderen aus. Die Nutzung des öffentlichen Raums wird grundsätzlich eingeschränkt, unliebsame Personengruppen aus diesem weggewiesen. In privaten Geschäften und immer mehr auch auf öffentlichen Plätzen werden wir von Kameras überwacht. Das (Nacht-)leben wird zusehends eingeschränkt. Politische Aktionen werden nicht toleriert und im Keim erstickt um eine möglichst hohe Abschreckung zu erreichen. Und dies sind nur einige Beispiele.

Auch wir wollen eine A-Stadt verhindern. Diese besteht für uns aber aus Aufwertungspolitik, Ausgrenzung und Ausbeutung. Wir wollen uns nicht auf der Nase herumtanzen lassen, sondern selber bestimmen, wo und wann wir tanzen! Die Aufwertungspolitik ist aber nur ein Symptom, eine logische Konsequenz des kapitalistischen Systems

Es ist schade, dass die Veranstaltung nicht friedlich zu Ende gefeiert werden konnte.

Posted in News, Schweiz, Squat the world | Tagged , , , | Leave a comment

Critical Mass am 25.5 in Luzern

Posted in Luzern, Squat the world | Tagged , , | Leave a comment

Smash the Camps: Zur Besetzung des Duttweiler-Areals

Seit heute Samstag, 18. Mai 2013, besetzen wir das Duttweiler-Areal in Zürich West für drei Tage. Der Staat will hier ein erstes «Bundeszentrum» für Asylsuchende errichten und ab Januar 2014 die Durchführbarkeit seiner neuen Strategie in der Asylpolitik testen. Weil wir gegen jegliche Art von Herrschaft, Ausbeutung, Unterdrückung und Einsperrung sind, bekämpfen wir dieses geplante Internierungslager.

Die Aktion «Smash the Camps» wird von direkt Betroffenen und Solidarischen, Einzelnen und Gruppierungen gebildet, die das Migrationsregime als Ganzes ablehnen und deshalb das Bundeslager (als Teil staatlicher Lagerpolitik) auf dem Duttweiler-Areal verhindern wollen. Wir delegieren unsere Macht nicht an Parteien und Asylorganisationen, die sich im Bestreben, die Migration zu lenken und zu kontrollieren grundsätzlich einig sind, sondern setzen auf Selbstorganisation und Selbstermächtigung. Dazu nehmen wir uns Raum, ohne darum zu bitten, und suchen gemeinsam nach Möglichkeiten, wie wir die Abläufe des Migrationsregimes sabotieren können.

Wir lehnen jede Kooperation mit Medienschaffenden ab und verweisen für Stellungnahmen auf dieses Schreiben. Für uns stehen die selbstorganisierten und selbstermächtigenden Prozesse vor Ort im Vordergrund und nicht das mediale Spektakel.

********************
Bundeslager als Teil des globalen Herrschaftssystems
********************
Für ein effizienteres Ausweisungsverfahren soll auf dem Duttweiler Areal in Zürich West ein neuer Repressions-Komplex entstehen, in welchem 500 Asylsuchende einquartiert werden sollen. Dieser vereint u.a. eine Rechtsberatung, zuständige Behörden und die Polizei. In der Umgebung sind zudem 700 Ausschaffungshaftplätze, sowie Spezialknäste für «renitente» Asylsuchende geplant; ein neuer Komplex also, in dem sich die ganze Ausschaffungsmaschinerie konzentriert. Dieser Komplex dient den Herrschenden zum Erhalt ihres Machtsystems, welches u.a. darauf beruht, all
jene, die sich nicht profitabel verwerten lassen, also für das System überflüssig sind, einzusperren und auszuschaffen. Konkret heisst das, dass all jene, die nicht unter widrigsten Umständen ausgebeutet werden können, da ihre Arbeitskraft nicht benötigt wird, illegalisiert und abgeschoben werden sollen. Menschen, die aufgrund unterschiedlicher kapitalistischer Verwerfungen migrieren, finden sich hier in den gleichen Ausbeutungs- und Unterdrückungsstrukturen wieder – nur der Kontext ist ein anderer. Jährlich landen Zehntausende in der Schlaufe des Asylverfahrens, werden illegalisiert und schnellstmöglich ausgeschafft. Diese Strukturen der Unterdrückung und Ausbeutung können nur in einer autoritären Gesellschaft bestehen, welche die herrschenden hierarchischen Machtstrukturen als unantastbaren Status Quo akzeptiert und als Grundlage eines progressiven,
demokratischen Systems versteht. Die Herrschenden setzen indes alles daran, diesen scheinheiligen Frieden inmitten eines sozialen Krieges zu bewahren und jede potenzielle Gefährdung wegzusperren.

********************
Bundeslager als Teil des postkolonialen Grenzregimes
********************
Bundeszentren dienen offiziell der Abschreckung von Migrant_innen. Sie reihen sich damit in die Massnahmen zur migrationspolitischen Abschottung Europas ein und zementieren postkoloniale Machtverhältnisse. Seit den 1970er Jahren findet eine Globalisierung der Produktion und des Handels statt. Märkte werden liberalisiert und grosse Teile der westlichen Industrie in ehemals kolonialisierte Niedriglohnländer verlagert. Damit sind Landenteignungen von Millionen subsistenzwirtschaftender Landwirt_innen sowie die Zerstörung lokaler Märkte und Sozialstrukturen verbunden. Als Folge dieser Ausbeutung und in der Hoffnung auf eine bessere Lebensperspektive migrieren viele nach Europa. Die europäischen Unternehmen sind jedoch aufgrund des wachsenden Tertiärsektors immer weniger auf niedrigqualifizierte Lohnabhängige aus dem Süden angewiesen und unter dem Druck der Krise können immer weniger Migrant_innen überhaupt noch in die kapitalistische Produktion integriert werden. Innerhalb des Schengenraumes herrscht Personenfreizügigkeit. Sie wird als kultureller Erfolg der europäischen Einheit gefeiert, führt jedoch mangels Schutzbestimmungen der Arbeitsbedingungen zu Konkurrenz und Lohndruck. Die Einwanderung nach Europa wird durch kontingentierte Aufnahmen von Hochqualifizierten, verstärkte Kontrollen der Aussengrenze und systematische Ausschaffungen reguliert. Mit den Bundeslagern wird die Schweiz über eine weitere Massnahme verfügen, um die postkolonialen Machtverhältnisse zu verteidigen.

********************
Bundeslager als Teil des kapitalistischen Ausbeutungsregimes
********************
Falls Migrant_innen trotz lebensbedrohlichen Grenzregimes in die Schweiz gelangen, werden sie zukünftig in Bundeslager gesperrt. Diese sind, wie Lager im Allgemeinen, ein Ort der Entrechtung, der Isolation und der Stigmatisierung. In Bundeslagern werden Flüchtlinge in «Richtige» und «Falsche» unterteilt. Illegalisierte Migrant_innen werden der Ausschaffungsmaschinerie zugeführt oder müssen untertauchen und sich mit Schwarzarbeit durchschlagen. Niedriglohnbranchen wie Bau, Gastronomie, Landwirtschaft oder der Care-Bereich setzen auf einen ethnisch hierarchisierten Arbeitsmarkt und die Ausbeutung illegalisierter Migrant_innen. In bestimmten Sektoren benötigt das Kapital solche entrechteten Arbeitskräfte, um archaische Ausbeutungsformen aufrechtzuerhalten. Die blosse Anwesenheit stigmatisierter Arbeitskräfte dient dazu, Teile der Arbeitswelt gegeneinander auszuspielen. Durch diese Lagerpolitik wird ein rassistischer Boden bereitgelegt, welcher sich durch mediale Hetze verfestigt und zur Verschärfung des Asylwesens beiträgt. Illegalisierte Migrant_innen sind idealtypische Angestellte des neoliberalen Akkumulationsregimes und führen zu Anpassungen der Lohn- und Anstellungsbedingungen nach unten. Die Bundeslager tragen dazu bei, dass das Kapital zu den benötigten ausbeutbaren Arbeitskräften kommt.

********************
Bundeslager als Teil des neoliberalen Asylregimes
********************
Die laufende Asylgesetzrevision hat wie die bisherigen einen ausgeprägten unternehmerischen Managementcharakter. Die effizientere Gestaltung des Asylverfahrens und der effektivere Vollzug von Wegweisungen standen häufig im Mittelpunkt der Revisionen. Effizienz und Effektivität stellen Kriterien in einem betriebswirtschaftlichen Unternehmen dar, um Abläufe zu optimieren. Die Bundeslager sollen die Abläufe ebenfalls «beschleunigen». Asylsuchende, BFM, Rechtsvertretung, Rückkehrhilfe, Dokumentprüfende, Polizei, u.s.w. werden zu diesem Zweck künftig am gleichen Ort konzentriert. Hierzu werden in der Umgebung der fünf Empfangszentren je vier Lager an bis zu 400 Plätzen und zu den 430 bestehenden Haftplätzen weitere 700 für
Ausschaffungs- oder Beugehaft geschaffen. Diese «Beschleunigung» wird im Sinne der Asylsuchenden dargelegt, da diese ein Recht auf einen raschen Entscheid hätten. Tatsächlich geht es aber um die effiziente und effektive Lenkung der Migration. Die neuen Bundeslager gehen deshalb mit einer massiven Ausweitung des Repressionsapparates einher. Das Ziel ist die Zahl der Asylgesuche bzw. Kosten zu senken und «echte» von «falschen» Flüchtlingen zu trennen. Das sind die Qualitätsmerkmale eines neoliberalen Asylregimes, welches Migrant_innen stigmatisiert, degradiert und wie Waren in einer Fliessbandproduktion verarbeitet.

Die Zeiten des Dialogs sind vorbei:
BUNDESLAGER VERHINDERN!

Quelle: http://ch.indymedia.org/de/2013/05/89680.shtml

Posted in Antifa, Migration, News, Schweiz, Squat the world | Tagged , , , | Leave a comment